Karlsruhe (dapd). Die strenge deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt auch für europäische Versandapotheken, die Medikamente an Kunden in Deutschland schicken. Das hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes am Mittwoch in Karlsruhe entschieden. Der Senat, dem die Präsidenten der fünf obersten Bundesgerichte angehören, tritt nur in seltenen Fällen zusammen. Zuletzt hatte er 1986 in einer anderen Sache mündlich verhandelt. Die Klärung auf höchster Gerichtsebene wurde nun notwendig, weil das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel Preisnachlässe der europäischen Versandapotheken in Form von Boni für zulässig hielt, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe dagegen nicht. Der 1. Senat des BSG hatte 2008 entschieden, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht nicht für Versandapotheken gilt, die aus dem europäischen Ausland Arzneimittel an deutsche Verbraucher schicken. Aus Sicht des 1. Zivilsenats des BGH müssen die strikten deutschen Preisvorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel jedoch auch für europäische Versandapotheken gelten. Im konkreten Fall klagte die Engel-Apotheke aus Deutschland und gegen die in den Niederlanden ansässige Versandapotheke Europa Apotheek Venlo. Der Streit betrifft indirekt aber die mehreren hundert Versandapotheken in Europa und die rund 21.000 Apotheken in Deutschland. Nach Angaben des Rechtsanwalts der Engel-Apotheke, Morton Douglas, erwirtschaften die deutschen Apotheken 80 Prozent ihres Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Bonussystem der Europa Apotheek Venlo im Streit Die Europa Apotheek Venlo, die über das Internet Medikamente für den deutschen Markt anbietet, warb mit einem umstrittenen Bonussystem. Demnach solle der Kunde beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente auf Kassenrezept einen Bonus von drei Prozent des Warenwertes erhalten, mindestens aber 2,50 Euro und maximal 15 Euro pro verordneter Packung. Die klagende Inlands-Apotheke und der BGH stuften die Boni als wettbewerbswidrig ein, weil sie die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers unangemessen beeinflussen. Damit werde das deutsche Arzneimittelrecht verletzt, das nur sehr geringfügige Nachlässe auf Festpreise für verschreibungspflichtige Arzneimitteln erlaubt – in einer Höhe von bis zu einem Euro. „Keine europarechtliche Zweifelsfrage“ Dem pflichtete nun der Gemeinsame Senat bei. Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes stellten eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar, ausländische Versandapotheken „deutschem Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen“. Diesem Ergebnis stehe auch EU-Recht nicht entgegen. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) sei nicht nötig. Es handele sich um „keine europarechtliche Zweifelsfrage“. Der Gemeinsame Senat verwies auch auf eine für Oktober 2012 geplante Gesetzesänderung, wonach das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für den Versandhandel vom Ausland nach Deutschland gilt. Die beabsichtigte Änderung diene „der Klarstellung“, sagte die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, Marion Eckertz-Höfer, als Vorsitzende des Gemeinsamen Senats. In dem hohen Richtergremium urteilten auch der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), Klaus Tolksdorf, der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), Peter Masuch, die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Ingrid Schmidt, und der Präsident des Bundesfinanzhofes (BFH), Rudolf Mellinghoff. Zudem wirken je zwei Bundesrichter der an dem Fall beteiligten Senate des BSG und des BGH mit. (Az: GmS-OGB 1/10) dapd (Politik/Politik)
Auch für EU-Versandapotheken gilt deutsche Preisbindung
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Peer-Michael Preß
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