Ibbenbüren / Gütersloh – Meilenstein für die Energiewende: Das Kesselhaus und der Kühlturm des ehemaligen Steinkohlekraftwerks gingen am 6. April zu Fall. Die Hagedorn Unternehmensgruppe und die Amprion GmbH markieren damit einen bedeutenden Schritt in der nachhaltigen Nutzung des Standorts
Das Projekt am ehemaligen Kraftwerk Ibbenbüren ist ein Paradebeispiel für die Nutzung bestehender Infrastrukturen: Auf dem Gelände des 2021 stillgelegten Steinkohlekraftwerks entsteht eine moderne Konverterstation, die Offshore-Windstrom ins Stromnetz einspeisen wird. Mit der erfolgreichen Sprengung des Kesselhauses und dem gezielten Rückbau des Kühlturms wurde nun ein bedeutender Meilenstein erreicht. Die Hagedorn Unternehmensgruppe, Eigentümerin des Areals seit 2023, bereitet die Fläche bis zum Sommer 2026 baureif vor, um sie an den Übertragungsnetzbetreiber Amprion zu übergeben. Damit erfolgt der Wandel von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien – ein wichtiger Schritt für die Energiewende. Die Sprengung am Sonntag verfolgten über 350 eingeladene Gäste. Grußworte des NRW-Umwelt- und Verkehrsministers Oliver Krischer und des Bürgermeisters Dr. Marc Schrameyer würdigten die Bedeutung des Projekts für die Region und das Land NRW.
Oliver Krischer: „Die Sprengung dieses ehemaligen Steinkohlekraftwerks ist ein Sinnbild für die Energiewende in unserem Land. Hier in Ibbenbüren wird der Übergang von fossilen zu erneuerbaren, klimafreundlichen Energieträgern sichtbar. Hier treiben wir den grundlegenden Strukturwandel voran und gehen den nächsten Schritt. Mit dem Einsatz innovativer Technologien wie dem neuen Konverter holen wir Offshore-Windstrom nach Nordrhein-Westfalen.“
Auch Thomas Hagedorn, geschäftsführender Gesellschafter der Hagedorn Unternehmensgruppe, betont: „Was hier passiert, ist ein Musterbeispiel für gelungenen Strukturwandel: Wir verwandeln eine Industriebrache in ein Zukunftsgelände – ohne neue Flächen zu versiegeln. Die erfolgreiche Sprengung heute war ein Meilenstein dieses Großprojektes. Sie verlangte Präzision, Sicherheit, Verantwortung und echtes Teamwork. Und unser Team hat geliefert – nicht nur heute, sondern Tag für Tag. Dafür ein großes Dankeschön. Mein Dank gilt auch unserem Partner Amprion und allen Beteiligten – hier haben alle angepackt und an einem Strang gezogen“,
Mit der Übergabe der baureifen Fläche an Amprion Mitte 2026 wird der Grundstein für das Offshore-Netzanbindungssystem BalWin2 gelegt. Die Konverterstation für BalWin2 wird gezielt auf einer Industriebrache errichtet, um Eingriffe in Natur und Landschaft zu minimieren. Die bestehende Stromleitung des ehemaligen Kraftwerks wird für die Anbindung des Konverters an die Umspannanlage Westerkappeln genutzt.
„Kohle geht, Wind kommt – das hat symbolischen Charakter für Nordrhein-Westfalen. Wir werden das Projekt zwei Jahre früher als geplant in Betrieb nehmen. Die erfolgreiche Sprengung ist ein bedeutender Schritt auf diesem Weg. Mein besonderer Dank gilt der Hagedorn Unternehmensgruppe und der Stadt Ibbenbüren für die ausgezeichnete Zusammenarbeit“, sagt Peter Barth, Geschäftsführer der Amprion Offshore GmbH.
Mit der Umsetzung von BalWin2 wird Amprion erstmals Offshore-Windparks direkt in Nordrhein-Westfalen anschließen – ein Meilenstein für die nachhaltige Energieversorgung der Region und darüber hinaus.
Hintergrundinfos zur Sprengung
Über Monate bereiteten das Abbruch-Team von Hagedorn und das Team der Deutschen Sprengunion, ebenfalls Teil der Hagedorn Gruppe, die Sprengung des Kesselhauses und den Rückbau des Kühlturms vor. Rund 150 Experten waren an den Vorbereitungen und der Durchführung beteiligt. Hinzu kamen am Tag der Sprengung rund 100 Einsatzkräfte von Polizei, Ordnungsamt, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk (THW).
500 Kilogramm Sprengstoff waren insgesamt nötig, um das 19.500 Tonnen schwere Kesselhaus und den 9000 Tonnen schweren Luftvorwärmer gezielt zu Fall zu bringen. Vier der insgesamt zehn Stützen des 120 Meter hohen Kesselhauses wurden mithilfe von Schneidladungen gezielt durchtrennt, während die übrigen sechs durch eine Wasservollraumsprengung zum Einsturz gebracht wurden. Zur Reduzierung der Aufprallerschütterungen wurden drei Fallbetten vorbereitet. Um den Streuflug zu minimieren, wurden verschiedene Schutzmaßnahmen getroffen: Treppentürme erhielten eine Umhüllung aus Vliesmaschendraht, Vollraumstützen wurden mit Holzverschlägen und Maschendrahtgeflechten gesichert, und Gummimatten wurden vor den Diagonalstützen angebracht.
Zur Staubreduzierung kamen darüber hinaus 30 mit je zwei Kubikmetern Wasser gefüllte Pools zum Einsatz. Beim Einsturz wurden die Sprengschnüre im Wasser gezündet, wodurch eine Wasserwand entstand, die den aufwirbelnden Staub effektiv binden und dessen Ausbreitung minimieren konnte.
Beim 125 Meter hohen Kühlturm kam hingegen eine besondere Stahlseiltechnik zum Einsatz. Um das Gebäude gezielt zum Einsturz zu bringen, wurden 21 Schlitze in die Turmstruktur eingefräst. Diese Schlitze , jeweils 11 Meter lang und 50 Zentimeter breit, befanden sich in einer Höhe zwischen 22 und 32 Metern. Die Schlitze dienten vor allem dazu, das Bauwerk gezielt zu schwächen, sodass es seine Stabilität verliert und beim Einsturz kontrolliert in sich zusammensackt.
Zusätzlich wurden zwischen den Fräspunkten Ösen angebracht, durch die ein Stahlseil mit einem Durchmesser von acht Zentimetern und einer Länge von 230 Metern gezogen wurde. Ein weiteres Stahlseil war im Inneren des Turms installiert und mit dem äußeren Seil verbunden. Mithilfe eines Litzenzuggeräts konnten diese Seile unter Spannung gesetzt werden. Zwei unbemannte Bagger mit einem Gewicht von jeweils 100 Tonnen dienten dabei als Gegengewicht.Der Einsturzprozess erfolgte schrittweise: Durch das Spannen der Seile wurde der Turm langsam zusammengezogen, bis er schließlich kollabierte. Der Großteil des abbrechenden Betons stürzte in die mit Wasser gefüllte Kühlturmtasse, wodurch die Staubentwicklung minimiert wurde.
Der Kühlturm wurde nicht gesprengt, weil in den Stützen asbesthaltige Abstandshalter verbaut sind und so der Austritt gesundheitsgefährdender Asbestfasern verhindert wurde, um höchste Sicherheit für Mensch und Umwelt zu gewährleisten.
Ein Großteil der durch die Sprengung angefallenen Materialien wird weiter zerkleinert, getrennt und so weit wie möglich recycelt und vor Ort wiederverwendet. Während des gesamten Rückbauprozesses wird darauf geachtet, möglichst viele Stoffe wieder in den Kreislauf zurückzuführen. Ziel ist es eine Recyclingquote von bis zu 97 Prozent zu erreichen. So sollen natürliche Ressourcen geschont sowie zusätzliche Transporte möglichst vermieden werden.