Bielefeld. Man liest es derzeit fast täglich in den Gazetten der Republik und es betrifft nahezu alle Städte und Kommunen in Deutschland. Die vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di macht dem Einzelhandel und den Kommunen das Leben schwer. Landauf, landab klagt die Gewerkschaft gegen die kommunalen Genehmigungen zur Sonntagsöffnung. Verkaufsoffene Sonntage werden daher zunehmend abgesagt. Ist das nun das Ende des Sonntagsshoppings? Die Antwort vorweg: Nein! Das ist eine Frage von Vorbereitung und Planung.
Verfassungsrechtlicher Hintergrund
Sonntage genießen in Deutschland verfassungsrechtlichen Schutz. An Sonntagen darf grundsätzlich nicht gearbeitet werden – auch nicht im Einzelhandel. Zum Wesen des Grundsatzes gehört aber die Ausnahme. Jeder weiß: Tankstellen, Bäckereien, Konditoreien, Cafés, Restaurant und mehr haben sonntags geöffnet. Dennoch: Das Bundesverfassungsgericht und mit ihm das Bundesverwaltungsgericht haben in jüngerer Zeit den Sonntagsschutz bekräftigt. Freilich: Die Vorschrift zum Sonntagsschutz ist bald 100 Jahre alt. Trefflich kann man darüber streiten, ob der strikte Sonntagsschutz heute noch zu rechtfertigen ist. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich gewaltig verändert. Das haben durchaus auch einige Gesetzgeber erkannt. Die Bundesländer – zuständig für die Ladenöffnungszeiten – stoßen aber an ihre Grenzen: Politisch kann eine Änderung nachhaltig nur durch Änderung des Grundgesetzes erreicht werden. Aktuell stellt sich die Situation so dar, dass die Bundesländer, und so auch das Land Nordrhein-Westfalen, gesetzliche Grundlagen dafür geschaffen haben, dass Verkaufsoffene Sonntage jährlich nur in begrenzter Anzahl und im Zusammenhang mit einer bestimmten Veranstaltung stattfinden dürfen. Die Veranstaltung muss im Mittelpunkt stehen. Sie darf nicht bloß Feigenblatt für eine Verkaufsöffnung sein.
Anforderungen an Verkaufsoffene Sonntage
Im Ergebnis spielt es keine Rolle, ob ein Verkaufsoffener Sonntag in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Bayern, Berlin oder Schleswig-Holstein stattfindet. Überall gilt der Grundsatz: Der Verkaufsoffene Sonntag muss quantitativ die Ausnahme bleiben und er muss an eine Veranstaltung geknüpft sein, die in ihrer Attraktivität den Schwerpunkt bildet. Was dies im Einzelnen heißt, ist in der Rechtsprechung nach wie vor nicht abschließend geklärt. Es haben sich in der Vergangenheit aber immerhin zentrale Gesichtspunkte herausgebildet, die eine Orientierung erlauben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gesamtgepräge bzw. das Gesamtbild der Veranstaltung mit ihrer Ladenöffnung maßgebend ist, und nicht ein einzelner Faktor über das Wohl oder Wehe der Verkaufsöffnung entscheidet. Zunächst braucht es stets eine Veranstaltung, die für sich genommen in der Lage ist, eine Vielzahl von Menschen anzuziehen und die auch ohne eine Verkaufsöffnung stattfinden würde. Dabei muss diese Veranstaltung nicht zwingend eine traditionsreiche Veranstaltung sein. Es dürfen auch neue Traditionen begründet werden oder einmalige Veranstaltungen stattfinden. Entscheidend ist, dass eine Prognose darüber erstellt wird, die im Ergebnis ausweist, dass die Menschen in erster Linie ein Interesse daran haben, die Veranstaltung zu besuchen und für die Besucher sekundär ist, dass sie auch einkaufen können.
Verkaufsoffene Sonntage: Analyse und Planung
Bei der Bestimmung der Attraktivität einer Veranstaltung im Verhältnis zu der Verkaufsöffnung ist eine flächenmäßige Betrachtung aussagekräftig. So kann man erstens sagen, dass eine Veranstaltung, die in einem eng begrenzten innerstädtischen Bereich stattfindet nicht dazu geeignet ist, eine Verkaufsöffnung in der Peripherie zu rechtfertigen. Mit anderen Worten: Die Verkaufsöffnung darf nur in der räumlichen Umgebung der Veranstaltung stattfinden. Aussagekräftig kann – muss aber nicht – zweitens das Verhältnis der Ladenfläche zu der Veranstaltungsfläche sein. So kann eine sehr viel größere Ladenfläche Indiz dafür sein, dass die Ladenöffnung im Mittelpunkt steht und nicht die Veranstaltung. Bei der Festlegung des räumlichen Bezugspunkts einer möglichen Ladenöffnung sind sog. Transitstrecken in die Betrachtung einzubeziehen. So können Läden an Zuwegungen – etwa von Parkplätzen zu der Veranstaltung – ebenfalls Gegenstand der Sonntagsöffnung sein. Aussagekräftig kann auch sein, wie sich die Umsätze der Einzelhändler an einem Sonntag im Verhältnis zu regulären Werktagen darstellen. Wenn also die Besucherzahlen an einem Verkaufsoffenen Sonntag im Verhältnis zu regulären Werktagen oder Samstagen weit Überproportional hoch ist, so spricht dies für die Attraktivität der Veranstaltung. Wenn gleichzeitig die Ladenbesuche und die Umsätze der Ladeninhaber nicht in gleichem Maße von den Besucherzahlen profitieren, so spricht dies zumindest indiziell dafür, dass die Veranstaltung von besonderer Attraktivität ist und nicht in erster Linie die Einkaufsmöglichkeit. Zur Ermittlung dieser Gesichtspunkte sind ggfls. Umfragen und Erhebungen durchzuführen. Bei erstmals stattfindenden Veranstaltungen kann eine Prognose notwendigerweise nur weniger detailliert und datenbasiert ausfallen. Letztlich kann eine Prognose dann nur auf vorhandenem Material zu ähnlichen bzw. vergleichbaren Veranstaltungen aufgebaut werden.
Ausblick und Perspektive
Wenn im Vorfeld Verkaufsoffener Sonntage Erhebungen und Analysen durchgeführt werden und ein räumliches Konzept entwickelt wird, das den Anforderungen der Rechtsprechung entspricht, kann auch in Zukunft rechtskonform ein Verkaufsoffener Sonntag durchgeführt werden. Letztlich ist der Erfolg eine Frage der Vorbereitung. Es gibt keinen Grund zur Resignation. Die Erfahrung in der Beratungspraxis zeigt, dass die Vertreter der Gewerkschaft ver.di durchaus zu konstruktiven Gesprächen bereit sind. So konnten Verkaufsoffene Sonntage häufig „gerettet“ werden.
Ein Beitrag von Dr. Christoph Worms, BRANDI Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Bielefeld.