Berlin (dapd). Alle Parteien wollen die Steueroasen trockenlegen, aber niemand hat dafür ein Patentrezept. Nach der Offenlegung der Daten von 130.000 Steuersündern appellierte die Bundesregierung am Freitag an die daran beteiligten Journalisten, ihre Erkenntnisse mit den Ermittlern zu teilen. SPD und Grüne nannten diese Vorgehensweise beschämend. Schweizer Behörden prüfen bereits den Fall des verstorbenen Multimillionärs Gunter Sachs, der in Steueroasen ein weit verbreitetes Firmennetz unterhalten haben soll. Eine anonyme Quelle hatte internationalen Medien Informationen darüber zugespielt, auf welchen geheimen Wegen Reiche und Kriminelle große Vermögen verstecken und zweifelhafte Geschäfte verschleiern. In Deutschland berichteten die „Süddeutsche Zeitung“ und der NDR über den Datensatz, der 130.000 Steuerflüchtlinge aus mehr als 170 Ländern auflistet. Beide Medien meldeten, aufgrund der Hinweise des „Offshore-Leaks“ genannten Rechercheprojekts wolle die Finanzbehörde der Schweizer Hauptstadt Bern nun den Fall des Millionenerbes von Sachs prüfen. Von 2008 bis zu seinem Tod 2011 war der Deutsch-Schweizer im Kanton Bern steuerpflichtig. Man werde mit den „zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten und Mitteln“ gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, heißt es in einer Erklärung der Finanzbehörde. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus, sagte: „Wenn man es ernst nimmt mit der Frage von Steuerbetrug und -hinterziehung, dann sollte man diese Dokumente den zuständigen Behörden geben, damit sie dann auch ermitteln können.“ Die zuständigen Behörden seien die Staatsanwaltschaften der Länder. „Die Menge an Material, die da offensichtlich vorliegt, das ist mir in der Form bis jetzt nicht untergekommen“, sagte Kotthaus. Trittin prangert „windelweiche Steuerabkommen“ an SPD-Fraktionsvize Joachim Poß nannte es „scheinheilig“, dass Schäuble sich bei den Medien für den neuen Druck auf Steueroasen bedanke. „Denn er und Frau Merkel waren es, die mit einer inakzeptablen Sonderbehandlung für die Schweiz diesen Druck genommen haben.“ Schäuble habe der Schweiz das Bankgeheimnis garantieren wollen. „Doch gerade die darin liegende Anonymität ermöglicht die Steuerhinterziehung“, sagte Poß. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, es sei „beschämend“, wie Schäuble bei Journalisten um die Steuerdaten bitte. „Der Finanzminister der größten Volkswirtschaft Europas hat vor der internationalen Steuer-Mafia kapituliert.“ Mit Liechtenstein habe Deutschland ein „windelweiches Steuerabkommen“ geschlossen, obwohl das Fürstentum „zum internationalen Schattenreich aus Steueroasen und Briefkastenstandorten“ gehöre. Schäuble setzt auf internationale Zusammenarbeit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte im Deutschlandfunk, ein entscheidender Hebel gegen Steuerhinterziehung sei die bessere Verständigung darüber, wer mit welchen Tätigkeiten wo welchen Ertrag erziele. Deutschland werde jetzt in der EU die Diskussion darüber verstärken, wie der Informationsaustausch verbessert werden könne. „Ich hoffe, dass der Widerstand dagegen jetzt schwächer wird“, sagte Schäuble. Schäubles Parlamentarischer Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU) sagte im ZDF, mit solchen Steuersünderlisten würden „einige Zierfische“ gefangen. Der große „Schwarm der internationalen Steuerhinterziehung“ sei jedoch nur durch Abkommen mit den als Steueroasen geltenden Ländern dingfest zu machen. Kampeter forderte außerdem: „Wir brauchen in Deutschland so etwas wie eine vereinheitlichte Strafverfolgung, ein FBI gegen internationale Steuerhinterziehung, beispielsweise beim Bundesamt für Steuern.“ Steinbrück: Scheinheilige Reaktion Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kritisierte in Paris, die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren nichts unternommen, um das Thema der Bekämpfung von Steuerhinterziehung auf europäischer Ebene weiterzuverfolgen. Wenn jetzt Kampeter ein FBI gegen internationale Steuerhinterziehung fordere, „ist das schon sehr scheinheilig“. Schließlich sei es die Bundesregierung gewesen, die die Steuerfahnungsbehörden eher ins Abseits gestellt hätten. Die stellvertretende Linkspartei- und Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht meinte: „Den Kampf gegen Steuerhinterziehung darf man nicht den Maulhelden der Bundesregierung und auch nicht Peer Steinbrück überlassen.“ Die Regierung mache sich lächerlich, „wenn sie noch vor kurzem Schwarzgeld in der Schweiz durch einen Ablasshandel reinwaschen wollte und einen Tag nach der geplatzten Bombe zu den Steueroasen nach dem FBI für Steuerhinterzieher schreit“. Bankenaufsicht alarmiert Die Chefin der deutschen Finanzaufsicht BaFin drohte den heimischen Banken mit Konsequenzen. Grundsätzlich sei es nicht Aufgabe ihrer Behörde, die Einhaltung des Steuerrechts zu überwachen, sagte BaFin-Präsidentin Elke König „Spiegel Online“. „Wenn wir aber Anhaltspunkte haben, dass ein Institut systematisch gegen Steuerrecht verstößt oder dabei hilft, werden wir dies bankaufsichtlich untersuchen.“ © 2013 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
Bundesregierung bittet um Steuersünder-Datei
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Peer-Michael Preß
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