Bielefeld – Nachhaltigkeit, Nachwuchsförderung, Netzwerken – was beim Solar Racing Cup im Mittelpunkt steht, ist auch für die HSBI wesentlich. Ein guter Grund für die Hochschule, sich beim Schülerwettbewerb von Energie Impuls OWL und VDI zu engagieren und jetzt erstmals die Jury-Sitzung auszurichten. Zu sehen gab es kreative Lösungen und Rennwagen, an denen nur noch wenig an die Rutsch-Autos erinnert, aus denen sie entstanden sind.
Bammel? Kinga winkt ab. „Ach, ich bin schon so oft gestürzt.“ Da kann auch ein selbstgebauter Rennwagen, der bis zu 30 km/h schnell wird, die Neunjährige nicht schrecken. Sie überprüft noch einmal den Sitz ihres Helms, nimmt die Strecke ins Visier, und schon saust sie über das Außengelände der Hochschule Bielefeld (HSBI) auf und davon. Knapp 20 Schülerteams waren in die HSBI gekommen, um ihre selbstkonstruierten Fahrzeuge einer Experten-Jury vorzustellen. Die Präsentation der technischen Ideen hinter den Rennwagen war der Auftakt zum Renn-Wochenende des Solar Racing Cups 2024, eines langjährigen Projekts des Vereins deutscher Ingenieure (VDI) Ostwestfalen-Lippe, durchgeführt vom Innovationsnetzwerk Energie Impuls OWL. Das Netzwerk engagiert sich in der Region für erneuerbare Energien und die Energiewende, und so ist eine wesentliche Bedingung des Wettbewerbs gesetzt: Die Rennwagen müssen solarbetrieben sein.
Jedes Schülerteam bekommt ein Unternehmen als Partner an die Hand
„Wir wollen Zukunftsenergien und ihre effiziente Nutzung fördern und setzen auf die engagierte Jugend“, sagt Projektleiterin Monika Pieper und beschreibt die Idee: „Mit dem Bau eines eigenen Fahrzeugs tüfteln und probieren die Schülerteams viel aus, sie lernen innovative Technologien kennen, entwickeln eigene Ideen und setzen sie um. Das stärkt Experimentierfreude und kreative Neugier.“ Alleingelassen werden die jungen Konstrukteur:innen dabei nicht: „Jedes Team bekommt ein Unternehmen aus der Region als Partner, das es mit Know-how, Material und professioneller Werkstatt-Ausrüstung unterstützen kann.“
Das Konzept hat Prof. Dr. Marc-Oliver Schierenberg sofort überzeugt. „Mit dem Fokus auf die Solartechnik spricht der Solar Racing Cup ein Kernthema der Hochschule an, die Nachhaltigkeit. Und auch uns ist die Kooperation mit regionalen Unternehmen enorm wichtig – vom Innovations- und Wissenstransfer profitieren beide Seiten.“ Vor allem aber liegt ihm an der Nachwuchsförderung: „Wir wollen schon bei Kindern und Jugendlichen Begeisterung für Naturwissenschaft und Technik wecken – ohne gibt es keine innovativen Entwicklungen“, sagt Schierenberg und verweist auf das Schüler:innenlabor experiMINT der HSBI. Der Professor, am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik zuständig für das Lehrgebiet Physik/Messtechnik, leitet selbst das renommierte DaVinci-Ausstellungsprojekt der HSBI, das mit interaktiven Modellen von Leonardo da Vincis Erfindungen Technik erlebbar macht. Für ihn war es deshalb keine Frage, ob die HSBI als Kooperationspartner des Solar Racing Cups einsteigen wollte. „Wir bieten den Schüler:innen sehr gerne ein Forum für ihre Ideen“, sagt Schierenberg. Er kümmerte sich um die Ausrichtung der Jurysitzung und übernahm auch einen der Juroren-Posten.
Ausgefeilte Technik, aber ein Rest Rutschauto muss verbaut sein
Während der Professor zur Präsentation des nächsten Teams wieder in den Konferenzbereich entschwindet, dreht Kinga noch ein paar Proberunden auf dem Geschicklichkeitsparcours. Als Fahrerin ist sie erst vor kurzem ins Team des Bielefelder Ratsgymnasiums gekommen, die anderen sieben Mitglieder sind schon seit Monaten aktiv und haben in der Arbeitsgemeinschaft von Lehrer Dirk Bormann an ihrem Solar-Racer gewerkelt. Neben dem Antrieb durch Solartechnik gab es eine weitere Bedingung: „Lenkrad, Hupe und ein Teil der Karosserie eines bekannten Rutsch-Autos für Kinder mussten verbaut werden“, erklärt Bormann. Wenigstens als Reminiszenz, denn ansonsten erinnert der Flitzer mit seinem schnittigen Fahrwerk und der ausgefeilten Technik kaum noch an die Rutsch-Autos.
Das Team hat sich das erfolgreiche Vorjahresmodell vorgenommen und weiter optimiert. Johann zeigt auf den Anhänger, der das Photovoltaik-Modul für den Solar-Antrieb trägt: „Wir haben die Lager verändert. Statt Einzellager haben wir nun eine durchgehende Achse verbaut, damit die Räder flüssiger laufen.“ Unterstützt wurden sie dabei vom Bielefelder Traditionsunternehmen Euscher, das auf Tiefziehtechnik spezialisiert ist. Die Schüler:innen durften vor Ort Werkstattluft schnuppern und zusammen mit den Auszubildenden Hand anlegen. „Das war ein echtes Highlight“, erzählt Johann. „Wir haben an der Drehmaschine geholfen, unsere Achse zu drehen.“
Team Bielefelder Ratsgymnasium optimiert Solarmobil mit selbst konstruierter Achse
Die Idee kommt an. „Endlich mal eine richtige Achse eingebaut, das finde ich gut“, sagt ein Juror und betrachtet den Solar-Racer auf dem Präsentations-Podest. Johann und seine Teamkolleg:innen stellen die Neuerungen vor, erklären die Technik und stehen Rede und Antwort. Dafür gibt es ein Lob: „Ihr seid sehr analytisch herangegangen und habt geguckt, was sich bewährt hat und was verändert werden muss. Das ist herausragend“, so das Jury-Mitglied. Aber kein Grund zum Ausruhen: Nach der Präsentation geht es gleich wieder auf die Teststrecke zum Training für das Rennen zwei Tage später in Herford.
Das läuft dann zwar nicht ganz so gut wie erhofft, andere Teams haben die Nase vorn. Aber Kinga zuckt mit den Achseln und grinst: „Spaß gemacht hat es trotzdem, und vielleicht läuft es nächstes Jahr besser.“ Dann würde Schierenberg gern nicht nur die Jury-Sitzung an die HSBI holen, sondern gleich das ganze Rennen.