Brüssel (dapd). Der Friedensnobelpreis – ausgerechnet für die EU! Für die geschundene Gemeinschaft, die gegen Schuldenkrise und Zerfallskräfte ankämpft. Die vor allem mit sich selbst ringt. Die bei Nahostkonflikt und Syrienkrieg den ohnmächtigen Zuschauer geben muss. Das Osloer Nobel-Komitee hat am Freitag eine für viele überraschende Entscheidung gefällt. Das mag für Kopfschütteln sorgen, denn als strahlender Friedensstifter ist die EU schon lange nicht mehr wahrgenommen worden. Und doch sendet der Preis ein wichtiges Signal gegen den Rückfall in Nationalstaaterei. Und er kann der EU neuen Mut geben, neuen Schwung im Kampf gegen ihre vielfältigen Probleme. „Wir brauchten gute Nachrichten“, brachte es Kommissionschef José Manuel Barroso in vier Worten auf den Punkt. Die Gemeinschaft stehe für „Brüderlichkeit zwischen den Nationen“, würdigten die Weisen in Oslo. Zugleich wies das Komitee auf „tiefe wirtschaftliche Schwierigkeiten und beachtliche soziale Unruhen“ hin, die der Union zu schaffen machen. Doch soll der Preis den Blick auf das lenken, was überdauert: „Der erfolgreiche Kampf für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte.“ Anerkennung statt Prügel Die Auszeichnung steht im krassen Gegensatz zu den Prügelschlägen, die immer wieder auf Brüssel herabsausen. US-Präsident Barack Obama lässt keine Gelegenheit aus, den schuldengeplagten Kontinent als Gefahr für die Weltwirtschaft zu geißeln. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) drischt regelmäßig ein – weil die EU nicht genug Kraft gegen die Krise aufbringe. Selbst für Schwellenländer wie Brasilien ist Europa zum Sündenbock geworden. Und die Kritik ist nicht ganz unberechtigt: Denn auch drei Jahre nach Ausbruch der Krise ist die Gemeinschaft in Kernfragen zerstritten. Die Schuldenkrise hat sich längst zur kontinentalen Wirtschaftskrise ausgeweitet, und die Spardiktate treiben Millionen Menschen von Griechenland bis Portugal in die Arbeitslosigkeit und auf die Barrikaden. Statt Einigung und Vertiefung stehen die Signale auf Abspaltung und Zerfall: In Großbritannien wird hitzig über einen Austritt debattiert, Premier David Cameron muss sich gegen immer mehr EU-Feinde in den eigenen Reihen wehren. Separatistische Parteien haben Zulauf. In Spanien streben Katalonien und das Baskenland in die Unabhängigkeit. Und das bedeutendste Erweiterungsprojekt – eine Aufnahme der Türkei – ist vorerst vor die Wand gefahren. Es bröselt gefährlich, im Inneren und an den Rändern. Und mitten in die Sinn- und Wirtschaftskrise platzt die Nachricht aus Oslo. Der Friedensnobelpreis. Noch ein Mal ist es Barroso, der die Botschaft herausfiltert: „Dass die EU etwas sehr Kostbares ist, dass sie in Ehren gehalten wird.“ Er ist gerührt. Denn der Preis kann die Gemeinschaft wieder stärken, wenn hinter den dunklen Wolken wieder die große Errungenschaft erkannt wird. „Die EU hat Krieg in Europa unmöglich gemacht“, sagt der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok der dapd. Die EU hat Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte in Europa verankert, schreibt das Oslo-Komitee. Der Blick zurück soll die Selbstzweifel lindern – um wieder mehr Europa zu wagen. Wer den Krieg besiegt, kann auch den Euro retten Werden die Signale gehört? Ob der Preis mehr als einen dekorativen Wert entfaltet, wird sich schon in den kommenden Wochen zeigen. Durch die Ehrung ist die EU jetzt in der Bringschuld. Am Montag treffen sich die 27 Außenminister. Können sie ihre Eitelkeiten und nationalen Interessen so weit zurückstellen, dass der Friedensnobelpreisträger geschlossen auftritt? Im November sind die Innenminister an der Reihe: Schaffen sie eine Asylpolitik, die ihrem Namen gerecht wird? „Die EU schottet ihre Grenzen ab, schickt Flüchtlinge zurück in Länder, in denen sie gefoltert werden, trägt bei weitem nicht ihren fairen Anteil“, sagt Nicolas Berger von Amnesty International. „Das ist jetzt nicht mehr hinnehmbar.“ Auf dem Gipfel nächste Woche streiten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Kollegen wieder über die Schlüsselfrage: Wie viel Solidarität muss es für welche Gegenleistungen geben, damit der Euro überlebt? Es ist eine schwierige Frage. Aber wer den Krieg besiegt hat, der sollte es auch schaffen, seine gemeinsame Währung zu retten. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
Doping gegen die Selbstzweifel
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen