Bielefeld – Das Welcome Center im International Office kümmert sich um internationale Forschende, die an die HSBI kommen. Mithilfe Maximilian Kösters hat es Daniela Milanez Silva aus São Paulo durch den organisatorischen Dschungel von Ämtern, Banken und Telefongesellschaften geschafft – und konnte sich so schnell ihrem eigentlichen Thema widmen: der technischen Erforschung von Pilzen im Einsatz als natürliches Pestizid.
Pünktlich um 20 Uhr stand Maximilian Köster am Bielefelder Hauptbahnhof. Der Koordinator des im Dezember vergangenen Jahres offiziell eröffneten Welcome Centers an der Hochschule Bielefeld (HSBI) wartete auf Daniela Milanez Silva. Die Doktorandin aus Brasilien wollte ein Jahr an der HSBI zur technischen Nutzung von Pilzen forschen, die als natürliches Pestizid eingesetzt werden können. Für die 28-Jährige war es der erste Flug und die erste Reise außerhalb ihres Heimatlandes. Von São Paulo über London nach Düsseldorf. Nach insgesamt 29 Stunden erreichte Daniela Milanez Silva Bielefeld und war sehr froh, dass sie dort von Maximilian Köster in Empfang genommen und zu ihrer Wohnung gebracht wurde.
Bereits vier Monate zuvor hatte die Entomologin und Mikrobiologin, die an der Universidade de São Paulo, einer der größten und angesehensten Universitäten Südamerikas, promoviert, per E-Mail Kontakt zum Welcome Center der HSBI aufgenommen, um den Aufenthalt bestmöglich vorzubereiten. Im Vorfeld musste ein Visum beantragt und eine Wohnung gesucht werden. „Die Wohnungssuche ist für uns die größte Herausforderung“, stellt Maximilian Köster fest. „Die Mietdauer ist häufig der Knackpunkt. Für einige Gäste brauchen wir nur für einige Wochen oder Monate eine Unterkunft, andere – wie Daniela – bleiben ein Jahr.“
Ohne Deutsch geht es manchmal nicht
Eng verknüpft mit der Wohnsituation ist die Frage der Mobilität. Die drei Hochschulstandorte Bielefeld, Minden und Gütersloh müssen vom neuen Zuhause der internationalen Gäste gut erreichbar sein – und wie der ÖPNV in Ostwestfalen funktioniert, muss ebenfalls erläutert werden. „An meinem ersten Tag hat mir Maximilian die Aufgabe gestellt, mit der Straßenbahn zur HSBI zu fahren“, erinnert sich Daniela Milanez Silva, die in Bielefeld zusätzlich zu ihrer Forschungstätigkeit im Labor einen Deutschkurs absolviert. „Ich verstehe jetzt etwa 20 Prozent“, sagt sie.
Viele internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfügen nicht zwangsläufig über Deutschkenntnisse, denn die Sprache der Forschung ist in der Regel Englisch. Deshalb ist die Unterstützung durch das Welcome Center so wichtig: bei der Begleitung zur Bürgerberatung, um den Wohnsitz anzumelden, und zur Ausländerbehörde zur Beantragung der Aufenthaltserlaubnis. Außerdem müssen Telefon, Handy-SIM-Karte und Internet organisiert, GEZ angemeldet, Haftpflicht- und Krankenversicherung abgeschlossen werden und vieles mehr. „Ohne die Hilfe des Welcome Center wäre ich an der Bürokratie wahrscheinlich verzweifelt“, stellt Daniela Milanez Silva fest. „In Brasilien können wir sehr viele organisatorische Fragen online klären, aber in Deutschland muss man häufig persönlich erscheinen.“ Finanzielle Unterstützung musste die brasilianische Wissenschaftlerin nicht beantragen. Die Kosten werden durch ihr Stipendium gedeckt, das sie von Fundação de Amparo à Pesquisa do Estado de São Paulo erhielt, der Forschungsförderungsstiftung des Bundesstaates São Paulo.
Pilze als natürlicher Pflanzenschutz – dazu forscht auch die HSBI
Für Bielefeld hat sie sich ganz bewusst entschieden, weil Prof. Dr. Anant Patel, Vizepräsident für Forschung und Entwicklung der HSBI, und Mitglied des Bielefelder Instituts für Angewandte Materialforschung (BifAM) und zugleich seit vielen Jahren im Bereich natürlicher Pestizide forscht und publiziert. Als Leiter des Labors betreut er die brasilianische Doktorandin. „Von Prof. Patel habe ich sehr viel gelernt“, so Daniela Milanez Silva. In der Arbeitsgruppe „Fermentation and Formulation of Biologicals and Chemicals“ führt die Biologin zunächst Labor-Experimente durch, um Pilze mit Zusatzstoffen ausreichend zu trocknen, sie dabei aber am Leben zu lassen. Denn nur so können sie als natürlicher Pflanzenschutz fungieren. Die nächste Herausforderung wartet in der Experimentierhalle: die schonende Trocknung im Technikumsmaßstab. „An der HSBI habe ich genau das Equipment zum Trocknen der Pilze, das mir an der Uni in Brasilien fehlt“, erklärt die Forscherin. Und sie schätzt den Kontakt zu den anderen Forschenden und die Arbeitsruhe im Labor.
„Wir wollen Probleme lösen. Was bei uns im Technikumsmaßstab, funktioniert, funktioniert dann auch leichter in den Unternehmen“, verdeutlicht Prof. Dr. Anant Patel den praxisbezogenen Ansatz der Forschung: „Wir profitieren von der Expertise der brasilianischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerinnen, die an der Escola Superior de Agricultura Luiz de Queiroz forschen. Die dortige Arbeitsgruppe von Prof. Italo Delalibera gehört meines Erachtens zu den besten drei weltweit. Wir lernen viel voneinander und wollen den Austausch intensivieren. Wir brauchen eine Internationalisierung der Forschung, verschiedene Herangehensweisen und Mindsets, um voranzukommen.“ Dass die Mitglieder der Arbeitsgruppe Patel vor einiger Zeit eigenständig entschieden haben, auf Englisch zu kommunizieren, kommt nicht nur den internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Gruppe zugute.
Internationalisierung forcieren, individuell betreuen
Ob Forschungsvisum oder Blaue Karte der EU – auch in puncto Visa berät das Welcome Center. Für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gibt es häufig verschiedene Möglichkeiten. „Es gilt, die individuelle Situation zu berücksichtigen“, berichtet Maximilian Köster. Zum Beispiel in Hinblick auf Familiennachzug oder wie insgesamt die Bleibeperspektiven nach dem Ende des Aufenthaltstitels sind. „Demnächst kommt eine sechsköpfige Familie aus Indien. Da ergeben sich Fragen zu Schulbesuch, Kinderbetreuung und vieles mehr“, erzählt der engagierte Koordinator, der auch nach dem Onboarding in Kontakt zu den internationalen Forschenden während ihres Aufenthalts an der HSBI bleibt. So informiert er sie beispielsweise per Mail, wenn in Bielefeld ein Stadtfest ansteht, und er organisiert einmal im Monat ein „International Lunch“.
Das Welcome Center kümmert sich um alle organisatorischen Fragen, damit sich die Forschenden voll auf ihre Arbeit konzentrieren können. In der ersten Jahreshälfte 2023 waren insgesamt 150 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der HSBI zu Gast. 90 davon kamen im Mai zur „Internationalen Woche“, die seit einigen Jahren fester Bestandteil der „Internationalisierung@Home“ der HSBI ist. „Wenn Dozentinnen und Dozenten der HSBI internationale Gäste einladen – ganz gleich, ob für ein paar Tage, Wochen oder längerfristig – können sie gewiss sein, dass der Aufenthalt gut vorbereitet wird“, sagt Maximilian Köster. Das gilt übrigens gleichermaßen für die Abreise.
Bielefeld ist Daniela Milanez Silva ans Herz gewachsen
Für Daniela Milanez Silva geht ihre Zeit in Bielefeld bald dem Ende zu. Die Stadt ist ihr im vergangenen Jahr ans Herz gewachsen. Vielleicht kommt sie nach Beendigung ihrer Promotion zurück – wenn sie ein Angebot bekommt. Zuvor muss sie sich mit Hilfe von Maximilian Köster noch einmal durch den deutschen Bürokratie-Dschungel schlagen. Denn alles, was beantragt und beauftragt wurde, muss jetzt wieder abgemeldet und gekündigt werden. Gut, dass das Welcome Center auch dafür eine Check-Liste erstellt hat. Und was nimmt die Doktorandin mit, wenn sie im August zurück nach Brasilien geht? „In fachlicher Hinsicht haben sich alle meine Erwartungen voll erfüllt. Im Herbst kommt eine renommierte Postdoc-Kollegin aus São Paulo nach Bielefeld. Der Austausch geht also weiter“, freut sie sich über die Kontinuität in ihrem Forschungsbereich. Und persönlich? „Ich habe das erste Mal in meinem Leben Schnee gesehen, war Schlittschuhlaufen, und ich liebe die deutschen Weihnachtsmärkte.“ Und so wird gemeinsam mit Daniela Milanez Silva eine umfangreiche Sammlung an Weihnachtstassen die Rückreise nach Brasilien antreten