Berlin (dapd). Kaum jemals zuvor ist der Parteizugehörigkeit eines Bundesratspräsidenten so viel Aufmerksamkeit gewidmet worden wie im Falle von Winfried Kretschmann. Immerhin steht mit ihm erstmals ein Grüner an der Spitze an der Länderkammer – und damit in der protokollarischen Rangfolge in Deutschland direkt hinter dem Bundespräsidenten. Am Freitag hielt er seine Antrittsrede im Bundesrat – und machte sogleich deutlich, dass gerade er in der Länderkammer keinen Platz für Parteipolitik sehe. Lebendigere Debatten und ein Ende des „gleichmütigen Kammertons“ hatte sich Kretschmann kurz nach seiner Wahl zum Bundesratspräsidenten gewünscht. Gleichwohl war es ein eher staatstragender Auftakt des neuen Geschäftsjahres in der Länderkammer, den Kretschmann mit seiner rund zehnminütigen Rede gab. Weitgehend folgte er seinem Manuskript und blickte nur hin und wieder von dem Papier auf. Nichtsdestotrotz eindringlich warb er für eine aktivere Rolle des Bundesrats und bekannte sich zur föderalen Ordnung der Bundesrepublik. Mehr Einmischung, mehr Transparenz, mehr Bürgernähe waren die Kernbotschaften des baden-württembergischen Ministerpräsidenten. „Weil ich von den Leistungen und Möglichkeiten des Föderalismus überzeugt bin, ist es mir ein Herzensanliegen, dass wir ihn populärer machen“, betonte Kretschmann daher. Vorsichtige Veränderungsvorschläge In der Bundespolitik trat Kretschmann bislang nur bei einzelnen Themen in Erscheinung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf er wiederholt vor, bei der Umsetzung der Energiewende Zeit vergeudet zu haben. Ihre Europapolitik rügte er als visionslos. Auch bei der Suche nach einem neuen Atommüllendlager macht er bis heute Druck in Berlin. Im März 2011 bescherte er seiner Partei mit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten eine Premiere, nun will er auch dem Bundesrat seinen Stempel aufdrücken. Als Landespolitiker allerdings, nicht als Parteipolitiker. „Wenn ich als Mitglied des Bundesrats rede, rede ich für das Land Baden-Württemberg und nicht im Namen der Grünen-Bundestagsfraktion“, machte er vor seiner Antrittsrede in der „Bild“-Zeitung noch einmal deutlich. Zugleich warnte er davor, die Bedeutung und Einfluss des Bundesrats zu schmälern, indem das Länderparlament als Gehilfe von Opposition im Bundestag oder der Bundesregierung missbraucht werde. „Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass der Ausgleich der Interessen der Länder und des Bundes nicht hauptsächlich entlang der politischen Farbenlehre sortiert wird“, mahnte er dann auch in seiner Rede. Dass dies möglich sei, zeige die einheitliche Positionierung der Länderchefs bei der Energiewende. Was genau er während seiner Präsidentschaft verändern will, deutete Kretschmann allerdings nur vorsichtig an. So ließen sich die Abstimmungsverfahren „sicherlich transparenter und nachvollziehbarer gestalten“. Für sinnvoll halte er Veränderungen des Bundesrats hin zu einem „Ort lebendiger, sachorientierter Diskussionen und politischer Entscheidungen“. Und obwohl sich Kretschmann zuvor klar zum Föderalismus bekannt hatte, betonte er, dieser sei „nicht in Stein gemeißelt“. Es könnten sich „Verschiebungen ergeben, die eine Weiterentwicklung des föderalen Systems erforderlich machen“. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) wertete gerade die Tatsache, dass ein Grüner an der Spitze der Länderkammer steht, als Zeichen dafür, „dass bei aller Kontinuität das parlamentarische Leben in Deutschland nie stillsteht“. dapd (Politik/Politik)
Bundesrat jenseits der politischen Farbenlehre
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen