Brüssel (dapd). Bevor die Griechen pleitegehen, verzichten wir lieber von uns aus – diese Haltung empfiehlt der Brüsseler Thinktank Bruegel den Euro-Partnern des hoch verschuldeten Landes. „Unsere Forderungen aus dem jetzigen Hilfsprogramm bekommen wir sowieso nicht zurück“, sagte Vizedirektor Guntram Wolff der Nachrichtenagentur dapd. „Es wäre für Griechenland und den Euro-Raum deshalb sinnvoller, diesen Schuldenüberhang durch einen Gläubigererlass der Geberländer zu bekämpfen, weil der bei einem Euro-Austritt oder Staatsbankrott letztlich sowieso kommen würde.“ Unter dem jetzigen Rettungsprogramm werde Athen seine Schuldenquote keinesfalls auf die anvisierten 120 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 drücken können, glaubt Wolff. Insofern sollten die internationalen Geldgeber lieber bessere Bedingungen für Griechenland definieren, ihre Forderungen größtenteils abschreiben und die fälligen Kreditrückzahlungen zeitlich nach hinten strecken. Athen steht nicht nur mit gut 45 Milliarden Euro für die beiden Rettungspakete bei der Bundesrepublik in der Kreide. Darüber hinaus hat die Europäische Zentralbank (EZB) Schätzungen zufolge für 50 Milliarden Euro Staatsanleihen aufgekauft. Der deutsche Haftungsanteil dafür liegt bei einem guten Viertel. Über das komplizierte Verrechnungssystem Target II zwischen den nationalen Notenbanken schuldet Griechenland der EZB noch einmal mehr als 100 Milliarden, an denen Deutschland beteiligt ist. Notlieferungen für Griechenland und Kritik an Rösler Aber auch für Athen hätte eine Pleite gravierende Folgen, glaubt Wolff. „Griechenland wäre erst einmal vom internationalen Kapitalmarkt abgeschnitten.“ Im Falle ihrer Wiedereinführung würde die Drachme zudem um mindestens 50 Prozent abwerten, dem Land drohe ein wirtschaftliches Chaos. „Das bedeutet auch, dass Energie- und Arzneimittelimporte unglaublich teuer würden und man dann wahrscheinlich sogar mit den großen Energie- und Pharmakonzernen Notlieferungen vereinbaren müsste“, sagte Wolff. Die Regierung werde jedenfalls große Probleme haben, die öffentliche Sicherheit und Grundversorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Sollte Griechenland tatsächlich aus dem Euro austreten, drohe der wankenden Eurozone zudem eine regelrechte Kettenreaktion. „Die Investoren werden denken, der nächste ist vielleicht Spanien, vielleicht Italien, vielleicht Portugal“, sagte Wolff. Die Zukunft des Euroraums stehe „auf Messers Schneide“, deshalb trügen Äußerungen wie die von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) „schon auch zur Ansteckung bei“. Der Vize-Kanzler hatte in einem ARD-Interview gesagt, ein griechischer Euro-Austritt sei durchaus denkbar und habe „längst seinen Schrecken verloren“. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)