„Unser altes Datensystem war technisch irgendwann nicht mehr up-to-date und konnte nicht mehr aktualisiert werden. Wir brauchten eine neue Lösung, die die Daten auch ins Warenwirtschaftssystem SAP schickt. Mit der Kombination aus Mobilcomputer und App können wir nun Bauteile den jeweiligen Bauobjekten zuordnen und über unsere Erfassungssysteme auswerten. Das machen wir inzwischen auf allen unseren Gasbaustellen in Thüringen so.“ (Wolfgang Prüger, Fachingenieur für den Bereich Leitungsnetze bis fünf Bar bei den Thüringer Energienetzen)
Ohne sie wären 1,1 Millionen Menschen in Thüringen, Teilen Sachsens und Sachsen-Anhalts ohne Energie: Die Thüringer Energienetze GmbH liefert Erdgas und Strom über ein rund 6600 Kilometer langes Gasverteilungsnetz. Das Netz selbst besteht aus vielen unterschiedlichen Bauteilen wie Rohren, Formteilen, Winkeln, Abzweigungen, Absperreinrichtungen und vielen weiteren.
Die Thüringer Energienetze erfassen, wo welches Bauteil liegt. Das ist hilfreich, wenn Bauteile Mängel oder Ermüdungserscheinungen zeigen und ersetzt werden müssen. Erst recht, wenn ein Hersteller Qualitätsmängel feststellt und Teile im Nachgang kontrolliert werden müssen – nachdem sie zwischenzeitlich vielleicht schon verbaut wurden und bereits im Erdreich liegen.
Schon früh vertrauten die Thüringer Energienetze daher auf ein Datensystem, um alle Bauteile zu erfassen. Doch mit der Zeit war das System technisch verschlissen. Wolfgang Prüger, bei den Thüringer Energienetzen Fachingenieur für den Bereich Leitungsnetze bis fünf Bar: „Unser altes Materialerfassungssystem war technisch irgendwann nicht mehr up-to-date und konnte nicht mehr aktualisiert werden. Die eingesetzte Hardware konnte nicht mehr repariert werden. Wir brauchten eine neue Lösung, die die Daten auch ins Warenwirtschaftssystem SAP schickt.“
App auf Handheld Computer dokumentiert Lage von Bauteilen mit Fotos
Auf der Suche nach möglichen Anbietern, die Mobilcomputer liefern und kundenspezifische Apps dafür programmieren können, landen die Thüringer Energienetze schnell bei der AISCI Ident GmbH. Die Aufgabe ist wie geschaffen für eine Erfassungslösung mit Handheld Computer:
- Daten von Bauteilen erfassen, etwa durch das Scannen der Strichcodes oder durch Eingabe der Teiledaten,
- Fotos von der Baustelle und der Positionierung der Bauteile oder Rohre machen,
- Bilder komplett mit GPS-Informationen an eine Datenbank senden.
„Das funktioniert in etwa wie ein elektronisches Klemmbrett“, beschreibt Peter Ciolkowski, Geschäftsführer und Entwickler bei AISCI Ident. Ein sehr fortschrittliches elektronisches Klemmbrett: Die AISCI Ident empfahl Anfang 2019 den Thüringer Energienetzen als geeignete Hardware einen Handheld Computer der Marke CipherLab. Auf dieser Basis startet ein gemeinsames Projekt zur Erstellung einer Komplettlösung aus Hard- und Software. Mit den Methoden des agilen Projektmanagements entwickeln die Partner die spezifischen Anforderungen und Möglichkeiten.
Die Thüringer Energienetze werden zu Beginn der Zusammenarbeit mit Probegeräten und einer App mit Grundfunktionen ausgestattet, um verschiedene Funktionen selbst in der Praxis ausprobieren zu können. „Manche Kollegen waren skeptisch“, erinnert sich Prüger, „aber nichtsdestotrotz haben wir aus der Kritik auch vieles gelernt.“
Nach und nach kristallisiert sich heraus, was Mobilcomputer und App können müssen. Die AISCI Ident beginnt, die App zu modifizieren. Bereits Mitte 2019 ist eine erste Fassung fertiggestellt, weniger als ein halbes Jahr nach Projektstart. Im Februar 2020 ist die erste Vollversion der App fertig. Nach und nach entstehen weitere Ideen, mit denen die Materialerfassung anwenderfreundlicher und immer leistungsfähiger wird.
Mobilcomputer und App machen digitales Leitungskataster möglich
Zum Leistungsumfang gehören nun:
- Erfassung der Strichcodes auf Material und Bauteilen, die Firmen im Auftrag der Thüringer Energienetze im Erdgas-Leitungsnetz unter der Erde verbauen.
- Übertragung der Material- und Bauteile-Listen in das Warenwirtschaftssystem SAP der Thüringer Energienetze per mobilem Internet.
- Anfertigung von Fotos, die belegen, an welcher Position welches Bauteil liegt – aufschlussreich zum Beispiel für Hausanschlüsse und weitere Leitungen im Erdreich.
- Die Thüringer Energienetze können Auftragsdaten für ihre Auftragnehmer per Mobilfunk direkt in den entsprechenden Mobilcomputer übertragen – so funktioniert das System auch als Materialliste für den Auftragnehmer. Der Datenfluss funktioniert in beide Richtungen: Beide Seiten können jederzeit Materiallisten und Auftragsdaten anpassen.
- Ausführende Unternehmen können vor Ort Materialprotokolle und Fotos anfertigen, um den Verlauf der Leitungen und das Voranschreiten der Bauarbeiten zu dokumentieren.
- Ausführende Unternehmen können Daten über Schnittstellen an ihr jeweiliges Abrechnungsprogramm exportieren, unter anderem auch für Rechnungen und Zwischenabrechnungen.
- Fotos werden automatisch dem jeweiligen Objekt bzw. Auftrag zugeordnet und können so die Qualität der Arbeiten dokumentieren – interessant zum Beispiel im Reklamationsfall.
- Thüringer Energienetze können kontrollieren, ob Material und Bauteile gemäß den Vorgaben eingesetzt wurden.
- Kontrolle der Bauarbeiten ist in gewissem Umfang möglich, ohne die Baustelle persönlich in Augenschein nehmen zu müssen (z.B. Leitungsabstände, Mauerwerk).
- GPS-Daten (wenn möglich) ergänzen die Dokumentation.
- Bauteile können eingescannt oder per Hand eingegeben werden.
- Übertragungsfehler bei der Arbeit mit Stift und Papier werden ausgeschlossen.
„Wir haben die App gemeinsam entwickelt“, sagt Peter Ciolkowski, „es fing mit einem einfachen 2D-Strichcode-Scanner an.“ Der erweiterte Funktionsumfang kommt auch bei den Partnern der Thüringer Energienetze gut an: „Das ist auch von den Rohrleitungsbaufirmen gut aufgenommen worden, das spart den Mitarbeitern Zeit und schafft uns eine ordentliche Datenlage“, sagt Prüger.
Baufirmen kaufen Mobilcomputer ein
Die Auftragsnehmer der Thüringer Energienetzwerke kaufen die Mobilcomputer selbst ein, um die Software und Updates kümmert sich der Energieversorger. Erste Bedenken während der Probezeit zerstreuten sich nach einer Eingewöhnungszeit und wurden durch positives Feedback über eingesparte Arbeitszeit ersetzt. Inzwischen arbeiten rund acht Rohrleitungsbaufirmen mit insgesamt 25 der Mobilcomputer.
Prüger: „Mit der Kombination aus Mobilcomputer und App können wir nun die Bauteile den jeweiligen Bauobjekten zuordnen und über unsere Erfassungssysteme auswerten. Das machen wir inzwischen auf allen unseren Gasbaustellen in Thüringen so. Die Zusammenarbeit mit der AISCI Ident war sehr befruchtend, sehr innovativ.“
AISCI Ident
1995 am heutigen Standort Bad Salzuflen gegründet, hat sich die AISCI Ident GmbH zu einem der führenden Systemhäuser für Auto-ID-Systeme in Deutschland entwickelt. Neben dem Vertrieb von Systemen zur Erzeugung und Erfassung von Barcodes bietet das Unternehmen umfangreiche Beratungs- und Serviceleistungen rund um Barcode-Hard- und -Software.
Als Systemhaus realisiert AISCI darüber hinaus auch komplexe Auto-ID-Projekte in den Bereichen Produktion, Handel, Logistik und angrenzenden Industriezweigen. Zu den Kunden zählen unter anderem Arvato, Chefs Culinar, Klöckner Stahl, Meyer Werft, Mr. Wash, Norddeutsche Landesbank und Tchibo.