Bielefeld – Der Bankenverband Bielefeld übernimmt künftig pro Semester eine Lehrveranstaltung im BWL-Studium an der FH Bielefeld. Den Anfang macht Verbandssprecher Frank Brüggemann von der Commerzbank im Rahmen der Vorlesung „Finanzmanagement“ am 12. Dezember dieses Jahres. Zur Vorbereitung traf sich der Gastdozent mit Studierenden und Lehrenden in der Commerzbank-Filiale am Jahnplatz und stellte sich kritischen Fragen.,
Hendrik Merz hat sich ganz bewusst für ein BWL-Studium an der Fachhochschule (FH) Bielefeld entschieden: „Nach meiner Ausbildung zum Industriekaufmann wollte ich unbedingt auch im Studium die enge Verzahnung mit der Praxis haben. Da war es naheliegend, an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften wie der FH Bielefeld zu studieren.“ Die von Merz gewünschte Praxisnähe gibt es in diesem Wintersemester auf eine ganz besondere Art: Mit Frank Brüggemann, Sprecher des Bankenverbandes Bielefeld und Niederlassungsleiter der Commerzbank Bielefeld und Gütersloh, kommt ein ausgewiesener Experte für eine Lehrveranstaltung in die Vorlesung „Finanzmanagement“ und referiert unter der Überschrift bankenverband@fh-lectures.bi über das brandaktuelle Thema „Kapitalanlagen in Zeiten von Inflation und Klimakrise“.
Fest in die Vorlesung integriertes Angebot: Wie passen Theorie und Praxis zusammen?
Initiiert haben die Kooperation mit dem Bankenverband Prof. Dr. Andreas Uphaus, im Fachbereich Wirtschaft zuständig für das Lehrgebiet Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzwirtschaft und Rechnungswesen, sowie Prof. Dr. Bodo von Rüden, zuständig für das Lehrgebiet Volkswirtschaftstheorie und -politik. „Wir hatten bereits in der Vergangenheit Veranstaltungen mit Vertretern des Bankenverbandes. Aber das waren eher freiwillige Zusatzevents für die gesamte Hochschulöffentlichkeit. Jetzt ist das Angebot fest in eine Vorlesung integriert und damit sozusagen Teil des Lehrplans. Die Studierenden sollen in der Veranstaltung aus erster Hand erfahren, wie das, was wir in der Theorie vermitteln, in der praktischen Umsetzung aussieht und wo Theorie und Praxis auseinanderlaufen.“
In der Vorlesung „Finanzmanagement“ geht es im Wesentlichen um die Führung der Finanzen eines Unternehmens. Uphaus: „Das bedeutet konkret: Cash- und Liquiditätsmanagement inklusive Finanzplanung, finanzwirtschaftliches Risikomanagement durch Absicherung gegen Finanzrisiken wie Währungs- und Zinsschwankungen, aber auch Preisschwankungen, Eigen- und Fremdkapitalaufnahmen sowie Asset-Management, also die Betreuung eines Finanzportfolios.“
Transfer in beide Richtungen: Einblick in die Praxis UND kritisches Hinterfragen aus der Wissenschaft
„Die Reflexion ist jedoch keine Einbahnstraße“, ergänzt Prof. Dr. Bodo von Rüden: „Die Veranstaltung mit Bankdirektor Brüggemann ist zeitlich und thematisch so eingebettet in den regulären Vorlesungsplan, dass sich die Studierenden zuvor schon mit Aktien- und Anleihenmärkten und den dort wirkenden Mechanismen auseinandergesetzt haben. Damit sind sie zumindest in Ansätzen bereits in der Lage, die Leistungen und Limitierungen der Portfoliotheorie mit einem erfahrenen Banker zu erörtern. Darüber hinaus haben Sie auch das Rüstzeug, kritische Fragen zu stellen – zum Beispiel nach einer verlässlichen privaten Alterssicherung oder nach wirklich nachhaltigen Investmentfonds.“
Einen Vorgeschmack auf diesen Transfer in beide Richtungen gab es jetzt bei einer Vorbesprechung der Lehrveranstaltung in den Räumen der Commerzbank am Bielefelder Jahnplatz. Neben den Professoren Uphaus und von Rüden trafen hier Hendrik Merz und Denise Werner, die ebenfalls BWL an der FH Bielefeld studiert, auf den Bankdirektor. Dieser zeigte keinerlei Berührungsängste: „Ich gebe mein Wissen gern weiter und habe Spaß an der Debatte. Die Arbeit mit jungen Leuten wie unseren Azubis und den praxisintegriert Studierenden macht mir sehr viel Freude. Deshalb war es für mich keine Frage, eine Veranstaltung im Rahmen der Vorlesung anzubieten.“
Drei Billionen Euro, für die es keine Zinsen gibt: Inflation sorgt für starken Werteverlust
Die Kooperation ist für Brüggemann eine gute Gelegenheit, mit potenziellem Bank-Nachwuchs in Kontakt zu kommen. Generell will er das Thema Kapitalanlage bei jungen Leuten populärer machen: „In der Schule werden Kapitalanlagen so gut wie gar nicht behandelt. Und auch an den Hochschulen kommt es oft zu kurz. Das ist fatal angesichts der enormen Bedeutung, die das Thema besitzt. Die Menschen müssen sich ja um ihre private Altersversorgung kümmern, und jetzt in Zeiten hoher Inflationsraten reduziert sich der Wert des so Ersparten Monat für Monat!“
In Deutschland liegen etwa drei Billionen Euro auf Girokonten oder Sparbüchern, für die es keine Zinsen gibt, berichtet Brüggemann. Sein Resümee: „Wir sparen falsch!“ Brüggemann empfiehlt Sparpläne, wobei auf Diversifikation zu achten ist: „Mit Sparplänen investiert man regelmäßig festgelegte Summen in Wertpapiere oder Fonds, etwa in Aktien- oder Immobilienfonds. Diese Fonds sollten möglichst diversifiziert sein, um das Risiko zu minimieren. Auch Studierende mit geringen finanziellen Möglichkeiten sollten schon frühzeitig mit kleineren Summen in Sparpläne investieren.“
Genügt zum Anlegen eine App? Welche Vorteile haben passiv gemanagte ETFs gegenüber traditionellen Investmentfonds?
Hier werden Denise Werner und Hendrik Merz hellhörig. Beide interessieren sich für das Investieren in „Exchange Traded Funds“ (ETF). Das sind Fonds, die an den Börsen gehandelt werden und die nicht von Banken zusammengestellt wurden. Hendrik Merz fragt nach: „Viele junge Leute investieren mittlerweile selbst über Apps auf dem Handy. Wie wirkt sich das auf die Banken aus? Werden sie fürs Anlagegeschäft überhaupt noch gebraucht?“ Und Denise Werner will wissen: „Welche Vorteile haben denn von Banken gemanagte Fonds, wenn jeder einfach selbst in ETFs investieren kann?“
Brüggemanns Antwort kommt sofort: „Beratung! Und Expertise! Beides bietet die Bank. Das kann man nicht durch eine kurze Internet-Recherche ersetzen. Das Portfolio muss stimmen!“ lautet seine Überzeugung und gibt damit eine Kostprobe von der Anwendung gelernter Theorie. Nach der Portfoliotheorie wirkt sich, verkürzt gesagt, Diversifikation des Portfolios positiv auf die Rendite aus. Denn: Je weniger die einzelnen Anlagen miteinander korrelieren, um so geringer ist das Risiko. „Doch welche Anlagen sollen nun tatsächlich ins Portfolio aufgenommen werden? Ein guter Fondsmanager kann nicht nur die vergangene Entwicklung einer Aktie analysieren, sondern aus Erfahrung auch die Zukunftsfähigkeit von Geschäftsmodellen beurteilen, künftige Entwicklungen abschätzen und die Korrelation der Aktien überblicken.“
Muss die Konjunktur gezielt heruntergebremst werden, um die Inflation zu stoppen?
Gut beraten und mit entsprechenden Sparplänen ausgestattet lässt es sich als Privatmensch durch eine Krise wie die derzeitige Inflation kommen, ist Frank Brüggemann sicher. Ein Rezept gegen die Inflation sei das natürlich nicht, hier sieht der Niederlassungsleiter die Politik gefragt. „Die Inflation wurde zu einem beträchtlichen Teil durch die Lieferengpässe, den Ukraine-Krieg und die in dessen Folge massiv gestiegenen Energiepreise angeschoben. Hinzu kam aber, dass die Wirtschaft bereits sehr hoch ausgelastet war, die Nachfrage in vielen Bereichen das mögliche Angebot sogar übertraf. Letzteres ist auch auf die jahrelang sehr expansive Geldpolitik zurückzuführen. Nun muss die Luft aus dieser künstlich erzeugten Nachfrage wieder herausgelassen werden.“
Um soziale Härten abzufedern, die durch die so kontrolliert herunterzubremsende Konjunktur entstehen, seien staatliche Hilfen durchaus angebracht. „Aber nicht mit der Gießkanne verteilt, sondern ganz gezielt“, so Brüggemann. Denn Reallohnverluste sind für ihn unvermeidbar und sogar Teil der „Kur“, mit der die Krise in den Griff zu kriegen ist: „Ein nachhaltiger Teufelskreis droht nur, wenn die Kosten der Unternehmen auf breiter Front steigen – zum Beispiel, weil die Gewerkschaften zur Bewahrung der Reallöhne hohe Lohnsteigerungen durchsetzen. Danach sieht es im Moment aber nicht aus.“
Brüggemann: Ertragsstärke und Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch!
Die Studierenden würden gern wissen, ob angesichts von Inflation und bröckelnden internationalen Lieferketten die Bereitschaft bei privaten und institutionellen Anlegern abnehme, nachhaltig im Sinne der Umwelt zu investieren und das reine Renditedenken wieder stärker im Vordergrund steht? Brüggemann sieht Ertragsstärke und Nachhaltigkeit nicht als Widerspruch: „Es ist eine Mär, dass nachhaltiges Investieren weniger ertragreich ist als konventionelles. Das Nachhaltigkeitsthema bleibt. Das ist kein Trend.“ Allerdings waren die Erwartungen an Nachhaltigkeitsfonds aus seiner Sicht zu schnell zu groß. Es braucht einfach Zeit, um die entsprechenden Produkte in der Breite für alle Kundengruppen aufzulegen und diese zu erklären“, so Brüggemann, der in diesem Zusammenhang auf einen börsenunabhängigen Sachwertfonds von Commerz Real eingeht: „Der klimaVest investiert das Geld der Anleger direkt in Wind- und Solarparks und vermeidet damit bis zu 250.000 Tonnen CO2-Ausstoß im Jahr mit einer bislang durchschnittlichen Rendite von drei Prozent. Wir finanzieren so alternative, zukunftsstarke Energien und wollen das für ein breiteres Publikum weiter ausbauen.“ Solche Investments finden auch die Studierenden zukunftsträchtig: „Die Versorgungskrise im Öl- und Gassektor hat aufgezeigt, dass Investitionen in nachhaltige Energiegewinnung unverzichtbar sind“, sagt Denise Werner. „Wenn die Politik die Stellschrauben richtig setzt, dann machen sich nachhaltige Investments hoffentlich auch bald besser bezahlt als solche, die es nicht sind“, ergänzt Hendrik Merz. Nachhaltig im übertragenen Sinne soll auch die Kooperation von Bankenverband und FH sein. Dozent Frank Brüggemann macht den Auftakt am 12.12. in der FH. Im Sommersemester folgt dann, ebenfalls vom Bankenverband unterstützt, ein Beitrag mit volkswirtschaftlichem Fokus. Andreas Uphaus: „Wenn beide Veranstaltungen erfüllt haben, was wir uns davon versprechen, dann wird das Angebot langfristig fest in die Vorlesung integriert.“