Berlin (dapd). Nach der beispiellosen Pannenserie während der Ermittlungen gegen die NSU-Terrorzelle muss sich der Verfassungsschutz auf grundlegende Veränderungen einstellen. Der Ruf nach Reformen kam am Mittwoch aus allen Parteien. Doch wie genau die Zukunft des Inlandsgeheimdiensts aussehen soll, bleibt unklar, denn die Meinungen driften auseinander. Während Linkspartei, Grünen-Chefin Claudia Roth und die Türkische Gemeinde über eine Abschaffung des Verfassungsschutzes nachdenken, warnen Koalitionspolitiker vor einem solchen Schritt und sehen die Verantwortung vor allem bei den Ländern. Unterdessen drohen dem Geheimdienst nun auch rechtliche Konsequenzen. Der Verfassungsschutz steht seit Monaten wegen Ermittlungsfehler im Fall der im November aufgeflogenen Neonazi-Terrorgruppe NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) in der Kritik. Die Gruppe lebte mehr als ein Jahrzehnt unentdeckt von den Sicherheitsbehörden im Untergrund und ermordete bundesweit zehn Menschen. Vergangene Woche stieg der Druck auf die Geheimdienstler nochmals, nachdem bekannt wurde, dass im Bundesverfassungsschutz nach Auffliegen der Terrorzelle Akten zum NSU-Komplex geschreddert wurden. Behördenchef Fromm kündigte daraufhin seinen Rückzug an. Auch Thüringens Verfassungsschutzpräsident Thomas Sippel räumt seinen Posten. Der Innenexperte der Linksfraktion, Jan Korte, nannte den Verfassungsschutz eine Gefahr für die Demokratie. Wer die Verfassung tatsächlich schützen wolle, der müsse „nicht nur mit dem kriminellen V-Leute-System aufräumen, sondern den ganzen Laden, der sich von Anfang an verselbstständigt hatte, dichtmachen“, sagte Korte der „Frankfurter Rundschau“. Der Vorsitzende der Türkische Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, schloss sich dieser Meinung an: „Wir müssen über die Abschaffung des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern nachdenken.“ „Niemand kann kontrollieren, was diese Behörde und ihre V-Leute tun“, sagte Kolat den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“. Die Grünen-Vorsitzende Roth sieht das Konstrukt der Behörden vor der „politischen Insolvenz“. „Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern haben sich zum blinden Fleck der Demokratie entwickelt“, sagte Roth der „Frankfurter Rundschau“. Wer geheime Akten vernichte, lege die Axt an die eigene Legitimationsbasis. Die Grünen forderten deshalb „eine öffentlich nachvollziehbare Evaluation der Tätigkeit der Behörden“. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach hält den Verfassungsschutz als ganzes dagegen für unverzichtbar. Allerdings stellt er die Notwendigkeit der 16 Landesbehörden infrage. „Mit den Ländern sollten wir einmal darüber nachdenken, ob es nicht Sinn machen könnte, kleinere zu größeren Einheiten zusammenzulegen“, sagte er dem Fernsehsender Phoenix. Ähnlich äußerte sich auch der CDU/CSU-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss Clemens Binninger. Auch FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff forderte, die Länder müssten „endlich ernsthafte Reformbemühungen im Hinblick auf die 16 Verfassungsschutzämter erkennen lassen.“ Einige der Ämter seien offenkundig „strukturell überfordert“. Eine engere Zusammenarbeit oder Fusion könnte Personal und Ressourcen effektiver nutzbar machen. „Der Sicherheit ist nicht gedient, wenn Föderalismus mit Behördenegoismus gleichgesetzt wird“, sagte er. Mehrere Rechtsanwälte reichten unterdessen im Auftrag von Hinterbliebenen der NSU-Opfer bei der Karlsruher Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen Mitarbeiter des Bundesverfassungsschutzes eingereicht. Die Angehörigen des in Hamburg von der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle NSU erschossenen Gemüsehändlers Süleyman Tasköprü werfen den Verfassungsschützern Urkundenunterdrückung vor, wie das „Hamburger Abendblatt“ (Donnerstagausgabe) berichtet. Die Bundesanwaltschaft leitete die Strafanzeige aus Zuständigkeitsgründen an die Staatsanwaltschaft in Köln weiter, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz dort ansässig ist. Derweil soll nun ein vierter Ausschuss die Ermittlungspannen bei der Mordserie untersuchen. Nach dem Bundestag sowie den Ländern Sachsen und Thüringen will am Mittwoch auch der bayerische Landtag ein entsprechendes Gremium einsetzen. Der designierte Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Franz Schindler (SPD), hält das Gremium für „unbedingt erforderlich“, sagte er dem „Donaukurier“. dapd (Politik/Politik)
Blinder Fleck der Demokratie
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen