Förderung des internationalen Kulturverständnisses

Die WIR Redaktion hat Frau Ricarda Fleer, Prokuristin und kaufmännische Leiterin der BOGE KOMPRESSOREN aus Bielefeld, und die italienische Studentin Maddalena Gamna zum Thema „Personalstrategien und Fachkräfte“ interviewt:

Was sind die wichtigsten Zukunftsfelder für BOGE?
Fleer: Neben den Markt- und Produktstrategien steht und fällt der Erfolg unseres Unternehmens mit den Mitarbeitern. Wir sind ein deutsches Unternehmen, das seinen Kernmarkt seit über 100 Jahren in Deutschland hat, aber wir setzen seit den 90ern sehr stark auf Internationalisierung.
Wir haben weltweit und über alle Kulturkreise hinweg 13 Tochterunternehmen. Hier hat unsere Erfahrung gezeigt, dass es besonders wichtig ist, dass die Mitarbeiter auch international arbeiten können.

Wie fördern Sie die interkulturellen Kompetenzen Ihrer Mitarbeiter?
Fleer: Neben speziellen Trainings im Haus möchten wir in Zukunft unsere offenen Stellen stärker international besetzen. Das Ziel ist es, einen Personalstamm zu etablieren, der aus verschiedenen Kulturkreisen kommt.
Unser Vertriebsleiter zum Beispiel ist Amerikaner. Er ist ein „Urgestein“ der Kompressorenbranche und seit 2010 bei BOGE angestellt, zunächst als CEO von BOGE America. Später wurde er zum Gesamtvertriebsleiter der BOGE Gruppe und ist mittlerweile auch Prokurist und Mitglied der Geschäftsleitung, was in unserer 100-jährigen Geschichte ein absolutes Novum ist.

Sie versuchen also, die einzelnen Teams im Unternehmen stärker mit internationalem Personal zu besetzen?
Fleer: Das ist unser Ziel. Wir haben z. B. eine Stelle im Bereich IT mit einem spanischen Mitarbeiter besetzt, der seinen Schreibtisch zwar bei BOGE Iberica stehen hat, fachlich aber an die IT Leitung in Bielefeld berichtet. Dies ist dank Webkonferenzen und mobilen Büros heutzutage gar kein Thema mehr und funktioniert gut.

Ich selber habe das letzte Jahr in Italien verbracht und dort unsere italienische Tochtergesellschaft geleitet. Kurz vorher hatte ich einen Intensiv-Kurs Italienisch belegt, denn nicht alle Mitarbeiter bei BOGE Italia sprechen englisch. Auch die Kunden sind größtenteils italienischsprachig – es war aber ein entscheidender Erfolgsfaktor, mit den Menschen schnell in persönlichen Kontakt zu kommen.

Während dieser Zeit habe ich die Leiterin des Studiengangs „Deutsch für die internationale Wirtschaftskommunikation“ an der renommierten Mailänder Universität Cattolica kennengelernt. Ich suchte zu dem Zeitpunkt dringend jemanden, der Deutsch und Italienisch spricht, um mich sprachlich bei der Arbeit mit den Kunden und Kollegen, sowie die Arbeit der Kollegen mit der deutschen Muttergesellschaft unterstützt. Ich habe dann auch einmal selber eine Vorlesung an der Cattolica gehalten und war von den sehr guten Deutschkenntnissen der Studierenden sowie deren Engagement sehr beeindruckt. So ist die Idee entstanden, Frau Gamna als Praktikantin einzustellen.

Frau Gamna, was waren in Italien Ihre Aufgaben bei BOGE?
Gamna: Als Praktikantin habe ich verschiedene Unternehmensbereiche kennengelernt, die Aufgaben waren sehr vielfältig. Z.B. habe ich im Bereich Buchhaltung gearbeitet, Übersetzungen gemacht, die Homepage von BOGE Italia aktualisiert und war auch eine Woche für BOGE auf der Hannover Messe Teil der festen Standbesetzung.
Fleer: Nach sechs Monaten habe ich Maddalena gefragt, ob sie nicht mit nach Deutschland kommen möchte, um ihre Erfahrungen aus der italienischen Vertriebstochtergesellschaft in der deutschen Muttergesellschaft auszubauen.
Gamna: Während meines Studiums war ich schon mehrmals in Deutschland und wusste, dass ich mich hier wohlfühlen würde. Also sagte ich zu. Deutschland ist jetzt zu meiner zweiten Heimat geworden.
Fleer: Hier in Deutschland hat Maddalena im Controlling gearbeitet und hat sich sehr schnell perfekt ins Team integriert.

Was war die größte Umstellung zwischen Deutschland und Italien?
Gamna: Auf jeden Fall das Essen! Das klingt wie ein Klischee, aber es ist wirklich so. Bei der Arbeit waren für mich die flexiblen Arbeitszeiten neu, ebenso wie die konsequente Ausrichtung aller Aktivitäten auf eine optimale Produktivität. Die Italiener arbeiten zwar mehr Stunden, sind dabei aber manchmal nicht so effizient.
Mein Arbeitsbereich, Controlling und Finanzen, finde ich sehr deutsch. Die Buchhaltung wurde zwar in Italien erfunden, aber die Deutschen sind hier aus meiner Sicht Experten.
Fleer: Interessant ist auch, dass Maddalena in Italien Philosophie studiert hat. Sie ist also keine Betriebswirtin und musste vieles in sehr kurzer Zeit neu lernen.
Gamna: Der Studiengang Philosophie hat in Italien eine andere Ausrichtung als in Deutschland. In meiner Heimat dient das Studium als Grundlage für eine spätere Karriere u. a. in Unternehmen verschiedenster Branchen.
Dank der flexiblen Arbeitszeiten konnte ich mich gut organisieren und anhand von Fachbüchern über Betriebswirtschaft und Controlling viel selbstständig lernen – und das Gelernte auch gleich praktisch umsetzen.

Ist der Aufwand für ausländische Fachkräfte höher?
Fleer: Ich denke schon, dass der Aufwand für die Suche, Qualifizierung und Einarbeitung ausländischer Fachkräfte höher ist und durchaus auch einen Kostenfaktor darstellt. Für uns als Unternehmen steht aber die interkulturelle Vermischung im Vordergrund. Unsere Mitarbeiter sind mittlerweile daran gewöhnt, dass sie mit Kollegen aus Italien, Amerika, Indien oder China kommunizieren. Die Sprachbarrieren und die Hemmschwellen, die Kollegen in China oder generell im Ausland anzurufen sind deutlich geringer geworden – das steigert natürlich die Produktivität des Unternehmens.

Sind die weltweiten Zeitzonen ein Problem?
Fleer: Wir haben vor einiger Zeit flexible Arbeitszeiten eingeführt, auch um die Erreichbarkeit der Mitarbeiter in der deutschen Muttergesellschaft zu erhöhen. In Absprache mit den jeweiligen Abteilungsleitern ist hier viel möglich.

Ist der Fachkräftemangel in anderen Ländern ebenso ausgeprägt wie in Deutschland?
Fleer: In Ländern wie z. B. Italien sind die Aussichten für junge Absolventen, einen festen Arbeitsplatz zu finden, deutlich schlechter als in Deutschland. Es gibt wirklich sehr gut ausgebildete und engagierte Fachkräfte, aber jeder weiß, dass die Arbeitslosenrate der unter 25jährigen sehr hoch ist. Ein Problem ist in der Regel ein unflexibles Arbeitsrecht. In Italien ist es z. B. relativ bürokratisch und auch vergleichsweise teuer, Mitarbeiter zu beschäftigen, da die Lohnnebenkosten hoch sind. Es ist außerdem sehr schwer, sich von Mitarbeitern zu trennen.
Gamna: Ich kenne niemanden aus meinem Bekanntenkreis, der, selbst mit sehr guten Noten, Chancen auf einen Arbeitsplatz hat. Die italienische Gesellschaft scheint in der Vergangenheit nicht sehr daran interessiert gewesen zu sein, dass sich die jüngere Generation entwickeln kann. Am Arbeitsmarkt werden häufig eher „Senioren“ mit Berufserfahrung gesucht. Wie soll man da als Einsteiger Erfahrungen sammeln können?
Fleer: Ein Ansatzpunkt wäre ein duales Ausbildungssystem als Alternative zum Studium, was es in Italien leider nicht gibt. Andere Länder, wie zum Beispiel Indien, übernehmen Ideen und Strukturen dieses erfolgreichen deutschen Ausbildungsmodells. Es gibt aber auch Eigeninitiativen von Unternehmen, die sich im Ausland zusammenschließen und gemeinsam Schulen gründen, um dort die Fachkräfte auszubilden, die im Ausland benötigt werden. Solch ein Modell haben wir z. B. gerade in China in der Stadt Taicang gesehen.

BOGE ist offen für solche Initiativen und wir setzen in Zukunft verstärkt darauf, Stellen international auszuschreiben und unseren Mitarbeitern die Möglichkeiten zu bieten, im Ausland auch für einen längeren Zeitraum zu arbeiten. Wir wollen ein internationales Unternehmen sein, bei dem sich Mitarbeiter auf der ganzen Welt wohlfühlen. Z.B. planen wir, ein Summercamp für junge Talente aus allen Fachbereichen unserer weltweiten BOGE Gesellschaften auszurichten, wo Kollegen aus unterschiedlichen Kulturen an Workshops und Trainings teilnehmen. Wir sind sicher, dass wir hierdurch wieder viele Brücken schlagen werden.

Vielen Dank für das Interview!

www.boge.de

Veröffentlicht von

Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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