2015 hat sich die Staatengemeinschaft mit den „Sustainable Development Goals“ (SDGs) verpflichtet, bis 2030 gemeinsam zu einer besseren ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklung beizutragen. Drei Jahre später zeigt der aktuelle SDG-Index, dass dieser Weltzukunftsvertrag kaum in der Praxis wirkt. Insbesondere reiche G20-Staaten werden ihrer Vorbildrolle nicht gerecht.
Gütersloh, New York. Bis zum Erreichen der globalen UN-Ziele ist es für Industrie- und Entwicklungsländer immer noch ein weiter Weg. Der aktuelle SDG-Index, der gemeinsam von der Bertelsmann Stiftung und dem Sustainable Development Solutions Network (SDSN) entwickelt wurde, zeigt erstmals für 193 Staaten, wo die Weltgemeinschaft bei der Erfüllung der insgesamt 17 Ziele steht. Das Ergebnis: Kein Land ist momentan auf dem Weg, alle Ziele bis 2030 zu erfüllen.
Der diesjährige Index beleuchtet vor allem die Rolle der G20-Staaten, die ihrer Vorbildfunktion kaum gerecht werden, so die Autoren. Als ein entscheidendes Hindernis verweisen sie auf die unzureichende Einbettung der Ziele in nationale Regelwerke. Dadurch bleiben die tatsächlichen Fortschritte hinter den Lippenbekenntnissen zurück. Gleichzeitig kritisieren die Autoren, dass viele Industriestaaten die Umsetzung der Ziele zusätzlich erschweren, da sie häufig externe Kosten für die Weltgemeinschaft verursachen.
Der SDG-Index ist die erste weltweite Vergleichsstudie von Industrie- und Entwicklungsländern zur Erreichung der globalen Ziele. Der Index erlaubt anhand von Länderprofilen den Vergleich aller Staaten untereinander.
„Um die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen, brauchen wir weniger Lippenbekenntnisse und mehr Gestaltungswillen. Nur wenn alle Länder die Ziele in ihrer nationalen Politik verankern, können sie auch praktisch Wirkung entfalten“, sagt Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. „Der SDG-Index zeigt, dass Staaten, die im Einklang mit Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, sozialer Gerechtigkeit und nachhaltiger Entwicklung handeln, die besten Chancen haben, die Ziele zu erreichen“, ergänzt Jeffrey Sachs, Autor der Studie und Direktor des SDSN.
Deutschland auf gutem Weg zur Erreichung der Ziele
Wie auch in den Vorjahren sind es vergleichsweise kleine, wohlhabende und nordeuropäische Staaten, die die UN-Vorgaben schon heute am ehesten erfüllen: Schweden, Norwegen und Dänemark erreichen die höchsten Platzierungen im Ländervergleich. Deutschland folgt auf dem vierten Platz. Die Werte für die USA (35. Platz) und China (54. Platz) verdeutlichen, dass die größten Volkswirtschaften in puncto nachhaltiger Entwicklung noch aufholen müssen. Vor allem im Bereich „nachhaltiger Konsum und Produktion“ hapert es in den Industrieländern noch gewaltig. Am unteren Ende der Skala befinden sich fast ausschließlich afrikanische Staaten wie die Demokratische Republik Kongo, Tschad und die Zentralafrikanische Republik.
Deutschland liegt auf dem 4. Platz und ist neben Frankreich (5. Platz) eines von zwei G7-Ländern in den Top Ten. Laut Index liegt Deutschland mit einem Ergebnis von rund 82 Punkten über dem OECD-Durchschnittswert von rund 77 Punkten (100 Punkte bedeutet: Ziele sind komplett erreicht). Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele bewerten die Autoren für Deutschland als überdurchschnittlich gut. So gibt es in Deutschland beispielsweise eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie und die Bundesregierung unterstützt wissenschaftliche Netzwerke, die die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele begleiten und evaluieren.
In diesem Zusammenhang liegen zumindest teilweise Berechnungen über nötige Investitionen vor, die für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele nötig sind. Nachholbedarf bescheinigt der Index den Deutschen hingegen im Bereich „nachhaltiger Konsum und Produktion“. So produzieren die Deutschen jährlich pro Kopf rund 22 Kilogramm Elektroschrott – fast dreimal so viel wie in der Türkei oder Mexiko und gleich viel wie in den USA. Ebenso negativ fallen die hohen Schwefeldioxid-Emissionen ins Gewicht, die durch Produktionsstandorte und den Konsum in Deutschland entstehen (rund 18 Kilogramm Schwefeldioxid pro Kopf und Jahr).
G20 Staaten müssen Vorbildrolle gerecht werden
Die Autoren beleuchten im aktuellen Index vor allem die Rolle der G20-Staaten und bemängeln dort fehlende Pläne und Strategien zur praktischen Umsetzung der Entwicklungsziele: „Während es in einigen Staaten wie Brasilien, Mexiko und auch Deutschland bereits offizielle Aktionspläne oder öffentliche Vergabeverfahren gibt, die die Umsetzung der globalen Ziele berücksichtigen, hören wir in den USA oder auch in Russland kaum offizielle Bekenntnisse aus der Politik“, so Christian Kroll, Mitautor des SDG-Index bei der Bertelsmann Stiftung.
Gleichzeitig gehören die G20-Staaten vor allem durch ihren hohen Lebensstandard und ihr Konsumverhalten zu den größten Kostenverursachern für die Weltgemeinschaft. Von den 15 Staaten, die im Bereich „nachhaltiger Konsum und Produktion“ die größten Kostenverursacher sind, gehören elf zur G20-Gruppe. Die USA allein verursachen knapp ein Viertel der weltweiten negativen Effekte, die das Erreichen der Ziele erschweren. China, Indien und die USA sind gemeinsam durch ihre Industrieproduktion und den Konsum von Dienstleistungen und Waren fast zur Hälfte (40 Prozent) dafür verantwortlich, dass die Zielsetzungen im Bereich „nachhaltiger Konsum und Produktion“ noch nicht erfüllt werden.
Den Entwicklungs- und Schwellenländern stellen die Autoren ein etwas besseres Zeugnis aus: Gerade in Ländern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen gibt es langsame, aber stetige Fortschritte, sodass extreme Armut oder Unterernährung vermindert und der Zugang zu grundlegenden Gütern und Dienstleitungen wie sauberem Wasser, Bildung oder einer rudimentären Gesundheitsversorgung leicht verbessert wurde.
Dennoch sind es gerade die ärmsten Länder, die im Index insgesamt am schlechtesten abschneiden. In Nigeria und der Demokratischen Republik Kongo bestehen aktuell zum Beispiel noch die größten Hürden, um extreme Armut zu beseitigen. Dazu kommt häufig eine fehlende oder unzureichende Infrastruktur, um die Entwicklungschancen der Bevölkerung systematisch zu verbessern. In Konfliktregionen wie Syrien, Irak, aber auch den Ländern in Sub-Sahara-Afrika führen bewaffnete Konflikte zusätzlich zu einer Verschlechterung der Situation.