Brüssel (dapd). Nach der Entdeckung möglicher Materialschäden an einem belgischen Atomkraftwerk hat das Bundesumweltministerium zumindest hierzulande Entwarnung gegeben. „Wir können ausschließen, dass dieser Typus in einem laufenden deutschen AKW verbaut ist“, sagte ein Ministeriumssprecher auf dapd-Anfrage am Freitag und fügte hinzu: „Insofern können wir definitiv Entwarnung geben.“ Noch offen sei indes, ob die mutmaßlich schadhafte Reaktorkonstruktion in einem bereits stillgelegten Meiler auf deutschem Boden zum Einsatz gekommen sei. Auch in diesem Fall bestünde allerdings kein Sicherheitsrisiko mehr, versicherte der Sprecher. Die belgische Atomaufsichtsbehörde AFCN hatte bei einer Routinekontrolle am Block 3 des bei Antwerpen gelegenen Kernkraftwerks Doel im Juni Unregelmäßigkeiten festgestellt. Bei eingehenden Messungen mit einer neuen Ultraschall-Methode seien „zahlreiche Hinweise“ gefunden worden, die auf feine Risse in der Stahlsubstanz des Reaktorbehälters hindeuteten. Doel 3 wurde daraufhin bis mindestens Ende August stillgelegt. Nach Angaben der belgischen Regierung besteht keinerlei Gefahr für Bürger oder Mitarbeiter des AKW, zumal der Brennstoff aus dem betroffenen Reaktor entfernt worden sei. Innenministerin Joëlle Milquet versprach aber „extreme Wachsamkeit“ bis zum Abschluss der laufenden Untersuchung. Vor deren endgültigem Ergebnis werde auch keine Entscheidung über eine mögliche Reaktivierung des bereits in den 70er Jahren konstruierten und 1982 in Betrieb genommenen Druckwasserreaktors getroffen. Unterdessen haben die belgischen Behörden auch potenziell betroffene Drittstaaten über den Vorfall informiert. Nach Angaben der AFCN gibt es weltweit 21 weitere Reaktoren des gleichen Bautyps. In welche Länder diese geliefert wurden, sei aber nur schwer nachzuvollziehen, da die niederländische Herstellerfirma heute nicht mehr existiert. Nach einem Bericht der französischen Zeitung „Le Monde“ gingen unter anderem zwei Fabrikate nach Deutschland. Nach Angaben von EU-Kommissionssprecherin Marlene Holzner wird nun geprüft, inwiefern Reaktoren des gleichen Typs in den 15 anderen EU-Ländern verbaut wurden, die Atomkraft nutzen. Für Donnerstag hat die AFCN zudem ein Expertentreffen zum Austausch erster Erkenntnisse anberaumt. Sicher ist, dass ein baugleicher Reaktor auch im 30 Kilometer südwestlich von Lüttich gelegenen Atomkraftwerk Tihange steht. Der betroffene Block 2 wird deshalb ab Mitte August ebenfalls untersucht, Resultate erwartet die AFCN für Ende September. Die drei zu Tihange und vier zu Doel gehörenden Reaktorblöcke bilden zusammen Belgiens einzige Kernkraftwerke. Der nun stillgelegte Block Doel 3 mit einer Leistung von 1.000 Megawatt ist rund 13 Meter hoch und hat einen Durchmesser von 4,40 Meter sowie 20 Zentimeter dicke Wände. Die gesamte Konstruktion wiegt etwa 330 Tonnen. In Brüssel gibt man sich trotz der vorsichtshalber eingeleiteten Sicherheitsvorkehrungen gelassen. „Dieser Vorfall ist momentan ein eher kleiner und kein Grund zur Sorge für die Bevölkerung“, hieß es in EU-Kreisen. Sollten allerdings schwerwiegende Materialschäden bestehen, wäre eine Reparatur des Reaktorbehälters nach Einschätzung der AFCN „praktisch unmöglich“. Auch ein Austausch sei „extrem schwierig“ und wegen der erhöhten Strahlung weltweit noch nie gewagt worden. Offen ist daher noch, was eine vorzeitige Stilllegung des Reaktors für die Pläne der belgischen Regierung bedeutet, alle Blöcke zwischen 2015 und 2025 vom Netz zu nehmen. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
Deutsche Meiler offenbar nicht von Problem in belgischem AKW betroffen
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Peer-Michael Preß
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