Berlin (dapd). Wahlkampf statt Generaldebatte: Linksparteichefin Katja Kipping gab am Mittwoch der Diskussion im Bundestag über den Haushalt 2013 den treffenden Titel: „Deutschland sucht den Super-Wahlkämpfer.“ Zehn Monate vor der Bundestagswahl ging es noch weniger als sonst in der Debatte über den Etat von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um eine sachliche Auseinandersetzung. Die Kanzlerin wollte, ebenso wie ihr Herausforderer Peer Steinbrück (SPD), bei den Wählern zu punkten. „Beide Kandidaten versuchen, sich ins rechte Licht zu setzen“, kommentierte Kipping die dreieinhalbstündige Debatte. „Herr Steinbrück schenkt der Regierung mit viel Tam-Tam ein. Frau Merkel verteidigt sich tapfer, die Fanblöcke sind aufmarschiert.“ Dabei fing Steinbrück ganz vorsichtig an. Deutschland stehe besser da als andere EU-Staaten, sagte er. „Das ist die gute Nachricht für unser Land.“ Doch dann folgte mit der schlechten Nachricht der erste Angriff auf die schwarz-gelbe Koalition: „Diese vergleichbar gute Entwicklung hat mit der Arbeit der Bundesregierung in den letzten drei Jahren wenig zu tun.“ Und dann polterte Steinbrück los: „Wir sind Alice im Wunderland – nicht wegen, sondern trotz dieser schwarz-gelben Bundesregierung.“ Weder bei der Förderung von Wachstum- und Beschäftigung noch bei der Unterstützung des Mittelstands habe die Regierung Merkel etwas auf den Weg gebracht – ganz im Gegensatz „zu ihrer donnernden Selbstbeweihräucherung“, rief der SPD-Politiker den Fraktionen von Union und FDP zu. „Diese Koalition kämpft nur mit und für sich selbst.“ Vor allem die Euro-Rettungs-Politik der Kanzlerin bedachte Steinbrück mit einem Stakkato an Beschimpfungen: „Gipfel statt Strategie, Inszenierung statt Substanz, Palaver statt Lösungen, Nebel statt Klarheit.“ Für die Energiewende fehle noch immer ein Masterplan: „Jede Frittenbude in Deutschland wird besser gemanagt als die Energiewende in diesem Land.“ Kein Befreiungsschlag beim Thema Griechenland Dann kam Merkel und sorgte als erstes für dröhnendes Gelächter bei der Opposition: „Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“, sagte sie. Danach würdigte die CDU-Vorsitzende die Errungenschaft von Schwarz-Gelb aus ihrer Sicht: Arbeitslosigkeit auf Tiefststand, Entlastung der Kommunen, Energiewende, Aussetzen der Wehrpflicht und Neuverschuldung null ab 2016. Von Zeit zu Zeit schaltete auch die Kanzlerin in den Wahlkampfmodus: Sie wolle den Menschen Freiräume eröffnen, sagte sie mit einem Seitenhieb auf die SPD: „Weil wir den Menschen im Lande etwas zutrauen – das ist vielleicht der Unterschied zwischen Ihnen und uns.“ Beim Thema Griechenland-Rettung dankte Merkel ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der in der Nacht zuvor über das Thema in Brüssel verhandelt hatte und jetzt auf der Regierungsbank im Bundestag mit dem Schlaf kämpfte. Die Hoffnung auf einen Befreiungsschlag machte Merkel zunichte: „Die Sehnsucht gibt es, aber die Antwort auf diese Sehnsucht wird es nicht geben.“ Flirt im Backstage-Bereich FDP-Fraktionschef Chef Rainer Brüderle warf Steinbrück vor, zu jedem Thema mindestens zwei Meinungen zu haben. Er wolle zwar nicht seine Vorträge gegen kräftige Honorare kritisieren. Aber der SPD-Politiker habe sich mit seinen Personalentscheidungen angreifbar gemacht, sagte Brüderle. „Sie haben den Autor des berühmten Buchs ‚Scheißkerle‘ als Online-Berater vorgesehen und sich offenbar wieder getrennt.“ Die Berufung des Unternehmers Roman Maria Koidl hatte in der SPD wegen dessen früheren Beratertätigkeit für Hedgefonds für Verärgerung gesorgt. Brüderle fragte Steinbrück und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, ob sie ernsthaft glaubten, dass die Deutschen ihnen ihr Geld anvertrauten. „Die Kombilösung Trittin/Steinbrück wird teuer, sie kostet uns im Jahr 40 Milliarden Euro“, sagte der FDP-Politiker und verwies auf geplante Steuererhöhungen. Auch würde Rot-Grün nicht nur Deutschland, sondern auch Europa in die Rezession führen. Trittin fragte: „Was bleibt eigentlich von sieben Jahren Merkel?“ Eigentlich nur „ein gewaltiger Ansehensverlust“ in Deutschland und international. Und rote Zahlen im Bundeshaushalt: „Wenn auch nicht viel von ihrer Kanzlerschaft bleibt: Dieser Haufen Schulden bleibt für kommende Generationen, für sehr lange“, sagte Trittin. Kipping kommentierte den Schlagabtausch zwischen CDU und SPD mit den Worten: „Aber am Ende ist es vor allem eine Show. Und die Frage ist doch, wie groß sind die Unterschiede wirklich, wenn die Scheinwerfer aus sind und wenn es in den Backstage-Bereich geht. Wird nicht hinter der Bühne schon ganz heftig geflirtet?“ dapd (Politik/Politik)
Deutschland sucht den Super-Wahlkämpfer
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen