Hannover. Robotik dringt in immer mehr Bereiche unserer Lebens- und Arbeitswelt vor. Wie ist der aktuelle Stand der Technik, wo liegen die interessantesten Einsatzbereiche und wer bestimmt die ethischen Grenzen? Eindeutige Antworten und spektakuläre Robo-Showcases gibt’s auf der CEBIT.
Voll im Trend: Roboter erkennen Emotionen und erlernen Tätigkeiten
Auf der CEBIT geben die neuesten humanoiden und kollaborativen Roboter (im Fachjargon: Cobots) Live-Kostproben ihres Könnens. So verblüfft der rund 1,20 Meter große Pepper von SoftBank Robotics nicht nur mit seiner Mimik und Sprachbegabung; er kann auch auf menschliche Emotionen reagieren und beispielsweise als smarter Mitarbeiter im Einzelhandel Fragen zu bestimmten Produkten beantworten. Für die CEBIT hat das japanische Unternehmen ein Software Development Kit angekündigt, um Programmierern die Entwicklung von Android-Apps für den humanoiden Roboter zu erleichtern. Außerdem zeigt Pepper, wie er mit einer neuen Chatbot-Funktionalität bei der Suche nach Hotels oder Flügen hilft (Halle 17, Stand B44).
Ebenfalls in Halle 17 (Stand E16) präsentiert Asseco den kooperativen Roboter „Panda“ von Voith Robotics. Panda zeigt seine Interaktion mit einem ERP-System und damit seine Einbettung in die Geschäftsprozesse eines Unternehmens.
Dass Maschinenmenschen in Fabrik- und Lagerhallen arbeiten, ist nichts Ungewöhnliches mehr. Doch bisher sind sie in der Regel auf eine einzige Aufgabe spezialisiert und durch Absperrungen von ihren Kollegen aus Fleisch und Blut getrennt. Der Service-Roboter ARMAR-6 aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kann dagegen mit menschlichen Kollegen zusammenarbeiten und ihnen mit Hammer oder Bohrmaschine zur Hand gehen. Darüber hinaus ist ARMAR-6 in der Lage, durch pure Beobachtung den Gebrauch neuer Werkzeuge zu erlernen. Die aktuelle Generation der Roboterfamilie ist Teil des EU-Projekts SecondHands, das die Automatisierung im industriellen Umfeld fördern soll (27, G52).
Wertvolle Helfer für die Uni und die Rehabilitation
Welche Chancen und Risiken sind mit der Künstlichen Intelligenz in der Robotik verbunden? Und was lässt sich damit erreichen? Diesen Fragen widmet sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem Projekt H.E.A.R.T. (Humanoid Emotional Assistant Robots in Teaching). Die CEBIT soll veranschaulichen, wo lernende Systeme zum Wohle des Menschen Verwendung finden können. Denkbar sind zum Beispiel humanoide Roboter, die den Unterricht an Universitäten ergänzen oder Studierende beraten (27, E52).
Auch für die medizinische Nachsorge bieten robotische Systeme ein enormes Potenzial. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) zeigt in Hannover ein tragbares Ganzkörper-Exoskelett für Opfer eines Schlaganfalls. Bei der Steuerung stehen dem Patienten oder einer Betreuungsperson mehrere Optionen zur Verfügung. So lässt sich durch die Bewegung eines Arms der andere mitbewegen. „Mit RECUPERA-Reha schlagen wir einen neuen Weg in der Mensch-Roboter-Interaktion ein, der zu einer nachhaltigen Verbesserung der Rehabilitation führen kann“, kommentiert Prof. Frank Kirchner, Leiter des Robotics Innovation Centers am DFKI (27, F62).
Robo-Coding für alle und Gehirne für künstliche Körper
Wer mal selbst einen Roboter programmieren möchte, hat auf der CEBIT Gelegenheit dazu: Beim Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS können Besucher die spielerisch bedienbare Software NEPO ausprobieren. „Die Grundlagen der Künstlichen Intelligenz sollten nicht nur Fachleute begreifen“, betont Projektleiterin Beate Jost. „Mit NEPO wenden wir uns an die Öffentlichkeit, um die Grundlagen dieses Fachwissens aus den Köpfen unserer Expertinnen und Experten in der Gesellschaft zu verankern.“ Neben dem humanoiden Roboter NAO steht am Fraunhofer-Stand auch der Staubsauger-Roboter Kobold VR200 zum Coden bereit (27, E78).
An einem faszinierenden Human Brain-Projekt arbeitet der Lehrstuhl für Robotik, Künstliche Intelligenz und Echtzeitsysteme der Technischen Universität München: Die Neurorobotics Platform soll Gehirnmodelle simulieren, die aus neuronalen Netzwerken bestehen und einen künstlichen Körper steuern. Auf der CEBIT ist das Ganze in Aktion zu erleben (27, F82).
Event-Tipps: ein genialer Robotik-Guru, Maschinen-Liebe und die einzig wahre Metal-Band
Eines der absoluten CEBIT-Highlights ist sicherlich der Auftritt von Marc Raibert, Gründer & CEO der US-Firma Boston Dynamics: Der visionäre Wissenschaftler möchte am CEBIT-Dienstag, 12. Juni in einer Keynote mit dem Titel „The Future of Robotics“ exklusive Einblicke in die aufregende Zukunft der Robotik geben (Halle 27, Grand Central Stage, 18 Uhr). Boston Dynamics sorgt weltweit für Schlagzeilen mit laufenden Robotern und plant für 2019 die Markteinführung des revolutionären Roboter-Hundes SpotMini, den die Besucher auf der CEBIT-Bühne in Aktion erleben können.
Ebenfalls am Dienstag ab 17 Uhr spielt die Roboterband Compressorhead open-air auf der Festival Stage. Die womöglich einzige echte Metal-Band der Welt jammt auf echten Instrumenten und bringt mehr als drei Tonnen Gewicht auf die Bühne.
Was bedeutet es, wenn sich Menschen in Maschinen verlieben? Dieser spannenden Frage stellen sich am Donnerstag, 14. Juni Florian Krause vom Institut für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen (Schweiz) und die Juristin Iris Phan von der Leibniz Universität Hannover. Der Titel ihres Vortrags lautet: „Love and Sex with Robots“ (Halle 13, Expert Stage, 15.10 Uhr).
Prognose: mehr als drei Millionen Roboter im Jahr 2020
Nach einer Prognose der International Federation of Robotics werden 2020 bereits mehr als drei Millionen Roboter in Fabriken rund um den Globus tätig sein. Der technologische Wandel sorgt für Produktivitätssteigerungen und neue Arbeitsmodelle in vielen Branchen, bei denen der Fokus auf der Mensch-Maschine-Kollaboration liegt.
Neben der Industrie sieht die Unternehmensberatung IDC erhebliches Potenzial im Sicherheits-, Ausbildungs- und Consumer-Bereich. „Roboter mit innovativen Fähigkeiten treiben hierzulande deren Verbreitung voran und ermöglichen neue Anwendungen im Gesundheitswesen, in Versicherungen, im Bildungswesen und Einzelhandel“, erklärt IDC-Geschäftsführer Wafa Moussavi-Amin. „Es wird spannend sein zu beobachten, wie schnell Westeuropa und damit auch Deutschland an Vorreiter aus dem Raum Asia-Pacific, Japan und den USA aufschließen kann.“