Anfang Juni hat der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments beschlossen, die Pflicht zum Einbau eines digitalen Tachographen auf Fahrzeuge zwischen 2,4 und 3,5 Tonnen auszuweiten Es betrifft alle gewerblich genutzten Fahrzeuge, darunter auch die Fahrzeuge vieler Handwerksunternehmen, die sie für Fahrten zu Baustellen, Montagearbeiten oder Lieferfahrten einsetzen.
Ein komplexes Regelwerk bestimmt genau das Wann, Wie, Wer und Wo des digitalen Tachographen, der nicht nur die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrers erfasst, sondern auch die gefahrenen Kilometer sowie die Ruhepausen, die sogenannten Lenkzeitunterbrechungen. Lange hatte das Handwerk mit Unterstützung deutscher Politiker für eine KMU- freundliche Komponente gekämpft und konnte mit der 2015 eingeführten Ausnahmeregelung der Tachographen-Pflicht für einen Radius von 100 km auch einen kleinen Erfolg verzeichnen.
„Die Einhaltung aller Vorschriften der Tachographen-Verordnung bedeutet schon jetzt einen erheblichen bürokratischen Aufwand“, erklärt Tischlermeister Heinz-Bernd Lohmann, der nicht nur Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf (KH) ist und die Probleme der Handwerksunternehmer kennt, sondern in seiner Firma in Everswinkel selbst tagtäglich darauf achten muss, dass alle Vorschriften penibel eingehalten werden, wenn seine Mitarbeiter zu Kunden fahren oder Material holen, um Bußgelder zu vermeiden.
Selbstverständlich ist Heinz-Bernd Lohmann für Kontrollen im Sinne der Sicherheit im Straßenverkehr. „Unfälle durch Müdigkeit oder zu lange Arbeitszeiten können damit vermieden werden.“ Dem damit zugrunde liegenden Schutzgedanken will er deshalb auch nicht widersprechen – „wenn man sich auf das Transportgewerbe beschränken würde. Nun wird aber alles über einen Kamm geschoren zu Lasten anderer Branchen, zum Beispiel des Handwerks“, so der Kreishandwerksmeister.
Was ihn und KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner verärgert, ist, dass als alleiniges Kriterium für die Tachographenpflicht das Gewicht des Fahrzeugs herangezogen wird und nicht der Zweck, wofür das Fahrzeug eingesetzt wird. „Im Handwerk werden Fahrzeuge gebraucht, um zu einer Baustelle oder zum Kunden zu gelangen. Hier werden keine Berufsfahrer eingesetzt, sondern die Handwerker transportieren ihre Arbeitsmaterialien selbst“, begründet KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner, warum die Kreishandwerkerschaft auf eine Differenzierung bei der Tachographenpflicht und Ausnahmeregelungen für die Handwerksunternehmen pocht.
„Zukünftig müssten Dachdecker, Tischler oder Elektriker, die zum Kunden oder zur Baustelle fahren, gegebenenfalls umständlich und zeitaufwändig nachweisen, dass sie in der Woche weniger als die erlaubten 56 Stunden pro Woche fahren – wo doch die wöchentliche tarifliche Arbeitszeit deutlich darunterliegt und logischerweise in der Hauptsache der Erbringung handwerklicher Dienstleistungen dient“, beschreibt Tischner die Auswirkungen mit leichter Ironie, wenn er auf die Diskrepanz von erlaubten wöchentlichen Fahr- und üblichen Arbeitszeiten im Handwerk hinweist.
Die Vertreter der Kreishandwerkerschaft sind sich in ihrer Einschätzung einig. Die Ausweitung der Fahrtenschreiber-Regelungen auch auf leichtere Fahrzeuge bedeutet für die Handwerksunternehmen zusätzliche Kosten, die durch die Anschaffung und den Einbau eines Tachographen, den Kauf von Kontrollkarten für das Unternehmen und seine Mitarbeiter, der Kauf von Software zur Datenverwaltung sowie regelmäßige Wartungs-, Archivierung- und Auslesungspflichten und die Unterweisung aller Beschäftigten entstehen.
Rahmen der Verordnung für Tachographen
Noch soll die die geplante Tachographenpflicht im Gewichtsbereich 2,4 – 3.5 Tonnen zunächst auf die grenzüberschreitenden Verkehre beschränkt werden. Doch dies schmälert nicht die Kritik des Handwerks an dieser Regelung, denn viele Handwerksunternehmen im Bereich der Kreishandwerkerschaft sind auch in den Niederlanden oder Schweiz aktiv. „Wenn auch zunächst eingeschränkt, ist die geplante Tachographenpflicht – so unsere Befürchtung – das Einfallstor für eine spätere weitere Ausweitung auf alle innerstaatlichen Transportvorgänge im unteren Gewichtsbereich“, erklärt Heinz-Bernd Lohmann.
Die Kreishandwerkerschaft hat sich deshalb an den Europaabgeordneten Dr. Markus Pieper mit der Bitte um Unterstützung gewandt, denn der Beschluss des EU-Verkehrsausschusses muss vor Inkrafttreten noch mit den Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission final verhandelt und vom Plenum verabschiedet werden.