Bielefeld – Künstliche Intelligenz kann im Sinne des Gemeinwohls genutzt werden – das zeigen zwei vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgezeichnete HSBI-Projekte. Eines bringt Innovation ins Bildungswesen, das andere hilft Angehörigen bei der Pflege und entlastet das Gesundheitswesen.
Gleich zwei Projekte der Hochschule Bielefeld (HSBI) zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) sind beim Ideenwettbewerb der Civic Innovation Platform ausgezeichnet worden. Die Preisverleihung erfolgte am 5. Juni auf der jährlich stattfindenden Digital-Konferenz re:publica in Berlin. Die Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales fördert mit ihren bis zu 20.000 Euro dotierten Preisen die Weiterentwicklung der vielversprechendsten Ideen für gemeinwohlorientierte KI-Anwendungen zu tragfähigen Konzepten.
Schülerinnen und Schüler erhalten eine geschützte Umgebung für die Arbeit mit KI-basierten Textgeneratoren (GPT)
Das erste Projekt soll einen „konstruktiven Zugang zu KI im Bildungswesen“ ermöglichen. „Wir wollen Schülerinnen und Schüler sowie Lehrende zu einem reflektierten Umgang mit Künstlicher Intelligenz einladen und ihnen Tools wie GPT-4 in einer geschützten Umgebung zur Verfügung stellen“, sagt Professor Thomas Süße vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der HSBI. Die neuen Chatbots wie ChatGPT (Generative Pre-trained Transformer) nutzen künstliche Intelligenz, um mit Nutzerinnen und Nutzern über Textnachrichten zu interagieren und dabei natürlich klingende und oftmals gut strukturierte Antworten von teilweise verblüffender Eloquenz zu generieren.
Bei dem Projekt arbeitet die HSBI mit dem Evangelisch Stiftischen Gymnasium Gütersloh und dem Berliner Start-Up Mindverse zusammen. „In einem ersten Schritt haben wir mit Hilfe von Mindverse für die etwa 120 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums kostenfreie und vor allem anonymisierte GPT-3/-4-Zugänge zur Verfügung stellen können“, erklärt Süße. „Mit dem auf die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern optimierten User-Interface von Mindverse sollen die Lernenden die Möglichkeit erhalten, auch umfangreichere Facharbeiten zukünftig mit Hilfe dieser modernen Tools anfertigen zu können. Auch im alltäglichen Schulunterricht werden diese neuen KI-basierten Tools immer öfter von den Lernenden und Lehrerenden genutzt. Hierbei steht ein konstruktiv-kritischer und transparenter Umgang im Mittelpunkt. Seitens der HSBI begleiten wir diesen Prozess aus wissenschaftlicher Perspektive. Unter anderem interessieren uns das typische Nutzenverhalten, der tatsächliche Mehrwert im Lernprozess und die damit verbundenen kritischen Erfolgsfaktoren“. Das Preisgeld aus dem Wettbewerb geht an das auf KI-basierte Textgeneratoren spezialisierte Start-Up Mindverse aus Berlin.
Informationen recherchieren, kritisch sichten und konstruktiv weiterverarbeiten
Gerade in den vergangenen Monaten wurden in den Medien die Chancen, aber auch die Risiken von KI-Anwendungen heiß diskutiert. „Besonders junge Menschen brennen für das Thema“, sagt Prof. Süße. „Doch leider fehlt bei GPT oft eine für die jeweiligen Bedürfnisse angepasste Umgebung. Das können wir ändern.“ Ziel sei es, den Lernenden eine fundierte kritisch-kreative Medienkomptenz zu vermitteln. Wie recherchiere ich sinnvoll? Wie sichte ich Informationen? Wie kann ich sie konstruktiv weiterverarbeiten? „Und gleichzeitig wollen wir herausfinden, wie sich Lernprozesse gezielt verbessern lassen. Das, was wir in Gütersloh ausprobieren, lässt sich im Prinzip auf die gesamte Bildungswelt übertragen.“
Ein vernetzter Haushalt und eine App erkennen Abweichungen von gewohntem Verhalten
Einen ganz anderen gesellschaftlichen Bereich will Thorsten Jungeblut, Mitglied des interdisziplinären HSBI-Forschungsverbundes CareTech OWL, mithilfe von KI revolutionieren: die häusliche Pflege. Das Projekt „KIMUP: KI-gestütztes Monitoring zur Unterstützung in der häuslichen Pflege“des HSBI-Professors mit dem Lehrgebiet Industrial Internet of Things wurde ebenfalls von der Civic Innovation Platform prämiert. „Unser Ziel ist dabei die Umsetzung eines App-basierten Systems zur Bewertung der Aktivität von gepflegten Angehörigen in ihrer häuslichen Umgebung“, sagt Prof. Jungeblut.
Vier von fünf Pflegebedürftigen werden in Deutschland zuhause versorgt – die Unterstützung durch Angehörige spielt dabei häufig eine wichtige Rolle. „Unsere App kann ihnen diese Tätigkeit erleichtern – Voraussetzung ist allerdings ein sensorisch vernetzter Haushalt, sprich: ein Smart Home“, so der HSBI-Wissenschaftler. Also lernt die verwendete KI die Gewohnheiten der pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner kennen: Wann machen sie das Licht an und aus? Wie häufig geht die Toilettenspülung? Wie lange läuft der Herd? Potenziell gefährliche Abweichungen im Verhalten werden registriert und gemeldet.
Keine baulichen Veränderungen nötig, Sensorik auf ein Minimum beschränkt
„Wir wollen mit dem Projekt herausfinden, welche Sensorik notwendig ist, um frühzeitig gesundheitliche Probleme zu erkennen“, erklärt Dr. Christoph Ostrau, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projekts.. „Und wie es um die Akzeptanz dieses Ansatzes steht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass personenbezogene Daten nur im lokalen Netzwerk gespeichert werden und nicht nach draußen gelangen.“
Testpatientinnen und -patienten für das Projekt vermitteln die Praxispartner „Mobile Geriatrische Rehabilitation Bielefeld“ sowie das „GesundZentrum“ der PVM GmbH. Bauliche Veränderungen im Wohnumfeld sollen dabei möglichst nicht nötig sein – die genutzte Sensorik wird auf ein Minimum beschränkt. Dafür ist ein weiterer Partner zuständig: der KogniHome e.V. mit seinem Netzwerk von Partnern aus Wissenschaft, Industrie sowie Sozial- und Gesundheitswesen.
„Wir hoffen“, so Ostrau, „dass wir damit einen Beitrag dazu leisten, dass Pflegedürftige länger zuhause wohnen bleiben können, dass Angehörige bei ihrer schweren Aufgabe entlastet werden und dass auch der Aufwand von professionellen Pflegediensten reduziert werden kann.“