Berlin (dapd). 17 Minuten und 25 Sekunden brauchte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, um das Programm der SPD für die Bundestagswahl 2012 zu erklären. Es gehe darum, „die sozialdemokratische Geschichte weiter zu erzählen“, um die „innere Friedfertigkeit der Gesellschaft“, um die Frage „wie halten wir diesen Laden zusammen?“, umschrieb Steinbrück am Montag im Willy-Brandt-Haus das „Regierungsprogramm der SPD 2013“. Dieses hatte der Vorstand zuvor beschlossen. Der ehemalige Bundesfinanzminister, der sich zu Beginn seiner Kanzlerkandidatur „Beinfreiheit“ von seiner Partei gewünscht hat, muss nun ein linkes Gerechtigkeitsprogramm im Wahlkampf verkaufen. Wie er seinen Linksschwenk denn erkläre, wurde er gefragt. „Warum soll sich die SPD nicht weiter nach links bewegen, wenn das dem Willen der Bürger entspricht“, antwortete er. Das Wahlprogramm entspreche der Tradition der ehemaligen SPD-Kanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. „Es geht um die Bändigung von Fliehkräften unserer Gesellschaft“. Dazu zähle auch eine umfassende Finanzmarktkontrolle und die Begrenzung von Managergehältern. „Wir reden von einer demokratiekonformen Marktwirtschaft“, betonte Steinbrück. Die SPD setzt im Bundestagswahlkampf voll auf die Karte soziale Gerechtigkeit. Vorgesehen sind unter anderem eine neue Vermögensteuer sowie ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro. Das rund 100-seitige Regierungsprogramm muss noch von einem Bundesparteitag beschlossen werden, der am 14. April in Augsburg stattfindet. Die Partei will auch den Spitzensteuersatz für Einkommen ab 100.000 Euro (bei Ehepaaren 200.000 Euro) auf 49 Prozent anheben. Hinzu kommt eine Vermögensteuer, die Normalverdiener nicht belasten soll. Kapitalerträge sollen künftig mit 32 statt 25 Prozent besteuert werden. Steinbrück sagte, der SPD gehe es darum, „einige Steuern für einige zu erhöhen“. Starke Schultern müssten zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben mehr beitragen. Das sei kein „Loch-Ness-Monster“, sondern für eine gerechte Gesellschaft nötig. Dies gelte insbesondere für die Investitionen in Bildung. Zudem müsse die Schuldenbremse eingehalten werden und die wirtschaftsnahe Infrastruktur ausgebaut oder saniert werden. Mit Blick auf die geplante Vermögensteuer sagte der Kanzlerkandidat, die SPD „denke nicht an eine Substanzbesteuerung der Unternehmen“. In der Bildungspolitik will die SPD an der Länderhoheit rütteln. In einem ersten Schritt müsse das Kooperationsverbot von Bund und Ländern bei der Bildungsfinanzierung fallen, kündigte Steinbrück an. Der Parteivorstand folgt damit einem Votum des SPD-Bürgerkonvents zum Wahlprogramm. Parteichef Sigmar Gabriel hatte zuvor in einem „Spiegel Online“-Interview ein Ergebnis mit einer drei vorne als Ziel ausgegeben. Bei der letzten Bundestagswahl erzielte die SPD 23 Prozent. Die CDU ging hart mit dem Wahlprogramm der SPD ins Gericht. „Die SPD-Spitze hat ein linkes Abkassier-Programm vorgelegt“, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die SPD setze mit ihren Steuerplänen die gute wirtschaftliche Entwicklung und damit Arbeitsplätze aufs Spiel. „Das Wahlprogramm der Genossen ist eine Attacke auf den Mittelstand und auf Deutschlands Stärke“, warnte Gröhe. Auch Spitzenverbände der Wirtschaft kritisierten die Steuer- und Arbeitsmarktpläne im Programm der SPD für die Bundestagswahl im kommenden Herbst scharf. Die Steuerpläne seien „Gift für die Wirtschaft“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, der Nachrichtenagentur dapd. Angesichts von Rekordeinnahmen sollten Steuererhöhungen kein Thema sein. Er wies auch Pläne für den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn zurück. Dieser wäre „Gift für den Arbeitsmarkt“ und würde Geringqualifizierten den Einstieg in den Arbeitsmarkt erschweren. Mittelständler müssten den allergrößten Teil der Steuererhöhungen tragen, kritisierte der Präsident des Verbandes „Die Familienunternehmer“, Lutz Goebel. „Deutschland hat kein Umverteilungsproblem sondern sehr große Schwierigkeiten, Niedrigqualifizierte in Arbeit zu bringen“, sagte er der Nachrichtenagentur dapd. Darauf habe die SPD mit der Agenda 2010 richtige Antworten gegeben, rücke nun allerdings davon ab. Die Linke kann im Wahlprogramm der SPD viel Gutes entdecken, zweifelt aber am Willen der Sozialdemokraten zur Umsetzung ihrer Forderungen. „Im Wahlprogrammentwurf der SPD klingt vieles gut, aber das war vor den Bundestagswahlen 1998, 2002, 2005 und 2009 ja nicht anders“, sagte Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn. Er wertete das SPD-Wahlprogramm als „Drehbuch für einen simulierten Lagerwahlkampf“. „Wir sind vor allem gespannt, was davon in einer Großen Koalition mit der Union übrig bleiben wird. Ich sage voraus: nicht viel und von manchem das Gegenteil.“ dapd (Politik/Politik)
Eingeschränkte Beinfreiheit – Der SPD-Kanzlerkandidat und das Wahlprogramm
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen