München (dapd). Die weltweite Konjunkturschwäche setzt dem Geschäft von Siemens massiv zu. Der Vorstandsvorsitzende Peter Löscher sagte am Donnerstag in München, angesichts des verschlechterten Umfelds sei es schwieriger geworden, das bereits auf 5,2 bis 5,4 Milliarden Euro reduzierte Ergebnisziel zu erreichen. Löscher kündigte ein Programm an, das den Fokus auf Kosten, Produktivität und Effizienz legt. Siemens solle „schlank, schnell und agil“ werden, sagte der Vorstandsvorsitzende. Stellenabbau schloss er nicht aus. In Bereichen, in denen es „strukturelle Verwerfungen“ gebe, werde es Anpassungen geben, sagte Löscher. Das Programm soll im Oktober bei einem Treffen der weltweiten Führungskräfte präsentiert werden. Ende Juni hatte Siemens weltweit 410.000 Mitarbeiter, 129.000 davon in Deutschland. Wegen der anhaltend schwierigen Situation auf den Kapitalmärkten erteilte der Konzern einem klassischen Börsengang seiner Tochter Osram eine Absage. Über einen sogenannten Spin-off will Siemens Osram-Aktien an seine Anteilseigner ausgeben, selbst aber „Ankeraktionär“ bleiben. Die Hauptversammlung soll dazu im kommenden Januar die Erlaubnis geben. Von Oktober 2011 bis Juni 2012 erzielte der Konzern aus fortgeführten Aktivitäten einen Gewinn von 3,6 Milliarden Euro. Das sind 37 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Siemens müsste im laufenden vierten Quartal noch einen Gewinn von rund 1,6 Milliarden Euro einfahren, um sein Jahresziel noch zu erreichen. Finanzvorstand Joe Kaeser sagte: „Wir nähern uns dem Ziel von unten.“ Der Auftragseingang fiel im dritten Quartal des Geschäftsjahres um 23 Prozent auf 17,8 Milliarden Euro. Den Umsatz konnte Siemens zwar um zehn Prozent auf 19,5 Milliarden Euro steigern. Dem Konzern kamen dabei aber ein hoher Auftragsbestand und positive Währungseffekte zugute. Seinen Gewinn aus fortgeführten Aktivitäten konnte Siemens im dritten Geschäftsquartal um 61 Prozent auf 1,229 Milliarden Euro steigern. Allerdings war das Ergebnis im Vorjahr durch zwei außergewöhnliche Belastungen massiv reduziert worden. Löscher sagte, die Abwärtsbewegung der Weltwirtschaft habe in den vergangenen Monaten zugenommen. „Wir spüren eine zunehmende Investitionszurückhaltung bei unseren Kunden.“ Vor allem das margenstarke Geschäft beispielsweise mit Maschinen leide derzeit unter der Krise, sagte Kaeser. Im Sektor Energie brachen die Aufträge um 28 Prozent auf 5,25 Milliarden Euro ein. Infrastruktur und Städte büßte 45 Prozent auf 4,19 Milliarden Euro ein. Im Vorjahr konnte Siemens in diesem Bereich den 3,7 Milliarden Euro schweren Auftrag der Deutschen Bahn zum Bau des ICx verbuchen. Der Sektor Industrie blieb mit einem Auftragseingang von 5,12 Milliarden stabil. Als einziges zulegen konnte der Gesundheitsbereich (Healthcare). Er verbesserte sich um zehn Prozent auf 3,32 Milliarden Euro. Vor allem wegen der Verzögerungen bei der Anbindung der Windkraftanlagen in der Nordsee hatte der Konzern seine Ergebnisprognose vor drei Monaten reduziert. Für das Prestigeprojekt musste Siemens in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres eine halbe Milliarde Euro abschreiben. Der Konzern rechnet auch in diesem Bereich mit weiteren Herausforderungen. Die Siemens-Aktie gehörte zu den größten Verlierern im DAX. Am Nachmittag lag sie gegen den Trend mit gut ein Prozent im Minus. Analysten sprachen von enttäuschenden Zahlen. Ingo-Martin Schachel von der Commerzbank beklagte vor allem die schwache Profitabilität. Der Schweizer Konkurrent ABB konnte am Donnerstag bessere Zahlen als Siemens präsentieren. Die Auftragseingänge erhöhten sich von April bis Juni um neun Prozent auf 10,1 Milliarden Dollar (8,3 Milliarden Euro). Der Umsatz stieg um sechs Prozent auf 9,7 Milliarden Dollar (8 Milliarden Euro). Der Konzerngewinn lag bei 656 Millionen Dollar (541 Millionen Euro). dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Neckermann kann wieder liefern
Frankfurt/Main (dapd). Der insolvente Versandhändler Neckermann hat den Vertrieb seiner Waren wieder aufgenommen. „Nach intensiven Verhandlungen mit Hauptgläubigern, der Bundesagentur für Arbeit und den Lieferanten sind der Betrieb und der Ein- und Verkauf der Waren vorerst gesichert“, teilte der vorläufige Insolvenzverwalter Michael Frege am Donnerstag in Frankfurt mit. Der entstandene Auslieferungsstau werde in den kommenden Tagen abgearbeitet. Lohn und Gehalt der Mitarbeiter würden über das Insolvenzausfallgeld vorfinanziert. Auch ein Sprecher der Deutschen-Post-Tochter DHL bestätigte, dass Neckermann-Päckchen wieder ausgeliefert würden. Am Mittwochabend sei eine Einigung mit dem Versandhaus erzielt worden. DHL hatte die Arbeit für Neckermann nach der Insolvenz eingestellt. Auf dem Firmengelände im Frankfurter Osten stapelten sich daraufhin die versandfertigen Pakete und Päckchen. Mit einer sogenannten Treuelinie will Neckermann ab Samstag (28. Juli) spezielle Angebote machen. Die Treueangebote, mit denen Lieferanten und Kunden aus alter Verbundenheit zur Mithilfe bei der Rettung des insolventen Versandhändlers bewegt werden sollen, umfasse Waschmaschinen, Kühlschränke, Trockner und Fernseher, hieß es. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Bahlsen will das Ausland erobern
Hannover (dapd). Der Kekshersteller Bahlsen will international expandieren. Der Ausbau der Geschäftsaktivitäten in den ausländischen Märkten werde intensiviert, teilte das Unternehmen aus Hannover am Donnerstag mit. Unter anderem sollen im polnischen Werk in Skawina neue Anlagen entstehen, um die Gebäckherstellung für den osteuropäischen Markt auszubauen. Zudem würden außerhalb Europas lokale Teams aufgebaut, um die Wachstumspotenziale auf den dortigen Märkten zu ermitteln. Bei der Produktion will der Kekshersteller umstellen. Wegen zu starker Konkurrenz werde er aus dem Geschäft mit Weihnachtsgebäck aussteigen. Produkte wie Spekulatius, Zimtsterne oder Lebkuchen werden 2012 zum letzten Mal von dem Traditionshersteller angeboten. Hintergrund ist der Druck durch billigere Eigenmarken der Handelskonzerne. In Zukunft will sich Bahlsen auf Produkte konzentrieren, die während des ganzen Jahres in den Regalen stehen können. Als erster Schritt dazu soll die Produktionskapazität für den Keksriegel „Pick Up“ verdoppelt werden, der sich seit der Einführung im Jahr 1999 zu einem Hit entwickelt hat. Wie groß der Umsatzverlust durch das Auslaufen des Weihnachtsgebäcks ist, teilte das Unternehmen nicht mit. Arbeitsplätze seien dadurch jedoch nicht in Gefahr. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Versteckte Kostenklausel bei Eintrag in Branchenverzeichnis ungültig
Karlsruhe (dapd). Gute Nachricht für Gewerbetreibende: Versteckte Kostenklauseln für einen Eintrag in ein Internet-Branchenverzeichnis sind nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ungültig. Eine solche „überraschende Entgeltklausel“, die im Antragsformular „so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt“ ist, dass sie vom Vertragspartner dort nicht vermutet wird, sei unwirksam, entschied der BGH am Donnerstag in Karlsruhe. Der 7. Zivilsenat verwies darauf, dass Grundeinträge in ein Branchenverzeichnis im Internet „in einer Vielzahl von Fällen“ kostenlos angeboten würden. In dem Fall enthielt das Formular neben einer Spalte für den Eintrag von Unternehmensdaten auch den in einem Fließtext versteckten Satz: „…Vertragslaufzeit zwei Jahre, die Kosten betragen 650 Euro netto pro Jahr…“ Ein Unternehmer, der diesen Kostenhinweis offensichtlich nicht bemerkt hatte, füllte das unaufgefordert zugesandte Formular aus und faxte es zurück. Als der Betreiber des Branchenverzeichnisses dann für den Verzeichniseintrag 773,50 Euro brutto in Rechnung stellte, weigerte sich der Unternehmer zu zahlen – und behielt nun auch in dritter Instanz die Oberhand. Schon die Bezeichnung des Formulars als „Eintragungsantrag Gewerbedatenbank“ habe nicht genug deutlich gemacht, dass es sich um ein Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelte, betonte der BGH. Zudem sei die Aufmerksamkeit des gewerblichen Adressaten „durch Hervorhebung im Fettdruck“ auf die linke Spalte des Formulars gelenkt worden, wo sich mehrere Zeilen für den Eintrag von Unternehmensdaten befanden. Die Entgeltpflicht wurde dagegen in der rechten Längsspalte mitgeteilt – allerdings viel unauffälliger. Die relevante Kostenklausel sei drucktechnisch so angeordnet gewesen, „dass eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten war“, erklärte der BGH. Die Zahlungsklage des Verzeichnisbetreibers wurde abgewiesen. (Aktenzeichen: BGH VII ZR 262/11) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Europas Solarfirmen verklagen billige China-Konkurrenz in Brüssel
Bonn/Berlin (dapd). Europas gebeutelte Solarindustrie kämpft mit einer Antidumping-Klage bei der Europäischen Union gegen Billigkonkurrenz aus China und für faire Marktbedingungen. „Wenn uns das gelingt, haben wir wieder den Wettbewerb, den wir lieben – den technologischen Wettbewerb“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Bonner Konzerns Solarworld, Frank Asbeck, am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd. Der deutsche Branchenprimus ist federführend in einem Bündnis von 25 Solarfirmen aus Deutschland, Italien, Spanien und anderen EU-Ländern, das nun in Brüssel Klage eingereicht gegen die chinesischen Rivalen. Die neue Initiative EU ProSun rechnet fest mit einem Erfolg im Kampf gegen die nach ihrer Ansicht unlauteren Methoden der Chinesen. „Wenn diese Klage nicht eröffnet wird, braucht man sich um andere nicht zu kümmern“, sagte Solarworld-Sprecher Milan Nitzschke. Solarworld und die anderen Firmen werfen China vor, mit staatlichen Subventionen die Preise auf dem Weltmarkt zu drücken. Chinas Solarfirmen würden mit Milliardenkrediten versorgt und böten ihre Produkte trotz Verlusten unter Herstellungskosten an. Die Klage ist allerdings umstritten. Unternehmen wie der Münchener Chemiekonzern Wacker, der auch unter dem Preisverfall in der Solarwirtschaft leidet, lehnen das Vorgehen ab. Sie befürchten einen Handelskrieg mit China. Auch Firmen, die chinesische Solarprodukte einkaufen oder Investoren aus China suchen, beteiligen sich nicht. Der in Brüssel ansässige Branchenverband AFASE, der 70 internationale Solarfirmen vertritt, wandte sich gegen mögliche Strafzölle für Chinas Branche. „Offene Märkte sind unerlässlich, um Solarenergie erschwinglich zu machen“, erklärte der Verband. Der deutsche Bundesverband Solarwirtschaft, der 800 Firmen repräsentiert, bleibt neutral, „da sich unter seinen Mitgliedern Befürworter und Gegner eines Antidumping-Verfahrens befinden“. Nach Angaben von Solarworld steht aber die Mehrheit der heimischen Solarindustrie hinter der Klage. Neben der Kürzung von Fördermitteln sieht die Branche die chinesische Konkurrenz als Hauptursache ihrer Krise. Viele Firmen, darunter Solar Millennium, Solon und Q-Cells, haben schon Insolvenz angemeldet, andere kämpfen ums Überleben. In den USA hat Solarworld bereits erfolgreich geklagt. Das US-Handelsministerium verhängte im Mai drastische Strafzölle bis zu 250 Prozent auf Solarimporte aus China. In Brüssel hat die EU-Kommission nun 45 Tage Zeit zu befinden, ob die Klage eröffnet wird. Sollten Ermittlungen aufgenommen werden, würde die EU-Kommission dann binnen neun Monaten über vorläufige Antidumping-Auflagen für chinesische Solarfirmen entscheiden. Nach weiteren sechs Monaten könnten dann laut der EU verbindliche Auflagen für zunächst fünf Jahre erlassen werden. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hatte in der vergangenen Woche angekündigt, eine Klage der Solarbranche unterstützen zu wollen, wenn die Firmen sie einreichten. Solarexperten zweifeln allerdings an deren Nutzen. „Strafzölle machen aus unserer Sicht keinen Sinn“, sagte der Leiter des Zentrums für Solarmarktforschung, Wolfgang Hummel. Zudem werde die gesamte Solarbranche weltweit öffentlich gefördert. „Auch in Deutschland sind die tatsächlichen Produktionskosten durch die Förderung verzerrt“, erklärte Hummel. Auch kämen Antidumping-Zölle zu spät, sagte Hummel. Die Mehrheit der deutschen Firmen sei von der Produktion auf den Handel umgestiegen und kaufe Solarprodukte ein. Nicht zuletzt profitiere die gesamte Branche auch von den kostengünstigen Solarmodulen aus China. Sie seien ein „wesentlicher Treiber der Nachfrage“, erklärte Hummel. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Brot- und Buttergeschäft soll Bahn durch die Krise bringen
Berlin (dapd). Die Konjunkturabkühlung im Zeichen der europäischen Schuldenkrise geht auch an der Deutschen Bahn (DB) nicht spurlos vorbei. Angesichts zu erwartender Einbrüche beim Gütertransport hat der Bahn-Vorstand seine Umsatzerwartung für 2012 von ursprünglich rund 40 Milliarden Euro um eine Milliarde auf 39 Milliarden Euro heruntergeschraubt. „Wir spüren, dass sich weltweit, aber auch in Deutschland das gesamtwirtschaftliche Klima verschlechtert“, sagte der Bahn-Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube am Donnerstag bei der Vorstellung der Halbjahresergebnisse in Berlin. Das merkt der Staatskonzern vor allem im Güterverkehr, wo sich das Transportaufkommen im ersten Halbjahr um 2,6 Prozent auf 202,3 Millionen Tonnen Fracht verringert hat. Besonders in der Stahlindustrie, traditionell eine Stütze des Cargo-Geschäfts, habe die Transportnachfrage bei der Logistiktochter DB Schenker nachgelassen, sagte Grube. Dennoch fährt die Bahn derzeit unterm Strich satte Gewinne ein. Der auf der Schiene und im Busverkehr erzielte Umsatz kletterte von Januar bis Juni 2012 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 3,3 Prozent auf 19,5 Milliarden Euro. Zugleich stieg das operative Ergebnis (Ebit) um 16,6 Prozent auf rund 1,3 Milliarden Euro. Das Ergebnis nach Steuern legte im selben Zeitraum um knapp 150 Millionen Euro auf 794 Millionen Euro zu. Bis Jahresende soll der bereinigte operative Gewinn laut der jüngsten Prognose auf über 2,6 Milliarden Euro steigen. Das setze aber voraus, „dass die aktuellen Ereignisse im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise keine nachhaltig negativen Auswirkungen auf die Realwirtschaft und unsere Verkehrsmärkte haben werden“, sagte Finanzvorstand Richard Lutz. Wichtigste Stütze des Aufwärtstrends ist demnach die Personenbeförderung. „Das Wachstum findet in Deutschland im Regional- und Fernverkehr steht“, sagte Grube. Das Staatsunternehmen steht bei der Entwicklung der Fahrgastzahlen glänzend da. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben zum ersten Mal in einem Halbjahr mehr als eine Milliarde Menschen transportiert. Das entspreche einem Zuwachs von rund vier Prozent oder 14 Millionen Reisenden gegenüber dem Vorjahreszeitraum. „Wir haben gut daran getan, uns auf unser Brot- und Buttergeschäft zu konzentrieren“, sagte Grube. Die Zahlen zeigten, dass mit neuen Angebotsformen wie der „grünen Bahncard“, die den Bezug von Ökostrom unterstützen soll, „mehr Menschen zum Umsteigen in die Bahn“ bewegt werden könnten. Auch die Pünktlichkeits- und Kundenzufriedenheitswerte hätten sich „deutlich verbessert“. So habe die Pünktlichkeit der Bahn im Personenverkehr (Nah- und Fernverkehr) in der ersten Jahreshälfte 2012 durchgängig über der Quote von 93 Prozent im Jahr 2011 gelegen. Allerdings lastet immer noch ein Schuldenberg in Höhe von 16,9 Milliarden Euro netto auf dem Unternehmen. Für die Bahn habe der Abbau von Schulden in näherer Zukunft daher „oberste Priorität“, erklärte Grube. Erst wenn der Schuldenstand unter die Marke von 15 Milliarden Euro gedrückt worden sei, könne der Konzern an ein Wachstum durch Zukäufe im nennenswerten Maßstab denken. Wann dies so weit sein könnte, ließ der Bahn-Chef aber offen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Seehofer wirbt in Polen für gemeinsamen Kurs in Euro-Schuldenkrise
Warschau (dapd). Bundesratspräsident Horst Seehofer hat bei einem Besuch in Polen für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Euro-Schuldenkrise geworben. Notwendig sei dabei sowohl Solidarität als auch Solidität, sagte der bayerische Regierungschef am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem polnischen Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski in Warschau. Es habe bei dem Treffen Einigkeit darin geherrscht, dass Schuldenländer für Reformen sorgen müssten. Seehofer lobte, Polen sei bei diesem Thema ein „Vorbild“. Der CSU-Chef betonte zugleich, es gebe in der Europapolitik bereits eine „starke Achse“ zwischen Berlin und Warschau. Doch sei auch Komorowski für einen weiteren Ausbau der deutsch-polnischen Beziehungen. Der Bundesratspräsident sprach zudem mit seinem Amtskollegen, Senatsmarschall Bogdan Borusewicz, der ihn nach Polen eingeladen hatte. Der Bundesrat und der polnische Senat – die zweite Kammer des Parlaments in Warschau neben dem Sejm – pflegen seit langem einen intensiven Austausch. So war im Mai 2012 Borusewicz zu Gast in der deutschen Länderkammer. Seehofer sagte nach dem Treffen, beide Staaten hätten bei der Euro-Schuldenkrise „gleichgerichtete Interessen“. Er betonte zugleich: „Europa ist mehr als ein Rettungsschirm.“ Es handele sich um eine große Wertegemeinschaft. Borusewicz warnte vor einer Spaltung der EU. Die politische Zusammenarbeit in Europa müsse intensiviert werden. Seehofer zeigte sich zufrieden mit seinen Gesprächen. Die Entwicklung des deutsch-polnischen Verhältnisses seit dem Zweiten Weltkrieg sei „wie ein Märchen“. Hauptzweck der Reise Seehofers war es nach dessen Worten, die nachbarschaftlichen Beziehungen Deutschlands mit Polen weiter zu festigen. Er fügte hinzu: „Freundschaften müssen gepflegt werden.“ Die gemeinsame Geschichte sei zwar „nicht ganz einfach“. Derzeit sehe er aber keine Probleme zwischen beiden Ländern. Seehofer traf sich ferner mit der Sejm-Marschallin Ewa Kopacz. Am späten Nachmittag besuchte der CSU-Politiker das Museum des Warschauer Aufstandes. Sichtlich bewegt schrieb er in das Gästebuch: „Das Gedenken an den Tod so vieler Menschen beim Warschauer Aufstand, unter ihnen viele Frauen und Kinder, und an die aus blinder Rachsucht erfolgte Zerstörung der Stadt ist schmerzlich.“ Am Abend legte Seehofer einen Kranz am Grabmal des Unbekannten Soldaten nieder. Beim Warschauer Aufstand handelt es sich um die Erhebung der polnischen Heimatarmee gegen die deutschen Besatzungstruppen ab dem 1. August 1944. Zunächst gelang es damals den Polen, Warschau weitgehend unter ihre Kontrolle zu bringen. Nach verlustreichen Straßenkämpfen brach jedoch der Aufstand am 2. Oktober 1944 zusammen. Hitler befahl daraufhin die Zerstörung der Stadt. Widerstandskämpfer und Zivilisten wurden von den Besatzern umgebracht oder in NS-Konzentrationslager verschleppt. Am Freitag sind noch Gespräche Seehofers mit Außenminister Radoslaw Sikorski und Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak geplant. Am Abend wird der CSU-Vorsitzende zurück in Bayern erwartet. dapd (Politik/Politik)
Zehn Fraktionsfrauen empört über Kandidatenkür der Grünen
Berlin (dapd). Zehn weibliche Grünen-Abgeordnete haben ihrem Unmut über die Kür der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl Luft gemacht. In einem Brief an die „Dear boys“ der Grünen kündigen sie an: „Wir Frauen werden nicht akzeptieren, dass offenbar einige wenige Männer in unserer Partei glauben, Personalvorschläge auf Kosten von Frauen machen zu können.“ Geschäftsführerin Steffi Lemke äußerte Verständnis für die scharfe Kritik der Frauen. Nachdem Grünen-Chefin Claudia Roth ihre Kandidatur angemeldet hatte, brachten Männer auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt ins Spiel. Fraktionschef Jürgen Trittin gilt als Spitzenkandidat als gesetzt, männliche Herausforderer haben sich bisher nicht gemeldet. Die Grünen wollen erneut mit einem Spitzenduo in den Wahlkampf ziehen, dem mindestens eine Frau angehören muss. Der bisherige Verlauf der Debatte „schadet dem Ansehen unserer Partei“, heißt es in dem Brief der Frauen, der dapd vorliegt. Die Grünen könnten froh sein, dass es in den eigenen Reihen mehrere Frauen gibt, die Spitzenkandidatinnen sein können. Offenbar gebe es aber nur einen Mann, der dafür im Gespräch sei. Unterzeichnet haben den Brief unter anderen Fraktionsvize Kerstin Andreae, Haushaltsexpertin Priska Hinz und Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer. Grünen-Bundesgeschäftsführerin Lemke äußerte Verständnis für das Anliegen der Frauen: „Ich kann die Intention der Erklärung gut nachvollziehen“, sagte Lemke der „tageszeitung“ (Freitagausgabe). „Denn wir haben ein von Bundesvorstand und Parteirat beschlossenes Verfahren.“ Bis Ende August seien männliche und weibliche Bewerber aufgerufen, ihre Kandidatur anzukündigen, betonte Lemke. „Angesichts der Kandidatenlage zu diesem Zeitpunkt wird der Länderrat am 2. September dann über die Einleitung einer Urabstimmung entscheiden.“ Besorgt über die Debatte äußerte sich auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), zog aber einen anderen Schluss als die Fraktionsfrauen: „Meiner Meinung nach sollte Jürgen Trittin den Wahlkampf anführen“, sagte der Regierungschef dem „Handelsblatt“. Kretschmann hatte sich bereits zuvor für einen einzigen Spitzenkandidaten ausgesprochen. Eine von Parteimitgliedern geforderte Mitgliederbefragung zur Bestimmung der Spitzenkandidaten lehnte er ab. dapd (Politik/Politik)
Gysi attackiert im Streit über Wahlrecht die Union
Berlin (dapd). Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisiert die Unionsfraktion wegen des Ausschlusses seiner Partei von den Gesprächen über die Wahlrechtsreform. „Das ist die übliche Kleinkariertheit der Union“ und zeige „ideologische Enge“, sagte Gysi der „tageszeitung“. „Wir schlagen immer Gesetze vor, die grundgesetzgemäß sind. Union und FDP haben da Schwierigkeiten. Wenn sie sich an uns wenden, würden sie weniger oft in Karlsruhe scheitern“, sagte er. Zuvor hatte Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) der „Welt“ gesagt, die schwarz-gelbe Koalition wolle bald mit SPD und Grünen über die Reform des Wahlrechts reden, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mittwoch nötig geworden ist. dapd (Politik/Politik)
De Maizière: Bamiyan ist Vorbild für ganz Afghanistan
Berlin/Bamiyan (dapd). Afghanistan hat nach Einschätzung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) beachtliche Fortschritte seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 vollzogen. Davon zeuge insbesondere die zentralafghanische Provinz Bamiyan, sagte de Maizière am Donnerstag bei einem Besuch jenes Ortes, wo die Taliban vor elf Jahren die damals größten Buddha-Statuen der Welt zerstörten. Die Provinz, die in Afghanistan als Nummer eins in der Bildung gilt, wird heute von der einzigen Gouverneurin Afghanistans geleitet. „Bamiyan steht für die große Widersprüchlichkeit Afghanistans. Einerseits für die uralte Menschheitskultur, andererseits für die brutale Verachtung von Kultur durch die Taliban“, sagte de Maizière. Auch symbolisiere diese Provinz westlich von Kabul die schwere Erreichbarkeit vieler Orte, die ethnische Vielfalt des Landes, aber auch „die Friedlichkeit, die in dieser Gegend herrscht“. Vor einem Jahr hatten die afghanischen Sicherheitskräfte die Sicherheitsverantwortung in der Provinz übernommen, in der auch die wirtschaftliche Entwicklung und der Ausbau der Infrastruktur gut vorankommen. Das könne Bamiyan „zu einem Vorbild für ganz Afghanistan“ machen, betonte der CDU-Politiker, nach einem Treffen mit der Gouverneurin Habiba Sarabi. Die Unterdrückung der Frauen durch die Taliban ist nach den Worten von de Maizière „ein wichtiges Motiv für die Unterstützung“ der deutschen Bevölkerung für den Bundeswehreinsatz am Hindukusch gewesen. Diese könne jedoch nicht der alleinige Grund sein, Soldaten in das Land zu schicken und dort zu halten, sagte der Verteidigungsminister und zog zugleich eine gemischte Bilanz: „Die Situation der Frauen ist sicher besser geworden – aber weit weg von dem, was wir uns 2002 erhofft haben.“ Ende 2001 hatte der Bundestag der Beteiligung von bis zu 1.200 Soldaten am Afghanistan-Einsatz zugestimmt. Beschränkt zunächst auf die Hauptstadt Kabul und Umgebung wurde der Einsatz in den Folgejahren personell und räumlich ausgedehnt. 2010 erreichte die ISAF-Mission ihre Höchstgrenze mit 5.300 Mann. Anfang des Jahres wurden die ersten 100 deutschen Soldaten zurückgeholt, bis Ende 2014 sollen alle Kampftruppen abgezogen sein. De Maizière ist der erste deutsche Verteidigungsminister, der die Provinz Bamiyan im Verantwortungsbereich des ISAF-Regionalkommandos Ost besuchte. Am Mittwoch hatte er bereits zum Auftakt seiner zweitägigen Reise nach Afghanistan in Kandahar die dortigen US-Truppen besucht und die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr gelobt. Zweite Station war Kabul, wo de Maizière den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte würdigte. Bis Ende 2013 sollen diese ihren geplanten Umfang von 352.000 Mann erreicht haben. Am Donnerstag erkundigte sich de Maizière in Bamiyan auch bei den neuseeländischen Streitkräften über ihre Arbeit im dortigen Regionalen Wiederaufbauteam (PRT), das 2010 einer zivilen Leitung übergeben wurde. Gleiches hatte die Bundeswehr Ende vergangenen Jahres mit ihrem PRT in Faisabad im Nordosten des Landes gemacht. Zugleich nutzte der Vereidigungsminister die Gelegenheit, auf andere Krisengebiete der Welt aufmerksam zu machen. „Es war damals gar nicht so sehr die Unterdrückung von Frauen, die Aufmerksamkeit auf Afghanistan lenkte, sondern der Umgang mit diesem kulturellen Erbe“, sagte er bild.de. „Parallel erleben wir jetzt in Mali, wo auch solche Güter von Extremisten zerstört werden, wie wichtig Kultur für das Menschheitsgedächtnis ist.“ Zum Abschluss seiner Reise stattete de Maizière dem türkischen PRT in Sheberghan in der nordafghanischen Provinz Jowzjan einen Kurzbesuch ab. Danach flog der Minister zurück nach Deutschland. dapd (Politik/Politik)