Es ist fünf Uhr morgens: Die Sonne wirft die ersten zarten Strahlen über die Felder in Fabbenstedt. Die Vögel zwitschern um die Wette, als sich ein leises aber deutliches Surren in den vielstimmigen Chor mischt. Die Initiatorin Karin Ortgies, die die Idee hatte, steht am Rand eines Feldes und schaut Gauselmann-Mitarbeiter Sven Schumacher dabei über die Schulter, wie er die von der Stiftung gespendete Drohne mit Wärmebildkamera in den Himmel steigen lässt. In den Händen hält Schumacher eine Konsole, die nicht nur mit den Steuerelementen für die Drohne, sondern auch mit einem Bildschirm ausgestattet ist. Auf diesem sind größere Tiere aufgrund ihrer Körpertemperatur, die im starken Kontrast zur Umgebung in den frühen Morgenstunden steht, sofort erkennbar.
Karin Ortgies ist so früh unterwegs, um mithilfe der Drohne eine Wiese nach Tieren abzusuchen. Sie unterstützt Ehemann Eitel Ortgies bei der landwirtschaftlichen Arbeit, und erst wenn sich kein Rehkitz mehr zwischen den hohen Gräsern befindet, bekommt er grünes Licht fürs Mähen. Immer wieder werden Jungtiere von Mähdreschern erfasst, weil sie sich im Gras verstecken und trotz nahender Gefahr nicht fliehen. Denn die Rehkitze, Hasen oder Rebhühner folgen in den ersten Wochen ihrem natürlichen Drückinstinkt: Bei Gefahr verhalten sie sich ganz ruhig, verharren auf dem Boden und warten auf die Rückkehr der Mutter. Eine Strategie, die sich zum Schutz vor Fressfeinden seit Jahrtausenden bewährt hat, angesichts eines nahenden Mähdreschers aber fatale Folgen haben kann. Jedes Jahr werden deshalb zahlreiche Jungtiere von den Hochleistungsmaschinen erfasst.
Die bislang angewandten Maßnahmen waren nicht nur sehr aufwändig, sondern auch wenig effektiv. „Manchmal haben wir die Wiesen vor dem Mähen zu Fuß durchschritten. Das hat jedes Mal vier bis sechs Stunden gedauert“, berichtet Eitel Ortgies. Auch der Einsatz von Hunden ist kaum wirksam, da die Jungtiere in den ersten Wochen noch keinen Eigengeruch entwickelt haben. Um die Tiere von den Wiesen fernzuhalten, hat der Landwirt dort sogar schon einige Tüten aufgehängt – gebracht hat es kaum etwas.
„Als ich davon gehört habe, dass Drohnen in diesem Zusammenhang sehr effektiv sind, habe ich mich mit dem Anliegen an die Stiftung gewandt“, erzählt Karin Ortgies. Als bekennender Naturliebhaber stand Unternehmensgründer Paul Gauselmann dieser Idee sofort aufgeschlossen gegenüber. „Die Natur hat mir in meinem Leben viel gegeben. Als Ausgleich zum mitunter stressigen Arbeitsalltag konnte ich in der Natur immer wieder Kraft tanken.“
Die Gauselmann Gruppe hat das Drohnenprojekt nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch ihr Know-how zur Verfügung gestellt. So stand Dr. Werner Schroer, Vorstand Technik, Familie Ortgies als Ansprechpartner rund um die technischen Fragen zur Seite. Der Entwicklungschef kümmerte sich auch um den Bezug der Drohne und stellte sicher, dass das Fluggerät die notwendige Qualität besitzt. „Als innovatives Unternehmen sind wir technisch immer am Puls der Zeit. Da war es ein Leichtes, das Projekt in dieser Hinsicht zu unterstützen“, erläutert Dr. Werner Schroer.
Als es um den konkreten Einsatz der Drohne ging, übernahm Sven Schumacher den ersten Flug. Schumacher ist im Einkauf der adp Gauselmann GmbH tätig und in seiner Freizeit selbst als Jäger aktiv. „Dadurch bin ich mit der Thematik vertraut und konnte Familie Ortgies hier helfend zur Seite stehen.“
„Ich bin sehr froh, dass Herr Gauselmann diesem Anliegen so positiv gegenübersteht und möchte mich herzlich bedanken“, erklärt Karin Ortgies. Eine Wiese wurde vor dem Mähen bereits vollständig abgesucht – und das mit Erfolg. „Wir konnten bereits zwei Rehkitze und einen Hasen retten“, freut sie sich. Damit die Drohne flächendeckend zum Einsatz kommt, wird sie dem landwirtschaftlichen Ortsverein zur Verfügung gestellt. Karin Ortgies hofft, dass möglichst viele heimische Landwirte die neuen technischen Möglichkeiten bei der Rehkitzrettung nutzen. Außerdem werden noch ehrenamtliche Helfer gesucht, die bereit sind, sich etwas intensiver mit der Drohne zu befassen, um bei Bedarf die entsprechenden Suchen in Absprachen mit den Landwirten vorzunehmen. Da das Fluggerät weniger als zwei Kilogramm wiegt, braucht es dafür keinen extra Führerschein. Sven Schumacher hat sich auch schon bereit erklärt, die Interessenten zu schulen.