Neun Monate hat Karel Tomšík aus Tschechien an der FH Bielefeld studiert und einen zweiten Bachelor-Titel erworben. Der Double Degree wurde zu einer prägenden Erfahrung für den 24-Jährigen. Daheim an der Czech University of Life Sciences Prague tummelt er sich weiterhin unter internationalen Studierenden – inzwischen als Dozent mit Masterabschluss. Kein Wunder, denn das Lehren ist Familientradition.
Bielefeld – Wer am Institut für Wirtschaft und Management der Czech University of Life Sciences Prague nach Karel Tomšík fragt, muss mit einer Gegenfrage rechnen: Welchen von den beiden meinen Sie? Denn hier arbeiten Vater und Sohn unter einem Dach, und der Senior hat seinem Junior nicht allein den Vornamen vererbt, sondern auch die professorale Berufung. Immerhin nahm die junge Karriere von Karel Tomšík jr. noch einen kleinen, aber lohnenden Umweg – über Bielefeld. Denn der 24-Jährige besitzt den sogenannten Double Degree: einen Bachelor seiner tschechischen Alma Mater und einen zweiten in International Studies in Management der Fachhochschule Bielefeld.
Positiv überrascht von Nordrhein-Westfalen
„Es war einfach zu verlockend, diese Option im Rahmen meines Wirtschaftsstudiums wahrzunehmen“, sagt Karel Tomšík. „Deutsch ist schließlich meine zweite Fremdsprache. Obwohl ich zugeben muss, dass bis zu dem Zeitpunkt, als mir mein Institut dieses Angebot machte, noch nie von Bielefeld gehört hatte.“ Wie das Nachbarland tickt, hatte er jedoch schon häufiger erkundet, etwa auf Kurztrips nach Berlin. Oder auf den Konzerttourneen der Blaskapelle, in der er das Bassflügelhorn spielt. „Allerdings treten wir meistens in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf – in Nordrhein-Westfalen ist es ja noch einmal sehr viel anders, wie ich dann positiv überrascht feststellen durfte.“
Freundschaften geschlossen und interkulturelle Kompetenz erworben
Seine Zeit in Bielefeld von September 2018 bis Juli 2019 sieht Tomšík rückblickend als sehr wertvoll an. „Ich finde die Stadt und die ganze Region wunderschön“, sagt er. „Und die Fachhochschule ist toll. Ich mochte die Einstellung der Professoren, und meine Studierendengruppe war sehr international. Hier konnte ich Freundschaften schließen, die auch schon zu gemeinsamen akademischen Projekten geführt haben.“
Für Tomšík war es der erste längere Aufenthalt fort von daheim. „Ich bin kein besonders mutiger Mensch“, gibt er zu. „Aber diese Entscheidung habe ich bewusst getroffen, um mich persönlich weiterzuentwickeln. Es half mir, zu lernen, in einer völlig anderen Umgebung zurechtzukommen. Und ich konnte viel von der interkulturellen Kompetenz sammeln, die in der Welt immer wichtiger wird.“ Entsprechend sorgfältig pflegt er den Kontakt zu seinen früheren Professoren in Bielefeld. „Das sind ja jetzt auch irgendwie meine Kollegen“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
„Die wichtigste Eigenschaft eines guten Lehrers ist Unvoreingenommenheit“
Tatsächlich hat Karel Tomšík damit begonnen, selbst Lehrveranstaltungen abzuhalten. Auf Tschechisch sowie auf Englisch und mit Vorliebe zu seinem Spezialgebiet: Statistik. Seinen Master hat er seit Juni 2022 in der Tasche, und nun arbeitet er an seinem PhD. Seine Leidenschaft ist es jedoch jetzt schon, sein Wissen an andere weiterzugeben.
Was ist die wichtigste Eigenschaft eines guten Lehrers? „Ich denke, seine Unvoreingenommenheit“, sagt Tomšík. „Ich habe bei meinen Veranstaltungen viel mit internationalen Studierenden zu tun. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass jeder mit seinem kulturellen Hintergrund eine andere Herangehensweise an ein Thema hat. Und alle Unterschiede sind Möglichkeiten.“
Angestellt an einem der am stärksten internationalisierten Institute der Tschechischen Republik
Tomšík beschreibt die Czech University of Life Sciences Prague als eine der schönsten Hochschulen der Hauptstadt. „Sie liegt etwa 50 Kilometer entfernt vom Zentrum“, sagt er. Und das berge in diesem Fall einen enormen Vorteil. „Es ist nämlich die einzige Universität Prags, die einen richtigen Campus hat: Alle Institute und Wohnheime sind an einem Ort versammelt.“
Das Institut für Wirtschaft und Management, wo die beiden Tomšíks arbeiten, gilt als eines der am stärksten internationalisierten der Tschechischen Republik. „Manchmal bin ich hier auf den Fluren der einzige Tscheche“, schmunzelt Karel Tomšík jr. Sein Vater sei daran nicht ganz unbeteiligt, denn er ist verantwortlich für die internationalen Beziehungen des Instituts. „Er ist seit 1988 hier tätig. Nach der Samtenen Revolution war er unter anderem ein Jahr in Deutschland und hat auf dem Gebiet der Integration der tschechischen Wirtschaft in europäische Strukturen geforscht. Und beim Aufbau der internationalen Aktivitäten des Fachbereichs Volkswirtschaftslehre war er sehr engagiert. Natürlich hat mich das außerordentlich geprägt.“
Vater, Mutter und sämtliche Großeltern – Karel Tomšík stammt aus einer waschechten Lehrerfamilie
Wann für ihm feststand, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte, daran kann sich Karel Tomšík jr. gar nicht so genau erinnern. „Ich muss jedenfalls noch sehr klein gewesen sein“, sagt er. „Ursprünglich wollte ich Erfinder werden – bis mir klar wurde, dass das kein richtiger Beruf ist. Ab dem Moment war es mein Traum, zu lehren.“ Wie übrigens auch alle seine Großeltern. Und seine Mutter, die am Institut für Erziehung und Kommunikation unterrichtet.
„Allerdings weiß ich, dass ich kein guter Grundschullehrer geworden wäre“, so Tomšík. „An den weiterführenden Schulen wiederum sind die Schüler in einem problematischen Alter, das ist ebenfalls nichts für mich. Insofern ist die Universität für mich wohl der beste Platz.“ Ganz weg aus seiner Heimat will er dabei nicht. „Aber als Gastdozent möchte ich auf jeden Fall auch im Ausland unterrichten.“ So gibt es vielleicht bald ein Wiedersehen mit Bielefeld.