Auszubildende von KEB Automation, Lenze und Weidmüller sorgen in einem Gemeinschaftsprojekt für höhere Energieeffizienz
Die Industrie ist mit einem Anteil von 38 Prozent einer der größten Energieverbraucher in Deutschland. Dabei gibt es viel Potenzial, den Energieverbrauch zu senken und Ressourcen zu schonen. Ein vielversprechender Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist es, Fabriken von Wechselstrom (AC) auf Gleichstrom (DC) umzurüsten. Fünf Auszubildende der Automatisierungsunternehmen KEB, Lenze und Weidmüller setzten Ende Februar das Konzept „DC-Industrie“ in einem Gemeinschaftsprojekt um.
Die Aufgabe von Jannis Brand und Felix Heiland (Weidmüller), Moritz Drinkuth und Hannes Schneider (Lenze) sowie Marvin Günter (KEB) war klar: Innerhalb von drei Wochen sollten die Auszubildenden eine Standbohrmaschine auf Gleichstromtechnik umbauen und so erste Erfahrungen mit dem Zukunftsthema DC Industrie erlangen. Nun präsentierten sie ihre Ergebnisse.
„Es ist so motivierend, an dem zukunftsorientierten Projekt „DC-Infrastruktur” in der Weidmüller Akademie in Detmold teilnehmen zu dürfen und zu sehen, wie begeistert die Azubis das Projekt Standbohrmaschine mit allen Höhen und Tiefen umgesetzt haben,“ freut sich der Projektkoordinator Thomas Möllerfriedrich von Weidmüller. Auch Hannes Schneider, angehender Mechatroniker bei Lenze, zeigt sich begeistert: „Das Projekt hat uns trotz seiner teils schwierigen Anforderungen gezeigt, dass wir als Azubis mit der Unterstützung einiger Experten in der Lage sind, auch größere Probleme zu meistern.“
Die Auszubildenden betraten mit dem Projekt absolutes Neuland. Nicht nur, dass sie sich als Team finden mussten, auch an das neue Thema DC-Netze mussten sie zuerst herangeführt werden. Sie planten das Projekt eigenständig und wendeten die moderne, agile Projektmanagementmethode SCRUM an.
Nach der Ist-Analyse ging es an die Umbauplanung und die Beschaffung, dann
an den eigentlichen Umbau und die Inbetriebnahme der Anlage. Dabei
erlebten sie live die in Projekten nicht unüblichen Herausforderungen, wie
beispielsweise die Verfügbarkeit von Produkten oder Lieferschwierigkeiten,
und fanden eigenständig Lösungen. „In den drei Wochen haben wir gelernt,
wie komplex Projekte werden können, die uns zu Beginn recht simpel
erschienen“, fasst Marvin Günter, Auszubildender zum Elektroniker für Geräte
und Systeme bei KEB, zusammen.
Im Projekt gab es einiges zu tun: das Team baute einen mobilen EnergieEinspeiser auf, der ein DC-Netz abbildet und integrierte ein Human-MachineInterface (HMI) zur Steuerung und Visualisierung der Anlage, die zukünftig per
„Touch“ bedient werden kann und darüber hinaus auch noch Energiedaten
liefert. Anstelle der mechanischen Drehzahleinstellung kommt nun ein neuer
Motor mit Frequenzumrichter für die elektrische Drehzahleinstellung zum
Einsatz. Mit dem erfolgreichen Projektabschluss konnten die fünf
Auszubildenden zeigen, dass das Konzept funktioniert und für die gewünschten
Verbesserungen sorgt. Die „neue“ Standbohrmaschine wird zukünftig für
Schulungen und Show-Zwecke genutzt.
Bei dem Projekt ging es um nicht weniger als eine Blaupause für die
Umstellung der gesamten Weidmüller Akademie von AC auf DC. In das System
werden später eine Photovoltaik-Anlage (die Gleichstrom erzeugt), ein
Stromspeicher, DC-E-Auto-Ladesäulen und letztlich alle Arbeitsplätze im
Ausbildungszentrum integriert. Der Nutzen ist deutlich, so lassen sich durch
diesen Umbau beispielsweise allein 55 Prozent aller Kupferleitung einsparen.
„Ein DC-Netz kann eine stabile, resiliente und außerdem einfache
Energieversorgung gewährleisten und dabei gleichzeitig Energie und
Ressourcen sparen,“ erklärt David Kater, Entwicklungsingenieur bei KEB, die
Bedeutung des Konzeptes DC-Industrie.
Torben Müller, Ausbilder bei Weidmüller, sieht, dass derartige
Gemeinschaftsprojekte gerade in Zeiten des Fachkräftemangels an Bedeutung
gewinnen: „Das Azubi-Projekt ist für die Auszubildenden und die Region eine
unglaubliche Möglichkeit, die zukünftige Entwicklung der Energieversorgung
mitzugestalten. Auch zeigt es, wie wichtig die Zusammenarbeit der
Ausbildungsbetriebe ist, um die bestmögliche Entwicklung und Ausbildung der
Auszubildenden zu garantieren.“
Der Schlüssel zu einer nachhaltigen Fabrik der Zukunft
Martin Ehlich Mechatronik-Experte im Bereich Innovation bei Lenze, erläutert:
„DC-Fabriken haben in Zeiten volatiler Energieversorgung und knappen
Ressourcen eine große Zukunft. Umso mehr freut es mich, dass die junge
Generation hier als Team in die praktische Umsetzung einsteigt.“
Das Azubiprojekt ist aus dem Forschungsprojekt DC-Industrie2 entstanden, in
dem 39 Partner aus Industrie und Forschung gemeinsam Grundlagen für eine
Gleichstrominfrastruktur in der Industrie erarbeitet haben. Ganze
Produktionshallen lassen sich mit Gleichstrom (DC) aus erneuerbaren Energien
betreiben und die Vorteile sind beachtlich. Einige Beispiele:
- Erneuerbare Energien lassen sich leichter integrieren. Die Fabrik wird somit
zum „Prosumer“ – sie ist gleichzeitig Energieproduzent und -verbraucher. - Durch weniger Wandlungen von AC zu DC und umgekehrt sinken die
Verluste und der Energieverbrauch. - Die Einspeiseleistung aus dem zentralen Versorgungsnetz ist niedriger.
- Gleichstromanlagen haben eine höhere Verfügbarkeit, denn sie laufen aus
eigenen Speichern weiter, wenn das Versorgungsnetz ausfällt. - Die für energieeffiziente Antriebe notwendigen Umrichter werden kleiner
(bis zu 25 Prozent geringeres Volumen). Viele Komponenten, die bei
Wechselstrom benötigt werden, können gänzlich entfallen.
„Mit der erfolgreichen Durchführung des Projekts konnten wir nicht nur unser
Netzwerk erweitern, sondern auch wertvolle Beziehungen zu Experten
aufbauen. Diese Kontakte könnten uns in Zukunft auch bei ähnlichen Projekten
unterstützen“, freut sich Jannis Brand, Auszubildender zum Fachinformatiker
für Anwendungsentwicklung bei Weidmüller.