Die Ausbildungsperspektiven für Jugendliche sind stark abhängig vom Wohnort. Im Norden ist es für Bewerber schwer, eine Stelle zu finden, im Süden können Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Bundesweit hat sich die Situation für Bewerber leicht verbessert, Hauptschüler profitieren davon jedoch kaum. In Niedersachsen finden nur zwei von drei Jugendlichen eine Ausbildungsstelle. Die meisten erfolglosen Bewerber gibt es in NRW. Hauptschüler und Jugendliche ohne deutschen Pass haben es überall besonders schwer.
Der Ausbildungsmarkt in Niedersachsen bleibt einer der angespanntesten in Deutschland. Die Zahl der angebotenen dualen Ausbildungsplätze sank zwischen 2013 und 2016 um 1,6 Prozent auf unter 58.000. Weil die Zahl der Bewerber noch stärker zurückging (um 5,6 Prozent auf 65.000), haben sich die Aussichten für den einzelnen Bewerber auf dem Ausbildungsmarkt leicht verbessert. Doch noch immer kamen auf 100 Bewerber rechnerisch nur 89 Ausbildungsplätze. Nur in vier Bundesländern waren die rechnerischen Chancen der Bewerber auf dem Ausbildungsmarkt schlechter als in Niedersachsen. Das geht hervor aus dem Ländermonitor berufliche Bildung 2017 des Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI) und der Abteilung Wirtschaftspädagogik der Universität in Göttingen, der von der Bertelsmann Stiftung gefördert wurde.
Jeder sechste Bewerber in Niedersachsen 2016 ohne Ausbildungsvertrag
In keinem der 15 Arbeitsagenturbezirke deckt das Angebot an Ausbildungsplätzen rechnerisch die Nachfrage. Besonders problematisch stellte sich 2016 die Ausbildungsmarktsituation in Hameln (84 Ausbildungsstellen auf 100 Bewerber) und Lüneburg-Uelzen (85) dar. Deutlich bessere Perspektiven hatten Bewerber in Oldenburg-Wilhelmshaven (96) und Nienburg-Verden (95). Auch in den Industriezentren Hannover und Braunschweig standen nicht genug Ausbildungsplätze zur Verfügung. Ausbildungsplätze fehlen insbesondere in den gewerblich-technischen sowie in den kaufmännischen und Informatikberufen. Auf eine mangelnde Nachfrage treffen dagegen Ausbildungen im Nahrungsmittelhandwerk sowie im Hotelund Gaststättengewerbe.
Da von den ohnehin knappen Ausbildungsplätzen 2016 landesweit auch noch 5,5 Prozent unbesetzt blieben, gingen 16 Prozent der Bewerber in Niedersachsen bei der Suche nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz leer aus. Höher war dieser Anteil nur in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Schlechte Aussichten auch für Nordrhein-Westfalen
In Nordrhein-Westfalen (NRW) war bis 2016 sowohl das Ausbildungsangebot der Betriebe als auch die Ausbildungsnachfrage der Jugendlichen rückläufig. 2016 wurden gut 13.000 weniger duale Ausbildungsplätze von Betrieben angeboten als noch 2007. Noch stärker – um gut 25.000 – ist im gleichen Zeitraum die Zahl der Bewerber zurückgegangen. Damit entspricht die Entwicklung in NRW in etwa dem bundesweiten Trend. Jüngste Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung zeigen, dass 2017 bundesweit wieder etwas mehr dual ausgebildet wird – so auch in NRW.
Da die Nachfrage stärker sank als das Angebot hat sich die Situation für Ausbildungssuchende in NRW verbessert. Im Jahr 2007 standen rechnerisch je 100 Bewerbern nur 83 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Im Jahre 2016 waren es 88. Damit liegt NRW deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 94. Innerhalb Nordrhein-Westfalens bestehen allerdings deutliche Unterschiede. In Meschedeund Soest war das Verhältnis von Angebot und Nachfrage 2016 nahezu ausgeglichen: 100 Bewerbern standen 97 Ausbildungsplätze gegenüber. Deutlich weniger Ausbildungsplätze standen in Oberhausen (79), Recklinghausen (80) und Hagen (80) pro 100 Bewerbern zur Verfügung. Zu diesen Ergebnissen kommt der Ländermonitor berufliche Bildung 2017 des Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI) und der Abteilung Wirtschaftspädagogik der Universität in Göttingen, der von der Bertelsmann Stiftung gefördert wurde.
Bundesweite Probleme: Betriebe und Azubis finden sich nicht
Bundesweit scheint die Situation auf dem Ausbildungsmarkt paradox. Stand 2016 fanden Betriebe für 43.000 Ausbildungsstellen keinen passenden Bewerber. Knapp acht Prozent aller Stellen blieben damit unbesetzt. In den ostdeutschen Flächenländern waren es sogar über zehn Prozent aller Ausbildungsplätze. Trotz der offenen Stellen gingen bundesweit im letzten Jahr 80.000 der Ausbildungsbewerber (13,4 Prozent) leer aus. Jugendliche und Betriebe kommen schon geographisch oft nicht zueinander. Im Süden Bayerns suchen die Betriebe händeringend Azubis, im Ruhrgebiet ist die Situation umgekehrt. Hinzu kommt, dass Ausbildungsstellen in Berufen und Betrieben angeboten werden, für die sich Bewerber nicht interessieren.
Besonders schwer haben es kleinere Betriebe, die in für Jugendliche unattraktiven Berufen ausbilden, beispielsweise im Hotel- und Gaststättengewerbe. „Wir können uns weder offene Ausbildungsstellen noch ausbildungslose Jugendliche leisten“, so Dräger. Er fordert deshalb: „Betriebe sollten neue Wege der Bewerberansprache einschlagen, sich verstärkt neuen Zielgruppen öffnen und in unattraktiven Berufen die Rahmenbedingungen verbessern.“ Gleichzeitig bräuchten insbesondere kleine Betriebe bessere Unterstützung bei der Ausbildung, zum Beispiel in Form von sozialpädagogischer Begleitung von Betrieb und Azubi. Die vorhandenen Fördermöglichkeiten sind oft zu unflexibel und zu wenig bekannt.
Schlechte Chancen für Hauptschüler
Obwohl sich die Lage für Bewerber verbessert hat und Stellen unbesetzt bleiben, profitieren Hauptschüler davon kaum. Im Jahr 2015 gelang es nur 49 Prozent der Schulabgänger mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss, direkt eine Ausbildung im dualen oder im Schulberufssystem aufzunehmen. 51 Prozent wechseln zunächst in eine der zahlreichen Maßnahmen des Übergangssystems, in denen kein Berufsabschluss erworben werden kann.
„Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, Hauptschülern einen besseren Zugang zu Ausbildung zu ermöglichen“, findet Dräger. „Denn wer Abitur macht, hat einen Studienplatz praktisch sicher. Wer einen Haupt- oder mittleren Schulabschluss hat, geht dagegen auf dem Ausbildungsmarkt häufig leer aus“.
Jugendliche ohne deutschen Pass besonders benachteiligt
Jugendliche ohne deutsche Staatsbürgerschaft haben im Ausbildungssystem deutlich schlechtere Chancen als ihre deutschen Altersgenossen. Während nur etwa ein Viertel der deutschen Ausbildungsanfänger in eine Maßnahme des Übergangssystems wechselt, sind es unter den Jugendlichen ohne deutschen Pass über die Hälfte (54 Prozent). In Schleswig-Holstein, Sachsen und Bayern sind die Unterschiede zwischen Deutschen und Ausländern besonders ausgeprägt.
Die Gruppe der seit 2015 nach Deutschland zugezogenen Schutz- und Asylsuchenden ist in diesen Werten noch nicht enthalten. „Die beruflichen Schulen übernehmen zunehmend integrations- und sozialpolitische Aufgaben – dafür müssen sie finanziell, technisch und vor allem personell ausgestattet werden“, fordert Jörg Dräger.
Das Forschungsprojekt Ländermonitor berufliche Bildung 2017 des soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI – Prof. Baethge) und der Abteilung für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung der Universität Göttingen (Prof. Seeber) wird von der Bertelsmann Stiftung gefördert.
Weitere Studienergebnisse unter dem Stichwort ‚Ländermonitor‘ auf: