Er war seiner Zeit voraus und zeigte schon 1994, wie alltagstauglich und nachhaltig Elektro-Pkw konzipiert werden können: der E-Fox. Das Fahrzeug wurde einst von Studierenden der FH Bielefeld auf Basis eines VW Polo II entwickelt und dürfte das erste „normale“ Elektroauto mit Straßenzulassung in OWL gewesen sein. Nun wird der E-Fox fester Bestandteil der Dauerausstellung des Historischen Museums Bielefeld.
„Eigentlich schade, dass wir das Auto künftig nicht mehr fahren können. Wir haben den Wagen wieder gut in Schuss gekriegt, und es macht wirklich Spaß, so leise dahinzugleiten.“ Kersten Kröger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Team von Prof. Dr. Jens Haubrock hat er in den vergangenen Monaten den ersten verkehrstauglichen Elektro-Pkw, der jemals in OWL hergestellt und mit einer Straßenzulassung versehen wurde, „auf Vordermann“ gebracht. Denn: Der E-Fox der FH wird ab sofort in der Dauerausstellung des Historischen Museums Bielefeld einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. „Da wollten wir das Fahrzeug natürlich in einem vernünftigen Zustand übergeben“, so Kröger, der Experte für Elektromobilität und Brennstoffzellen ist. „Und noch einmal ein paar schöne Bilder machen, die zeigen, wie gut der Wagen auch nach annähernd 30 Jahren noch funktioniert.“
E-Fox der FH – ein bedeutender Teil der Bielefelder Technikgeschichte
Doch der Reihe nach: Am 13. Januar 1994 meldet ein Team rund um Prof. Dr. Bernd-Josef Schumacher und Eckhard Trakies vom damaligen Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der FH Bielefeld ein „Zero Emission Vehicle“ bei der Zulassungsstelle der Stadt Bielefeld an. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen umgebauten Polo „Fox“ der zweiten Generation. Die Studierenden haben seinen Verbrennungsmotor durch eine Drehstrom-Asynchronmaschine mit Frequenzumrichter des österreichischen Antriebsherstellers Thien ersetzt und den Tank durch eine Reihe von Batterien. So ausgerüstet kann der E-Fox fast lautlos auf bis zu 100 km/h beschleunigen. Seine Reichweite beträgt 50 km im Stadtverkehr. Doch damit das Fahrzeug einsatz- und verkehrssicher betrieben werden kann, sind weitere Aggregate eingebaut und aufeinander abgestimmt worden. Und es waren noch Umbauten an der Karosserie und am Fahrgestell notwendig – alles eigenständig ausgeführt vom zehnköpfigen Studierendenteam der FH, das damit ein Stück der Automobilgeschichte in OWL schreibt.
Entsprechend fällt der Kommentar von Dr. Wilhelm Stratmann, Direktor des Historischen Museums anlässlich der Vorstellung des neuen Museumsstücks gegenüber der Presse aus: „Viele Menschen wissen nicht, dass die Automobilindustrie in Bielefeld eine lange Tradition besitzt. Das manifestiert sich nicht nur in dem über hundert Jahre alten Dürkopp P8-Oldtimer, der seit 2003 als Dauerleihgabe im Historischen Museum ausgestellt ist – ein Produkt des einzigen Automobilherstellers der Stadt, der allerdings noch vor dem Zweiten Weltkrieg seine Produktion einstellen musste. Darüber hinaus haben auch die mittelständischen Zulieferer, die zum Teil bis heute von Bielefeld aus weltweit agieren, hohen Stellenwert für die Technikgeschichte der Region. Diese Unternehmen kooperieren – das zeigen zahlreiche Beispiele – eng mit der Fachhochschule Bielefeld, die ihrerseits seit über 50 Jahren einen wichtigen Beitrag für die Automobilindustrie leistet, in dem sie den technischen Nachwuchs ausbildet und angewandte Forschung betreibt. Der 1994 entstandene E-Fox mit seinem wegweisenden Zero-Emission-Ansatz liefert dafür einen eindrucksvollen Beweis.“
Leider nur ein Gedankenspiel: 200 E-Fox zum Stückpreis von 35.000 Mark
Feierlich enthüllt wurde der E-Fox am 20. Oktober 2022 unter anderem im Beisein von Prof. Dr. Rolf Naumann, Dekan des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik der FH Bielefeld. „In dem Studierendenprojekt zeigt sich, dass wir schon in den 1990er-Jahren Lehre und Forschung eng miteinander verzahnt haben, um Erfahrungen mit alternativen Antrieben zu sammeln, die heute auf breiter Front zum Serienstandard gemacht werden“, so Naumann. „Der Kollege Prof. Dr. Bernd-Josef Schumacher hat mit seinem Team bewiesen, dass schon damals ein durchaus leistungsfähiges und alltagstaugliches Elektroauto auf die Straße gebracht werden konnte und man bei entsprechenden Investitionen sofort in die Produktion von Kleinserien hätte einsteigen können.“
Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit des Schumacher-Teams durchaus visionär zu nennen: 200 E-Fox könnte die FH zum Stückpreis von 35.000 Mark herstellen, errechnete Schumacher. In der Zeitschrift „Auto Bild“ kritisierte er die mangelnde Investitionsbereitschaft in Deutschland: Von „Pfennigzählern in der Industrie“, die über zu hohe Kosten jammern, war da die Rede. Und vom Vorsprung in der Elektrotechnik hierzulande, der nicht verspielt werden dürfe. Defizite, die heute angesichts von Klimawandel und schleppend voranschreitender Verkehrswende offen zutage getreten sind.
E-Fox war bereits 1994 Kernstück eines rundum emissionsfreien Systems
Seine Energie bezog der E-Fox aus 15 Blei-Säure-Batterien, die zusammen 300 Kilogramm auf die Waage brachten und im Heck sowie unter der Motorhaube Platz fanden. Die Batterien waren nicht nur schwer, sondern benötigten auch ihren Platz, sodass die zweite Sitzreihe weichen musste und der E-Fox zum zweisitzigen Stadtflitzer mutierte. Bei den Speichermodulen handelte es sich um sogenannte Traktionsbatterien, die sich zum Beispiel in Antriebssträngen von Gabelstaplern bereits bewährt hatten. Aufgeladen wurden die Module mithilfe von Strom, den eine eigens installierte Photovoltaikanlage produzierte. So wurde der E-Fox Kernstück eines rundum emissionsfreien Systems – auch das für die damalige Zeit visionär! Beim Bremsen – das ist heute Standard bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen – war der E-Fox zudem in der Lage, mittels Rekuperation einen Teil der investierten Antriebsenergie wieder zurückzugewinnen.
Der Straßenzulassung 1994 waren mehrjährige studentische Einzelprojekte mit Voruntersuchungen, Konzept- und Detailplanungen unter der Ägide Prof. Schumachers vorausgegangen. Die Endmontage des Fahrzeugs erfolgte dann durch Studierende in der Ausbildungswerkstatt der Elektrizitätswerke Minden-Ravensberg in Kirchlengern. „Die größte Herausforderung im Initialprojekt E-Fox lag neben der Dimensionierung der benötigten Baugruppen darin, ausgereifte Einzelkomponenten, die ursprünglich für Industrieanwendungen entwickelt wurden, in dem Fahrzeug zu einem funktionierenden Gesamtsystem zusammenzufügen“, erinnert sich Eckhard Trakies. „Das wurde damals mit Bravour gemeistert!“ Doch mit der Zulassung hatte der E-Fox seine Aufgabe für die Hochschule noch längst nicht erfüllt: In den Folgejahren arbeiteten immer wieder Studierendenteams mit dem Fahrzeug und verfeinerten beispielsweise ihre Fertigkeiten in der Messtechnik oder analysierten, welche Auswirkungen die Belastungen des Fahrbetriebs auf die Batterien hatten. Zuletzt, im Zuge der Instandhaltung durch das Team rund um Kersten Kröger wurden die Traktionsbatterien im Labor noch einmal „reaktiviert“ für die letzte Fahrt zum Museum. Kröger, Melina Gurcke, Zak Bushell und Thomas Engelmann sind ein bisschen wehmütig angesichts des Umzug vom „schlauen Fuchs“ (Auto Bild) ins Museum. Kröger: „Aber wir sind natürlich auch stolz!“