IHK und HWK fordern Politik zum Handeln auf
Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim – Das regionale Konjunkturklima rutscht zum Ende des dritten Quartals 2023 immer tiefer in den Keller. Sowohl die Inlands- als auch die Auslandsnachfrage leiden unter der anhaltend hohen Inflation und den gestiegenen Zinsen. Der Konsum bleibt gedämpft und die Industrieproduktion gibt weiter nach. Auch die Handwerkskonjunktur trübt sich zunehmend ein, insbesondere im Bauhauptgewerbe. Das sind die Kernergebnisse der Herbst-Konjunkturumfrage, die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerkskammer (HWK) Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim nun gemeinsam vorgestellt haben.
„Die Geschäftserwartungen im Handel, in der Industrie sowie bei den Dienstleistern liegen weiter am Boden und erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie bewerten die Unternehmen auch ihre aktuelle Lage überwiegend negativ. Immer mehr Branchen sind von dem konjunkturellen Abschwung betroffen“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf. Der IHK-Konjunkturklimaindex, der die aktuelle Lage und die zukünftigen Erwartungen zusammenfasst, geht deutlich um 16 Zähler zurück und beträgt nun 67 Punkte.
Auch die Handwerkskonjunktur der Region verschlechtert sich massiv. „Einen solchen Einbruch registrieren wir selten“, stellt HWK-Hauptgeschäftsführer Sven Ruschhaupt fest. Seiner Erhebung nach ist insbesondere die Stimmung in der Bauwirtschaft stark eingetrübt. Andere Handwerksbereiche melden dagegen durchaus befriedigende Werte. Ruschhaupt: „Entscheidend ist, dass die Daten sehr von den zukünftigen Erwartungen geprägt sind, und die Entwicklungen der nächsten Monate bewerten eben Bau- und Ausbaugewerke pessimistisch.“
Wie Graf ergänzt, habe sich auch in der Industrie das Geschäftsklima nochmals erheblich abgekühlt. „Die Auftragseingänge bleiben deutlich rückläufig, die Auftragslage wird von einer zunehmenden Zahl von Unternehmen als zu gering beurteilt. Mit den im internationalen Vergleich hohen Energiekosten ist die heimische Produktion nur wenig wettbewerbsfähig“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Alles in allem beurteilen per Saldo 26 Prozent der Industriebetriebe ihre Lage als schlecht (Vorquartal: sechs Prozent) und 56 Prozent rechnen mit nochmals schlechteren Geschäften in den kommenden Monaten (Vorquartal: 43 Prozent).
Ausgehend von einem ohnehin niedrigen Niveau hat sich das Geschäftsklima auch im Handel erheblich verschlechtert. Die weiterhin hohe Inflation sorgt für eine negative Verbraucherstimmung und eine Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Ebenfalls beurteilen die Dienstleistungsunternehmen sowohl die aktuelle als auch die kommende Geschäftslage deutlich schlechter als zuletzt. In besonderem Maße gilt dies für die Verkehrswirtschaft, wo per Saldo jedes zweite Unternehmen von aktuell schlecht laufenden Geschäften berichtet.
Erste Spuren hinterlässt die schwache Konjunktur inzwischen auch auf dem ansonsten noch robusten Arbeitsmarkt. So geht die Nachfrage nach Personal deutlich zurück und lässt erwarten, dass die Beschäftigung in der Wirtschaftsregion Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim nur noch leicht wächst. Nichtsdestotrotz stellt der Fachkräftemangel für einen Großteil der Betriebe ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung dar.
Angesichts der aktuellen herausfordernden Lage fordern IHK und HWK politische Entschlossenheit. „Die aktuelle Wirtschaftspolitik ist für die Unternehmen auf allen Ebenen eine große Enttäuschung“, so Graf und Ruschhaupt. Aus Sicht der beiden Kammern sei es nun essenziell, dass die Politik die Sorgen der Unternehmen ernst nehme und den wirtschaftspolitischen Rahmen neu setze. Den Reformbedarf etwa hinsichtlich der Entbürokratisierung machte Graf an drei Beispielen deutlich: „Die vermeintliche Hilfestellung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zur Erfüllung des Lieferkettengesetzes – ein Fragenkatalog mit über 400 Antwortoptionen – überfordert jeden. Völlig aus der Zeit gefallen ist auch das explizite Verbot eines elektronischen Ausbildungsvertrags. Und schließlich ist die A1-Bescheinigung, die bei grenzüberschreitenden Dienstreisen innerhalb der EU mitgeführt werden muss, ein echter Anachronismus und trotz mehrfacher Zusagen noch immer nicht beseitigt.“
Auch die Energiekrise sei noch nicht überwunden. „In dieser insgesamt schwierigen Lage für die Unternehmen dürfen die Kommunen nicht auch noch eigene Belastungen draufsatteln. Sie sollten sich vielmehr im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen den negativen Bundes- und Landestrend stellen. Zusatzbelastungen wie etwa Gewerbe- oder Grundsteuererhöhungen oder kostentreibende Spezialitäten der kommunalen Bauordnungen sind vor diesem Hintergrund kontraproduktiv“, so Graf und Ruschhaupt.