Mitte März schrieb Kerstin Horstmann einen Brief und adressierte ihn an Oberbürgermeister Wolfgang Griesert. Eindringlich, emotional und zugleich mit viel Raison beschrieb sie vor allem die sehr angespannte Geschäftslage im Osnabrücker Modehaus Dreier & Horstmann, das von ihrem Mann Olaf und dessen Vater Ansgar Horstmann geführt wird. Beiden erzählte sie erst nach Versand von dem Schreiben und alle drei waren gleichermaßen überrascht, wie schnell die Reaktion erfolgte.
Schon wenige Tage später setzte sich die Wirtschaftsförderung Osnabrück (WFO) mit ihnen in Verbindung, um gemeinsam zu untersuchen, ob alle potenziellen Fördermittel ausgeschöpft wurden. Doch auch der Oberbürgermeister selbst ließ nicht lange auf sich warten. Am vergangenen Montag besuchte Wolfgang Griesert zusammen mit Britta ten Haaf von der WFO das Modehaus am Goethering und nahm sich rund zwei Stunden Zeit, um sich ein umfassendes Bild zu machen.
„Angst, Verzweiflung, aber auch der Wille, durchzuhalten und nicht aufzugeben“ – so hatte Kerstin Horstmann ihre Gemütslage in ihrem Brief umschrieben. Doch in Anbetracht des weiter anhaltenden Shutdowns fällt es der Einzelhandelsfamilie zunehmend schwerer, zuversichtlich zu bleiben. „Seit Mitte Dezember sind unsere zehn Angestellten in Kurzarbeit, jeden Tag gilt unser erster Blick den aktuellen Inzidenzzahlen. Gleichzeitig hängt für zigtausend Euro Saisonware in unserem Geschäft, die wir nicht verkaufen könnten““, fasst Olaf Horstmann zusammen. Er selbst ist trotzdem jeden Tag im Geschäft und wickelt die Kundenwünsche und –bestellungen ab, die telefonisch hereinkommen. Gleichzeitig hat er sich um einen neuen Onlineshop gekümmert, der erst seit wenigen Tagen in Betrieb ist. In dieses Projekt hat er vor allem Mittel aus der Überbrückungshilfe investiert.
Eine frühere Investition macht die derzeitige Situation besonders angespannt. Vor drei Jahren hatten sich Vater und Sohn entschlossen, das Geschäft umfangreich zu renovieren und auszubauen. „Viele Rücklagen sind in den Umbau geflossen, der richtig und wichtig war“, sagt der Seniorchef. „Aber das Geld fehlt uns jetzt schmerzlich. Und mit diesen Zahlen im Kopf geht man abends schlafen, liegt nachts wach und steht damit morgens wieder auf.“ Besonders die Unklarheit, wann tatsächlich die nächste Hilfszahlung vom Bund eintreffe, bereitet den Händlern große Sorge.
Neben seiner Belegschaft vermisst Olaf Horstmann besonders den Kontakt zu Kundinnen und Kunden. Mehr als 5.000 Personen umfasst der registrierte Kundenbestand des Modehauses. „Die meisten sind uns schon seit vielen Jahren verbunden und kommen zu uns, weil wir sie ehrlich und sehr individuell beraten“, sagt er. „Bei vielen Kleidungsstücken, die wir einkaufen, haben wir schon einen konkreten Kunden vor Augen.“
Auch der Oberbürgermeister hofft, dass möglichst bald wieder der Kundenkontakt und zumindest das Prinzip „Click and Meet“ in Osnabrück möglich sein wird. „In den Impfzentren und in den Hausarztpraxen haben in der Stadt Osnabrück inzwischen mehr als 42.000 Menschen ihre Erstimpfung gegen das Coronavirus erhalten“, berichtete Griesert. „Wir sind damit auf einem guten Weg bei der Pandemiebekämpfung und hoffentlich bald einen großen Schritt weiter zurück in Richtung Normalität.“
„Dass wir auch als kleineres Unternehmen Gehör finden und unsere Sorgen von der Stadt ernst genommen werden, ist für uns ein ganz wichtiges Signal“, bilanzierte Ansgar Horstmann den Unternehmensbesuch. „Auch für uns ist dieses direkte Feedback und die Einschätzung der Händler aus der individuellen Perspektive wichtig“, bekräftigte der Oberbürgermeister zum Abschluss seines Besuchs bei Dreier & Horstmann.