Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Mai 2019 ein Grundsatzurteil gefällt, dass die Arbeitgeber*innen künftig zur Erfassung von Arbeitszeiten verpflichtet. Während sich in einigen Bereichen, wie etwa bei Berufskraftfahrern, im Öffentlichen Dienst oder in der Produktion, wo die Arbeitszeiterfassung zur Ermittlung der Herstellkosten gang und gäbe sind, kaum etwas ändert, führt das Luxemburger Urteil in vielen anderen Bereichen zu nachhaltigen Veränderungen in Organisation und Verwaltung.
Worauf sich Unternehmen nun einstellen müssen, erklärt Hans-Jürgen Fockel, Geschäftsführer des IT-Systemhauses und Zeitwirtschaftsspezialisten LANOS.
Während der Deutsche Gewerkschaftsbund das Urteil als längst überfällig und das Ende der „Flatrate-Arbeit“ feiert, prangert die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände die Wiedereinführung der Stechuhr an, die in unserer zunehmend digitalen Arbeitswelt 4.0 wie aus der Zeit gefallen scheint. „Das EuGH Urteil gibt uns zunächst erstmal die Richtung vor. Die konkrete Ausgestaltung der Umsetzung oder Festlegung von Einschränkungen etwa bei spezifischen Arbeitsmodellen oder Unternehmensgrößen obliegt letztlich den einzelnen Mitgliedstaaten. Insofern gäbe es in den meisten Unternehmen zwar noch einen gewissen zeitlichen Spielraum für die Umsetzung dieser Vorgaben. Faktisch jedoch lassen sich die Pflichten der Arbeitgeber zur
Dokumentation der Arbeitszeiten schon aus dem allgemeinen Mindestlohngesetz ableiten“, gibt der Zeitbewertungs-Experte Hans-Jürgen Fockel zu bedenken. „Seit dem 01.01.2019 gilt in Deutschland ein neuer gesetzlicher Mindestlohn von 9,19 Euro pro Stunde, zum Jahresbeginn 2020 steigt dieser dann auf 9,35 Euro an. Diese gesetzliche Lohnuntergrenze richtet sich jedoch nicht nach dem vereinbarten Stundenlohn, sondern nach dem kalkulatorischen Effektivlohn – d.h. unter Berücksichtigung sämtlicher Lohn-Merkmale und –Bestandteile wie etwa Überstunden, Pausen, Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge.
Die Berechnung der Effektivlöhne erfordert in den Unternehmen nicht nur eine präzise Erfassung der Arbeitszeiten, sondern auch eine revisionssichere Archivierung. Fehlt dieser Mindestlohn-Nachweis oder fördert eine Zoll-Prüfung unzulässige Verrechnungen und die Unterlaufung des Mindestlohns zutage, ist die bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit für die Unternehmen noch das geringere Übel, denn die Arbeitnehmer können ihren Anspruch auf Zahlung des Mindestlohnes auch arbeitsrechtlich durchsetzen. Dies bringt nicht nur einen enormen Verwaltungsaufwand mit sich, sondern bedeutet auch große Kostenrisiken für den Arbeitgeber.“
Mehr als 2 Mrd. Überstunden pro Jahr in Deutschland
In 2018 machten die Arbeitnehmer in Deutschland in Summe knapp 2,2 Mrd. Überstunden, rund die Hälfte davon unbezahlt. Die Dunkelziffer dürfte jedoch noch weit drüber liegen. Denn in der Vergangenheit sind Arbeitgeber immer wieder die geltenden Lohnuntergrenzen dadurch umgangen, dass sie Arbeitnehmer schlicht länger haben arbeiten lassen, ohne etwa Überstunden zu erfassen. Zwar lässt sich mit der Pflicht zur Zeiterfassung die Überschreitung von Höchstarbeitszeiten oder das Unterschreiten von Mindestruhezeiten in diesen Fällen nur bedingt unterbinden. Doch gerade in Branchen wie dem Baugewerbe, dem Gastgewerbe oder dem Gesundheitswesen, wo Fachkräfte fehlen und Mehrstunden zum Berufsalltag gehören, stärkt das Urteil zur Dokumentation der nunmehr gesamten Arbeitszeit die Position der Arbeitnehmer.
New Work – mehr Selbstbestimmung und flexible Arbeitsmodelle
Immer mehr Unternehmen investieren heute in die Attraktivität ihrer Arbeitsplätze, um bestehenden und neuen Mitarbeitern gleichermaßen Mehrwerte zu bieten. Nicht mehr nur finanzielle Anreize, sondern selbständige Arbeitsorganisation, flexible Arbeitszeitmodelle, digitale Unternehmenskulturen und moderne Technologien zeichnen heute den perfekten Arbeitsplatz aus. Statt einer „Work-Life-Balance“, die ein Gleichgewicht zwischen den beiden (getrennten) Bereichen Leben und Arbeit anstrebt, soll mit modernen Arbeitsmodellen wie „New Work“ eine für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen stimmige Integration von Arbeit und Beruf gelingen – zumindest in Teilbereichen. Schon heute verschwimmen in unserer zunehmend digitalen Gesellschaft die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Schnelle Reaktionszeiten und Erreichbarkeit sind heute in unserer auf kollaborative Prozesse ausgelegten Arbeitswelt selbstverständlich. Nach dem Abendessen noch eben
Mails beantworten, Dokumente prüfen, etwas recherchieren oder den nächsten Arbeitstag vorbereiten, all dies gehört heute schon zum Alltag in der deutschen Arbeitswelt.
„Unternehmen müssen sich schließlich die Frage beantworten, ob sie diese Entwicklungen fördern oder einschränken wollen. Schließlich wirkt sich die Selbstbestimmung von Arbeitsleistungen im Allgemeinen positiv auf die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter aus. Dem Arbeitgeber obliegt es dann, den organisatorischen Rahmen und die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen, um betriebswirtschaftlichen Risiken durch fehlende Transparenz, mangelnde Leistungsmessung oder ineffektive kollaborative Prozesse vorzubeugen“, erläutert Hans-Jürgen Fockel. „Die Zeiterfassung ist in diesem Prozess ein wichtiges Element – nicht etwa, um die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu kontrollieren. Sondern vielmehr, um Arbeitsaufwände für die Wirtschaftlichkeit von Abläufen nachvollzieh- und auswertbar zu machen, personelle Ressourcen zu planen und zu steuern, Zeitfresser zu identifizieren und zu helfen, rechtliche Rahmenbedingungen einzuhalten.
Gerade in Zeiten von New Work ist es heute unerlässlich, pragmatische Zeiterfassungslösungen z.B. über das Smartphone zu etablieren, die zum einen den Anforderungen an Mobilität und flexiblen Einsatzorten und zum anderen den Erfordernissen an betriebswirtschaftliche Zeit- und Leistungsbewertung gerecht werden.“ Die Grundlage für modernes Personalmanagement und -Controlling bildet somit nicht nur die Dokumentation der Arbeitszeiten von Mitarbeitern, sondern vor allem die Auswertung von aufgaben- und projektbezogenen Arbeitszeiten als Basis für die Abrechnung, Kalkulation und Planung der Ressourcen.
Lohnbuchhaltungssysteme erfordern korrekte Zeitbewertung
Ob die Arbeitszeiten künftig auf dem Papier, auf elektronischem Wege, per App oder Stechuhr erfasst werden, steht den Unternehmen grundsätzlich frei, solange das Zeiterfassungssystem „objektiv, verlässlich und zugänglich ist“. Der maßgebliche Unterschied liegt am Ende in den Möglichkeiten der Auswertbarkeit und dem Aufwand bei der Überführung in die bestehenden Lohnbuchhaltungssysteme. Die Unterstützung heutiger Schlüsseltechnologien wie Online-Erfassung oder Smartphone-Apps macht das Handling, die Auswertung und Gestaltung von Arbeitszeiten zum wichtigen Steuerungsinstrument für mittelständische Unternehmen. „Doch selbst wenn Arbeitszeiten heute elektronisch oder per App erfasst werden, können die Daten oft nicht 1:1 über Standard-Schnittstellen an die Lohnbuchhaltungssoftware übergeben werden. Denn für die korrekte Bewertung der Arbeitszeiten sind mitunter weitere Daten zu berücksichtigen, wie etwa unterschiedliche Lohnarten,
Zuschläge, Lohngruppen oder etwa Schichtprofile“, betont der Zeitwirtschaftsspezialist. Um Arbeitspeaks in der Lohnbuchhaltung um den Monatsultimo zu vermeiden, sollten Unternehmen daher nicht nur eine für die eigene Unternehmenssituation passende Lösung für die Zeiterfassung, sondern insbesondere auch für die „Zeitbewertung“ einfließen lassen.
Nahtlose elektronische Zeitbewertung der Arbeitszeiten für Arbeitszeiterfassung
Um die gewonnen Zeiterfassungsdaten für die Arbeitszeiterfassung in einem automatisierten Prozess entsprechend der bestehenden Betriebsvereinbarungen, Sollzeiten und Zuschläge für die Lohnbuchhaltung aufzubereiten, gibt es mit der Lösung timeCard Lohnbuchhaltung+ eine passende Middleware zwischen der timeCard Zeiterfassung und der Lohnabrechnung durch z.B. DATEV Lodas oder DATEV Lohn und Gehalt.
Diese sorgen nicht nur für eine vollständig automatisierte und zuverlässige Datenbewertung und -aufbereitung, sondern erlauben Führungskräften und Personalverantwortlichen auch eine einfache, benutzerfreundliche und bedarfsgerechte Anpassung von Kennzahlen und Berichten. Für die Ausgabe professioneller Berichte ist dabei weder Fachpersonal noch großer Einarbeitungsaufwand notwendig – selbst für Mitarbeiter, die keinen Zugriff auf die Zeiterfassungsdaten haben. Die Lösung verfügt zudem bereits über eine Vielzahl vorkonfigurierter Auswertungen, die sich direkt als PDF- oder Excel-Datei ausgeben lassen und bequem mit Kollegen geteilt oder nachbearbeitet werden können.
Sämtliche Leistungen, einschließlich Einführung, Parametrisierung, Schulung, Wartung und Support der REINER SCT, DATEV oder Lohnbuchhaltung+ Lösungen erfolgen dabei direkt über LANOS aus einer Hand. Der Preis des Zeiterfassungspaketes richtet sich nach dem konkreten Lizenz- und Hardware-Bedarf und startet ab 259,00 Euro für 5 Lizenzen.
www.lanos.de