Zahlreiche industrielle Produktionsanlagen, Kraftwerke und Entsorgungsanlagen unterliegen seit 2013 im Rahmen der Anlagenüberwachung regelmäßigen behördlichen Vor-Ort-Besichtigungen (sogenannten Umweltinspektionen). Die Art, wie diese Umweltinspektionen durchgeführt werden, wie festgestellte Mängel bewertet werden und wie ggf. eine Veröffentlichung des Umweltberichts zu erfolgen hat, ist zwischen Anlagenbetreibern und Überwachungsbehörden oft streitig.
Berichte über Vor-Ort-Besichtigungen einer Anlage (Umweltinspektionsberichte) sind der Öffentlichkeit „nach den Vorschriften über den Zugang zu Umweltinformationen“ innerhalb von vier Monaten nach der Umweltinspektion zugänglich zu machen (§ 52a Abs. 5 B I m S c h G ). Das BIm- SchG verweist hier pauschal auf die Vorschriften des Umweltinformationsrechts (UIG). Danach besteht einen Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, der an keinerlei weitere Voraussetzungen geknüpft ist, für den ein Antragsteller auch kein „rechtliches Interesse“ darlegen muss (§ 3 UIG). Das Land Nordrhein-Westfalen hat auf der Basis eines Erlasses des zuständigen Ministeriums eine Verwaltungspraxis eingeführt, die eine Veröffentlichung von Umweltinspektionsberichten im Internet vorsieht.
Außerdem ist eine Einteilung festgestellter Mängel in mehrere Kategorien – unter anderem „leicht“ oder „erheblich“ – in dem Erlass vorgesehen. Der Erlass sieht vor, einen Mangel bereits dann als erheblich einzustufen, wenn er zu einer Umweltbeeinträchtigung führen kann. Das ist eine sehr weit gefasste Definition, die jedenfalls nach ihrem Wortlaut jede noch so unwahrscheinliche Möglichkeit einer eventuell erst in ferner Zukunft eintretenden Umweltbeeinträchtigung erfasst.
Diese Verwaltungspraxis des Landes NRW wird in einer im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Entscheidung des VG Arnsberg vom 10.06.2014 – 4 L 867/13 – mit Recht als bedenklich eingestuft. Zwar geht das VG Arnsberg davon aus, dass eine Veröffentlichung von Umweltinspektionsberichten im Internet als solche von der Gesetzeslage noch abgedeckt ist. Zwingend vorgesehen ist das aber nicht, denn das Umweltinformationsrecht kennt ansonsten grundlegend den Zugang zu Umweltinformationen auf Antrag. Insofern ist die Praxis der Veröffentlichung von Inspektionsberichten im Internet zwar nicht zwingend, aber als solche wohl auch nicht unzulässig. Für die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts mit einem Mangel, den die Behörde als „erheblich“ einstuft (was ja nicht einmal richtig sein muss), sieht das VG Arnsberg aber – ebenso mit Recht – die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung, die aber nicht vorliegt.
Das Gericht ist der Auffassung, die Veröffentlichung eines Umweltinspektionsberichts, der dem Anlagenbetreiber „erhebliche Mängel“ in seinem Bericht attestiert, stelle einen intensiven Eingriff in dessen Berufsausübungsfreiheit und dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Abgesehen davon sei die Definition eines „erheblichen Mangels“ in dem Erlass des zuständigen NRW-Umweltministeriums unverhältnismäßig weit gefasst. Dem Leser des Umweltinspektionsberichts werde durch diese Bewertung suggeriert, dass in der überwachten Anlage ein umweltrelevanter Missstand vorliege, der über das Maß eines „normalen“ oder „einfachen“ Mangels hinausgehe. Das könne im Einzelfall bewirken, dass in der Öffentlichkeit, aber auch bei Kunden oder Geschäftspartnern des Anlagenbetreibers ein unzutreffender Eindruck über das Ausmaß der Umweltbeeinträchtigungen durch die inspizierte Anlage entstehe.
Die Entscheidung des VG Arnsberg zeigt im Weiteren auch auf, wie schnell eine Behörde unter Zugrundelegung der Erlasskriterien zu der Auffassung kommen kann, ein bestimmter Zustand einer Industrieanlage sei als „Mangel“ einzuordnen. In dem vom Gericht entschiedenen Fall war in einer Nebenbestimmung zur Genehmigung bestimmt, dass „die nach Angabe des Herstellers erforderlichen Einsatzteile der Abluftreinigungsanlage … vorrätig zu halten“ seien. Daraus hatte die Behörde entnommen, dass der Anlagenbetreiber vor Ort Ersatzfilterschläuche vorhalten müsse (was nicht der Fall war), und ordnete das Fehlen der Ersatzschläuche als erheblichen Mangel ein.
Dem folgt das VG Arnsberg richtigerweise nicht, weil sowohl die Nebenbestimmung als auch die gesetzliche Vorsorgeregelung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu allgemein gefasst sind, als dass daraus ein konkretes Vorsorgeniveau herzuleiten sein könnte. Damit ist angesichts der vielfach sehr allgemein gehaltenen Nebenbestimmungen einer Anlagengenehmigung ebenfalls ein allgemeines Problem angesprochen. Würde man nämlich der behördlichen Ansicht folgen, so könnte die zuständige Überwachungsbehörde eine unpräzise formulierte Nebenbestimmung beliebig mit einem von ihr nachträglich für notwendig gehaltenen Inhalt füllen und Abweichungen von diesem Standard „nach unten“ als Mangel qualifi zieren und veröffentlichen.