Albaad Deutschland Feuchttücher
Mit rund 250 Millionen produzierter Packungen Feuchttücher und feuchtem Toilettenpapier ist die Albaad Deutschland GmbH europäischer Marktführer im Bereich der Handelsmarken. (Foto: Albaad Deutschland GmbH)

So nah und doch so unbekannt: die Albaad Deutschland GmbH

Die Produkte der Albaad Deutschland GmbH sind vielen von uns schon sehr oft sehr nah gekommen – und doch ist das Unternehmen aus dem münsterländischen Ochtrup in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Die deutsche Tochter der israelischen Albaad-Gruppe ist mit 250 Millionen produzierten Packungen Feuchttüchern und feuchtem Toilettenpapier europäischer Marktführer im Bereich der Handelsmarken.

Die Geschichte der Albaad-Gruppe beginnt im Kibbutz Massuot Yitzhak in Israel. Vor 30 Jahren wurde Albaad, was auf Hebräisch sinngemäß „große Gemeinschaft“ oder „Familie“ bedeutet, dort gegründet. Zum damaligen Zeitpunkt war Albaad einer der ersten Hersteller von Feuchttüchern und feuchtem Toilettenpapier für Eigenmarken, die später in Einzelhandelsketten auf der ganzen Welt verkauft wurden.

Als Albaad um die Jahrtausendwende beschloss, in Europa zu expandieren, nahmen die Israelis die Ochtruper Feucht-Hygiene-Werk GmbH (FHW) nahe der niederländischen Grenze ins Visier. FHW wurde 1990 von Dieter Niehues gegründet und beschäftigte damals gerade einmal 80 Mitarbeiter. Seinerzeit beschränkte sich die Produktion ausschließlich auf feuchtes Toilettenpapier. Im Jahr 2002 übernahm

Albaad die FHW. Zwei Jahre später wurde Wolfgang Josef Tenbusch Geschäftsführer der neu eingegliederten und nach der Muttergesellschaft benannten Albaad Deutschland GmbH. „Wir gehen immer davon aus, dass kaufmännische Entscheidungen durchdachte Entscheidungen sind. Ich selbst war in den Prozess nicht involviert. Mir ist nur bekannt, dass in Europa damals zehn Firmen untersucht wurden und man sich dann für die FHW entschieden und sie gekauft hat“, antwortet der Geschäftsführer auf die Frage, wie es zu der Übernahme kam.

Heute erwirtschaften die aktuell 480 Mitarbeiter der Albaad Deutschland GmbH über 200 Millionen Euro Umsatz jährlich. Das Produktportfolio zeichnet sich durch eine hohe sowie spezialisierte Vielfalt im Bereich der Haushalts-, Hygiene- und Toilettenartikel aus. Auf 16 Linien unterschiedlicher Kapazität produziert Albaad 250 „lebende Artikel“, also verschiedene Produktvarianten, die mindestens einmal im Jahr hergestellt werden und im SAP-System der Firma angelegt sind.

Kauf eines deutschen Unternehmens war anfangs umstritten

Der Erwerb eines deutschen Unternehmens sei innerhalb des israelischen Konzerns seinerzeit nicht unumstritten gewesen, so Tenbusch. Heute engagiert sich Albaad Deutschland für den Erhalt des jüdischen Friedhofs in Ochtrup, um ein Zeichen des Gedenkens und der Bewahrung der jüdischen Kultur im Münsterland zu setzen. Für Dan Mesika, CEO von Albaad Israel, ist die deutsche Tochter sowohl unter Aspekten der Völkerverständigung als auch der Wirtschaftlichkeit eine Erfolgsgeschichte: „Albaad Deutschland produziert im umkämpften Private-Label-Segment ein Produkt mit niedriger Marge, dennoch gelingt es unseren deutschen Kollegen, den Umsatz kontinuierlich zu steigern und Arbeitsplätze im Hochlohnland Deutschland nicht nur zu halten, sondern auch in beachtlicher Zahl neu zu schaffen. Das ist eine unternehmerische Leistung.“

Auf die Frage nach dem Erfolgsrezept für diese überdurchschnittliche Entwicklung gibt Geschäftsführer Tenbusch folgende Antwort: „Time to market als Leitlinie und das bessere Management sowie das bessere Team. Genau das hebt uns von den Mitbewerbern ab und ermöglicht uns diesen Erfolg.“ Die nüchternen Zahlen untermauern die Wirksamkeit dieser Philosophie: Vor Tenbuschs Antritt lag der Umsatz bei 32

Millionen Euro. Seitdem konnten die Erlöse im Jahresverlauf kontinuierlich zweistellig gesteigert werden, sodass 2016 erstmals mehr als 200 Millionen Euro umgesetzt wurden.

Albaad Deutschland GmbH ist Marktführer auf europäischem Kontinent

Albaad Deutschland steuert als eines von sieben Albaad-Werken, welche in Israel, den Niederlanden, Polen und den USA zu finden sind, mit 200 Millionen den größten Anteil des Gesamtumsatzes von rund 500 Millionen Euro bei. „Ich empfinde dies für Deutschland und Europa, gerade in diesem Bereich als sensationell“, betont Tenbusch. Weltweit ist die Albaad-Gruppe der drittgrößte Hersteller von Feuchttüchern und feuchtem Toilettenpapier. Auf dem europäischen Kontinent ist die Albaad Deutschland GmbH Marktführer. „Wenn Sie in einen deutschen Drogeriemarkt gehen und eine Packung Feuchttücher kaufen, ist es mit 75-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Produkt der Albaad Deutschland GmbH. Da man mit Marktanteilen vorsichtig sein muss, spreche ich hier vom Distributionsgrad“, beschreibt der Geschäftsführer.

Albaad Deutschland operiert als vertikaler Hersteller, das heißt, dass nahezu alles, was zum Produkt gehört, im Unternehmen selbst hergestellt wird. „Bestimmte Teile kaufen wir zwar dazu, aber das meiste stellen wir in unseren zwei Papierwerken tatsächlich selbst her“, erläutert Tenbusch. „Wir haben 16 Linien mit sehr verschiedenen Produktionskapazitäten. Es fängt zum Beispiel bei 15.000 Packungen in einer achtstündigen Schicht an und hört auf mit 120.000 Packungen pro Schicht. Die Wahl der Maschine hängt von der Größe der Bestellung ab.“ Der allgemeine Produktionsablauf könne sehr leicht erklärt werden: Zu Beginn habe man eine trockene Rolle Papier, welches „non-woven“, also „nicht-gewebt“ ist. Dieses werde dann in einer Maschine in die gewünschte Größe geschnitten. Während des Schneideprozesses werden die Tücher mit der jeweiligen Lotion befeuchtet, anschließend packungsgerecht gefaltet und in einer Plastikfolie verschweißt, sodass das entstandene Produkt zum Abtransport bereit steht.

Dabei halte man stets hohe Qualitätsstandards ein, so Tenbusch. „Wir haben jedes Jahr zehn bis 15 verschiedene Zertifizierungen einzuhalten, um bestimmte Produkte herstellen zu können“, erklärt Tenbusch. Darunter fallen beispielsweise die ISO 13485 für die

Herstellung von Medizinprodukten oder das Qualitätsmanagement nach ISO 9001. „Wir haben momentan ungefähr 250 verschiedene Produkte, die wir kontinuierlich produzieren. Diese decken quasi alle Anwendungsmöglichkeiten ab, sowohl privat als auch institutionell, hierzu gehören beispielweise Krankenhäuser, Altenheime und die Bundeswehr. Von Kopf bis Fuß gibt es nämlich diverse Anwendungsbereiche für Feuchttücher“, so Tenbusch. Sei es ein Bräunungsmittel oder ein Pflegetuch, Brillenreinigung, Achseldeo, Sonnenschutz, Hautpflege, Toilettenpapier, Fußdeo, Intimpflege, Wundbehandlung, Nagellackentferner, Haarfärbemittelentferner, Handreinigung oder Desinfektion – dies alles ist in der Produktion inbegriffen.

Preisdruck durch hohen Discounteranteil in Deutschland

Der Geschäftsführer erklärt, dass das Unternehmen früher meist beauftragt wurde: „Der Kunde kam oft mit sehr genauen Vorstellungen zu uns, die es dann umzusetzen gilt. Heute gehen wir auf den Kunden zu und stellen ihm ein von uns neu entwickeltes Produkt vor.“ Die Produkte werden dann unter der Eigenmarke des jeweiligen Kunden entwickelt. Eine Packung Babytücher kostet den Verbraucher im Supermarkt circa 90 Cent. In anderen Ländern ist der Endpreis etwas höher, was auf den Discounterschwerpunkt im deutschen Handel zurückzuführen ist. Damenhygieneartikel produziert Albaad vornehmlich für den amerikanischen Markt. Dort ist der Konzern zweitgrößter Anbieter für Tampons. „Natürlich verkaufen wir jene auch in Deutschland und Europa, jedoch ist das hier nur ein Nebengeschäft und lange nicht so groß, wie der Vertrieb unserer Hauptprodukte“, so Tenbusch.

In all den Jahren habe es auch exotische Sonderaufträge gegeben, berichtet Tenbusch: „Einmal kam ein Dressurreiter aus der damaligen deutschen Nationalmannschaft zu uns und fragte uns nach einem Insektenschutz für die Pferde, da diese durch Bremsen und Bienen nicht mehr imstande waren, die Dressuraufgabe konzentriert durchzuführen. Zudem scheuen die meisten Pferde bei einem Sprühstoß, sodass die Reiter zwingend auf Alternativen angewiesen waren. Daraufhin haben wir ein Pferdetuch entwickelt, welches in eine von uns konzipierte, mückenvertreibende Lotion getränkt wurde. So konnten die Reiter ihre Pferde problemlos einreiben und von den lästigen Plagegeistern befreien.“

Man müsse vor allem die Haut des Pferdes sowie den Aufbau des Fells genau kennen, um die richtige Lotion zu entwickeln. „Aber genau deshalb sind wir Spezialisten“, sagt Tenbusch. Ein weiteres Beispiel ist das Reinigungstuch für die Zitzen der Kuh vor dem Melken, damit keine Keime und lebensmitteluntauglichen Substanzen in die Milch geraten.

Den Erhalt und Ausbau des deutschen Werkes bezeichnet Tenbusch als sein persönliches Ziel. Dies könne aber nur erreicht werden, wenn die sehr hohe Produktivität gehalten werde. „Da Deutschland leider zunehmend unternehmensfeindlicher wird, wird es insgesamt immer schwieriger, den Produktionsstandort zu halten“, so Tenbusch. Der CEO der Albaad-Gruppe, Dan Mesika, ist jedoch zuversichtlich: „Die Albaad Deutschland GmbH hat sich zu einem Leuchtturm innerhalb der Albaad Gruppe entwickelt – maßgeblich unter der Ägide von Wolfgang Tenbusch in den vergangenen 13 Jahren. In der jüdischen Tradition feiern wir mit Vollendung des 13. Lebensjahres die Bar Mizwa, das Fest des Eintritts in das Erwachsenenalter. In diesem Sinne sehen wir weiterhin großes Zukunfts- und Wachstumspotenzial für Albaad Deutschland mit dem Team um Wolfgang Tenbusch.“ Entsprechend beendete der CEO der israelischen Gesellschaft seine Ansprache auf der Feier anlässlich der erreichten 200. Million Umsatz im vergangenen Jahr in Ochtrup mit den Worten: „For the 300-million-celebration I will do it in german!“

www.albaad.com

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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