Mit einem Masterplan will die Region in der Wachstumsregion Ems-Achse den Verkehr speziell auf der Straße und Schiene umkrempeln. Es sollen individuelle Lösungen für die Menschen im Emsland, in Ostfriesland und der Grafschaft Bentheim entwickelt werden.
Dabei will die Region notfalls ganz neue Wege im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) denken und einschlagen. Für Zukunftsforscher Stefan Carsten heißt dies: „Wir brauchen keine großen Linienbusse mit fest gezurrten Taktungen mehr, sondern kleine Gefäße.“
Vor rund 150 Zuhörern im Energie Erlebnis Zentrum Ostfriesland in Aurich gab Holger Heymann, Landrat in Wittmund und stellvertretender Vorsitzender der Ems-Achse, den Startschuss für die Verkehrswende. Wie ernst es der Region zwischen Ems und Jade mit der konkreten Umsetzung ist, zeigt bereits die Liste mit nicht weniger als elf Veranstaltern. Außer der Wachstumsregion waren dies u.a. die Industrie- und Handelskammern (IHK) für Ostfriesland und Papenburg sowie Oldenburg oder die Verkehrsregion Nahverkehr Ems-Jade.
Heymann sieht im Masterplan eine „riesige Chance für unsere Region“. Er forderte alle Verantwortlichen in der Region auf: „Unterstützen Sie den Masterplan!“ Der Präsident der IHK für Ostfriesland und Papenburg, Theo Eilers, will möglichst schnell konkret werden: „Wir brauchen klare Ziele und eine Priorisierung der Maßnahmen.“
Heymann gab den weiteren „Fahrplan“ unter dem Applaus der Gäste vor: „Wir müssen die kommunalen Parlamente einbinden.“ Zudem soll jetzt ein erster Maßnahmenentwurf (letter of intent) erstellt werden. Danach werde es einen runden Tisch mit den Landtags- und Bundestagsabgeordneten der Region geben.
Aber wie sollen die Verkehre 2030 oder 2040 zwischen Ems und Jade aussehen? Antworten lieferte Zukunftsforscher Stefan Carsten: Er zitierte aus einer Umfrage unter jungen Menschen im Alter von 18 bis 23 Jahren. Für sie muss Mobilität vor allen Dingen „flexibel und unabhängig“ sein. Dafür brauche es eine größere Auswahl an Verkehrsmitteln und Alternativangeboten.
Nicht erst mit den wachsenden Homeoffice-Möglichkeiten habe sich das Verkehrsverhalten stark verändert. „Wir investieren oft in falsche Verkehrsmittel“, sagte der Wissenschaftler. „Junge Menschen fahren E-Scooter.“ Sharing sei die Zukunft. Schon heute gebe es Angebote, bei denen sich Menschen z.B. E-Autos mit anderen teilen.
Ein Ende prognostiziert der Zukunftsforscher großen Linienbussen mit starren Fahrzeiten, zumal schon heute „100.000 Busfahrer in Deutschland fehlen“. An 90 Standorten in Deutschland wie Murnau gebe es stattdessen „on-demand-Angebote“. Hauptzielgruppen seien Frauen und Senioren, die diesen Service individuell rund um die Uhr anfordern und nutzen.
Insgesamt sieht Carsten die Zukunft der Mobilität „zu Fuß, mit dem Fahrrad (auch Lastenfahrrad) sowie im ÖPNV“. Dabei appellierte er an die Verantwortlichen, Geduld aufzubringen: „Neue Angebote wie Carsharing brauchen vier bis fünf Jahre, bis die Menschen sie nutzen.“
Mobilitätsexperte Andrè Bolles vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt forderte, „private Lösungen in den ÖPNV“ zu integrieren. Dabei könne Digitalisierung zum Erfolg führen. Wenn der Mensch gerade in ländlichen Regionen noch kilometerweit zur nächsten Bushaltestelle laufen muss, wird er nicht in den Bus einsteigen, sondern weiter mit seinem Auto fahren.
Konkret mit der „Mobilität der Zukunft“ wurde es dann als Carmen Schwabl von der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) ans Rednerpult trat. Nachdem sie zuerst überraschend offen über die Missstände im Bahnverkehr wie völlig überaltete Brücken und Stellwerke auch aufgrund fehlender öffentlicher Gelder von Land und Bund sprach, blickte sie zum Schluss ihrer Rede etwas optimistischer in die Zukunft. Ziele der LNVG seien u.a. die Regionalexpresszüge auf den Strecken zwischen Leer und Oldenburg sowie Rheine und Emden möglichst ab 2030 halbstündig fahren zu lassen.
Positive Förderbescheide überbrachte sie für zwei Linienbusverkehre. Mit jeweils rund einer Million Euro bezuschusst die LNVG die Trassen von Aurich nach Emden sowie Emden nach Greetsiel. Ein weiterer Antrag zielt auf die Verbindung von Aurich über Wittmund nach Jever ab. „Ich hoffe auch hier auf einen Erfolg“, so Carmen Schwabl.
Während zahlreiche Trassen in der Region wie die stillgelegte Bahnstrecke von Meppen nach Essen (Oldenburg) hoffen, dass sie für den Personenschienenverkehr reaktiviert werden, ist dies in der Grafschaft Bentheim tatsächlich vor zwei Jahren geglückt. Inzwischen fährt dort im Stundentakt eine Diesel-Lok auf der wiedereröffneten 28 Kilometer langen Trasse von Neuenhaus über Nordhorn nach Bad Bentheim. Geschäftsführer Ralf Uekermann von der Bentheimer Eisenbahn AG berichtete von einer guten Auslastung und einer „Pünktlichkeit der Personenzüge von 98 Prozent“. Dabei sei bereits ein zweiter ebenfalls 28 Kilometer langer Streckenabschnitt geplant und werde 2026 in Betrieb gehen. Die Trasse führt dann von Neuenhaus weiter in Richtung Coevorden (Niederlande).
Mit dem Masterplan sollen weitere solcher Zukunftsprojekte in den kommenden Jahren folgen. Dann könnte der Wunsch von Carmen Schwabl doch noch in Erfüllung gehen: „Der ÖPNV in der Region kommt auf die Überholspur.“