In der Wirtschaft herrscht permanenter Wettbewerb – und wer nicht immer vorne mit dabei ist, kann ganz schnell ins Hintertreffen geraten. Sogar Marktführer in Deutschland können komplett von der Bildfläche verschwinden, wie der Mindener Volker Knickmeyer bei seinem Vortrag „Mehr als Schall und Rauch“ zu berichten wusste. Der Hobby-Historiker hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die fast vergessene Geschichte der August Blase AG zu recherchieren. Die Erkenntnisse, die er über den ehemaligen Marktführer in der Zigarrenproduktion aus Lübbecke gesammelt hatte, trug er nun rund 40 interessierten Gästen auf Schloss Benkhausen vor. Es war der Auftakt der Veranstaltungsreihe „Kunst im Schloss“, die von Angelika Gauselmann organisiert wird. Am 6. April wird Knickmeyer seinen Vortrag ein weiteres Mal an gleicher Stelle halten.
1863 hatte alles angefangen: Als gelernter Kaufmann hatte August Blase den Bereich der Zigarrenproduktion für sich entdeckt, gründete in Lübbecke die August Blase AG und startete mit fünf Mitarbeitern. „Schon damals herrschte ein gewaltiger Konkurrenzdruck“, berichtete Volker Knickmeyer. Doch der Firmengründer hatte ein glückliches Händchen: Zum 25-jährigen Jubiläum des Unternehmens umfasste es schon 300 Mitarbeiter. 1910 übernahmen dann die Söhne Wilhelm und Augst Blase und setzten den Expansionskurs fort. In Lübbecke wurden Verwaltungsgebäude und Produktionsstätten immer größer, und in Süddeutschland wurde sogar ein zweiter Standort gegründet. Zeitweise produzierte Blase rund eine Million Zigarren pro Tag und war damit Deutschlands Marktführer. Die Marken Erntekrone, Dannemann oder Atlas erfreuten sich großer Beliebtheit.
Die beiden Weltkriege setzten dem Unternehmen zu. Um Arbeitsplätze zu erhalten, verhängten die Nazis 1933 sogar ein Maschinenverbot für die Tabakindustrie. Das galt bis 1957 und führte zu höheren Produktionskosten und sinkender Wettbewerbsfähigkeit. Der Anfang vom Ende kündigte sich dann mit dem Tod von Firmenlenker August Blase 1963 an. „Es gab eine riesige Beerdigung in Lübbecke“, erzählte der Mindener. Es ging bergab, und 1965 erfolgte der Verkauf an Melitta. Zu dieser Zeit war Blase aber immer noch drittgrößter Hersteller in Deutschland und hatte rund 1150 Mitarbeiter. Doch Peter Wimmer, der als Manager nun das Sagen hatte, konnte das Ruder nicht mehr herumreißen. Auch die teilweise in die DDR verlagerte Produktion bewirkte keine Trendumkehr. Der Niedergang konnte nicht mehr aufgehalten werden – und letztendlich gipfelte er 1990 im Abriss der letzten Produktionsstätte in Lübbecke. Heute wird die heimische Zigarrenproduktion noch von der Firma Dannemann weitergeführt.
Neben der interessanten Historie wurde an diesem Abend vor allem deutlich, wie stark die Tabakproduktion damals im Lübbecker Land verankert und im Leben der Menschen präsent war. „Fast jeder hat seine eigene Geschichte zur Firma Blase“, hat Volker Knickmeyer beobachtet. Einer von ihnen ist Hermann Gärtner, Gründer und Inhaber von porta Möbel. Der Unternehmer hatte seine Ausbildung bei der Blase AG begonnen und hat aus dieser Zeit noch viele Erinnerungen. Auch mit Anouschka Blase aus Rahden, Enkelin des letzten Firmenchefs August Blase, tauschte er sich lebhaft über die alten Zeiten aus. Wie allgegenwärtig die Tabakproduktion im Mühlenkreis im vergangenen Jahrhundert war, zeigt sich noch einem anderen Umstand: In Rahden wurden früher – neben Spargel – sogar Tabakpflanzen angebaut.