IHK Nord Westfalen kritisiert Komplexität und Praxisferne
Münsterland/Emscher-Lippe-Region. – Die Vollversammlung der IHK Nord Westfalen fordert Nachbesserungen an den EU-Regelungen zu Sustainable Finance. Mit der Taxonomie und den umfangreichen Berichts- und Offenlegungspflichten zur Nachhaltigkeit will die EU letztendlich die Kreditvergabe an Unternehmen zukünftig davon abhängig machen, ob und in welchem Umfang die Unternehmen vor allem Klima- und Umweltziele einhalten. Ein entsprechendes Positionspapier, in der die Kritikpunkte der regionalen Wirtschaft aufgeführt sind, verabschiedete die Vollversammlung gestern Abend (1. Juni) während ihrer Sitzung in Münster.
Nach Einschätzung der Vollversammlung besteht die Gefahr, dass das EU-Regelwerk den Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft nicht fördern, sondern hemmen wird. Beispielsweise, wenn Unternehmen aus energieintensiven Branchen nur schwer oder zu schlechteren Konditionen an Kredite oder Fördermittel kommen. Zudem befürchtet die Vollversammlung, in der 87 Unternehmerinnen und Unternehmer das Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft vertreten, dass Branchen mit aktuell hohen Emissionswerten insgesamt benachteiligt werden, wodurch sich der Umbau verzögere. Kritisch sehen die Unternehmen insbesondere den „unverhältnismäßig hohen Bürokratie- und Dokumentationsaufwand“, der aus der „Komplexität und Praxisferne“ der Regelungen resultiere.
Mit der Positionierung folgte das wichtigste Gremium der IHK Nord Westfalen dem Entwurf eines Arbeitskreises von 15 Unternehmen und Kreditinstituten aus dem Münsterland und der Emscher-Lippe-Region. Während die IHK die Zielsetzung von Sustainable Finance insgesamt unterstützt, „bereitet der aktuelle Umsetzungsstand des EU-Regelwerks der regionalen Wirtschaft große Sorgen“, berichtete IHK-Vizepräsident Carsten Sühling, Sprecher des Arbeitskreises und Geschäftsführer der Spaleck GmbH & Co (Bocholt). Er betonte angesichts von Rezession, Inflation und Energiekrise: „Die Transformation in eine nachhaltige und gleichermaßen wettbewerbsfähige Wirtschaft kann nur dann gelingen, wenn die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales in Einklang gebracht werden.“ Die regionale Wirtschaft stehe zu 100 Prozent auch zur ökologischen Nachhaltigkeit. Das habe die Vollversammlung schon vor zwei Jahren mit dem Beschluss der „Grundsätze für nachhaltiges Wirtschaften“ klargestellt. „Die Unternehmen in Nord-Westfalen wissen, dass ihre Zukunftsfähigkeit nur durch nachhaltiges Wirtschaften zu sichern ist“, sagte Sühling. Es gebe aber das Versprechen, bei dieser ökologischen Transformation „möglichst alle Unternehmen mitzunehmen“. Nicht zu vermeidende Zielkonflikte müssten deshalb mit Augenmaß gelöst werden, ohne eine der drei Säulen für nachhaltiges Wirtschaften in ihrem Fundament zu gefährden.
Jürgen Wannhoff, Vizepräsident des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe und Mitglied im Geld- und Kreditausschuss bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), hatte den Mitgliedern der Vollversammlung zuvor einen konkreten Einblick in das Regelwerk der EU-Taxonomie gegeben. „Die Transformation der Wirtschaft kann nur gelingen, wenn wir Nachhaltigkeit fördern, statt sie zu hemmen“, ist Wannhoff überzeugt. Insbesondere die Betriebe, die aktuell noch nicht alle ökologischen Kriterien erfüllten, benötigten daher eher mehr als weniger Zugang zu frischem Kapital, so Wannhoff.
Internettipp: www.ihk.de/nw/positionen