Bielefeld – Am 26. Mai präsentieren ausgewählte Agenturen und Unternehmen auf der CXI 2023 wieder ihre Projekte im Lokschuppen Bielefeld. Darunter Hochkaräter wie der Facebook-Konzern Meta. Das Treffen ist mit tausend Teilnehmenden die größte europäische Konferenz für Corporate Identity und wird in Kooperation mit der Hochschule Bielefeld organisiert. Fragen an den CXI-Gründer und HSBI-Professor Robert Paulmann vom Fachbereich Gestaltung.
Die Kommunikationsbranche steht vor Herausforderungen, die so groß sind wie lange nicht mehr, sagt Prof. Robert Paulmann, am Fachbereich Gestaltung der Hochschule Bielefeld (HSBI) zuständig für das Lehrgebiet Kommunikationsdesign/Corporate Design am Vorabend der CXI 2023: „Die enorme Geschwindigkeit, mit der sich KI entwickelt und welche Auswirkungen diese Entwicklung kurz- und mittelfristig auf die Branche hat, lässt momentan nur erahnen.“ Ein weiterer wichtiger Trend, den Paulmann ausgemacht hat, ist die nach wie vor hohe Relevanz der Bereiche »Soziale Verantwortung« und »Nachhaltigkeit« bei der Entwicklung von Marken. „Darüber hinaus führt der hohe Digitalisierungsgrad der Kommunikationskanäle dazu, dass das Design heute sehr anpassungsfähig sein muss – ohne seine Wiedererkennbarkeit zu schwächen.“ Auch das, so Paulmann im Interview, sei eine große Herausforderung.
Prof. Paulmann, unter welcher Überschrift läuft die CXI 2023?
Das diesjährige Motto lautet »How do we make it visible«. Das Zitat stammt aus dem Vortrag von Oliver Helfrich zum Berliner-Philharmoniker-Vortrag bei der CXI 2022. Unserer Meinung nach trifft es unsere Aufgabe als konzeptionelle Gestalter*innen sehr gut: Vordergründig geht es um das Visualisieren – im Grunde geht es aber vor allem darum, Marken zunächst einmal zu »verstehen«, um sie dann anschließend adäquat visuell zu interpretieren und zu kommunizieren.
Was sticht 2023 aus Ihrer Sicht heraus aus dem CXI-Programm?
Jeder Vortrag für sich gesehen ein Highlight – insofern tue ich mich schwer, einen hervorzuheben. Unser Ziel ist es, sehr unterschiedliche Sprecher*innen-Konstellationen auf die Bühne zu bringen: große Konzerne, kleine Manufakturen, Ein-Personen-Designbüros und »große« Branding-Agenturen etc. Das macht es zum einen schwer, die Vorträge zu vergleichen, zum anderen aber sorgt es für eine große und damit hoffentlich interessante Bandbreite der Themen. Wenn wir das schaffen, haben wir unser zentrales Ziel erreicht.
Vor kurzem hat sich die FH Bielefeld umbenannt in „Hochschule Bielefeld – University of Applied Sciences and Arts“, HSBI. Welche Gründe sprechen Ihrer Meinung nach dafür, dass das eine gute Idee war?
Mit der Umbenennung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Hochschule längst dem einstigen, sehr schulischen Fachhochschulwesen entwachsen ist und mittlerweile Lehre und Forschung auf hohem internationalen Niveau durchführt.
Die Hochschule Bielefeld arbeitet primär mit dem Kürzel HSBI. Hat das klassische Logo, das stempelhaft überall draufgeklatscht wird, ausgedient?
Definitiv. Wie erwähnt müssen Erscheinungsbilder auf immer unterschiedlicheren und vielfältigeren Formaten und Medien eindeutig wiedererkennbar funktionieren. Die Wiedererkennbarkeit geschieht dabei nicht primär über das Logo, sondern die Gesamtanmutung, die in der Regel wiederum aus dem abgestimmten Zusammenspiel zwischen Farbigkeit, Typografie, Bildstil und -sprache etc. besteht. Wenn Sie ausprobieren möchten, ob ein Corporate Design funktioniert, dann decken Sie das Logo ab: Erkennt man dann immer noch das Unternehmen oder die Institution dahinter, wurde guter Job gemacht. Im Fall der HSBI leitet sich aus der verfremdeten Wortmarke ein Gestaltungssystem ab, das diese Unverwechselbarkeit erzeugt.
Wie pfleglich geht man aus Expertensicht im mittelständisch geprägten OWL mit dem Gebiet CI, CD, Brand-Design um?
Die erfolgreichen Unternehmen in OWL – und davon haben wir erfreulicherweise eine große Anzahl – haben schon lange realisiert, dass für den Unternehmenserfolg nicht nur ein exzellentes Produkt bzw. Dienstleistung notwendig ist, sondern dass es ebenso wichtig ist, ihre Marke zu entwickeln, eindeutig zu positionieren und damit vom Wettbewerb dauerhaft positiv abzuheben. In der Regel geschieht dies über eine enge und langfristige Zusammenarbeit mit entsprechenden Agenturen. In diesem Zusammenhang sieht sich die CXI-Konferenz auch als Impulsgeberin für Unternehmen, die sich bisher noch nicht mit der Thematik tiefer beschäftigt haben und zunächst einmal einen ersten Einblick in die Möglichkeiten des Brandings gewinnen möchten.
Ein CI-Prozess ist eine aufwändige und damit auch teure Sache. Dennoch sind CI und CD auch für Unternehmen mittlerer Größe wichtig. Gibt es vernünftige „Economy“-Lösungen?
CI-Prozesse sind immer skalierbar. Das bedeutet, dass natürlich auch kleinere Unternehmen mit vergleichsweise geringem Budget einen angemessenen und effektiven Entwicklungsprozess ihrer Marke realisieren können. Als Unternehmen sollte man sich aber auch darüber im Klaren sein, dass es sich hierbei um eine Investition handelt, die sich über die Zeit bezahlt macht und die auch entsprechend eingeordnet werden muss. Wie in vielen anderen Bereichen ist auch hier die vermeintlich »billige« und schnelle Lösung am Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit die teurere und wenig nachhaltige.
Immer mehr Mitarbeitende in Unternehmen sind heute Publisher. Welche Konsequenzen hat das für die Entwicklung von CD und Brand Design?
Bislang war die Umsetzung des Brand Designs relativ gut zu steuern, da sie in der Regel von Fachleuten übernommen wurde. Wenn nun immer öfter fachfremde Mitarbeiter*innen im Namen des jeweiligen Unternehmens kommunizieren, hat das einen gewissen »Wildwuchs« zur Folge. Das kann tatsächlich positiv und authentisch wirken – trotzdem sollten die Unternehmen diese Entwicklung eng begleiten in dem sie z.B. Material vorhalten – und gegebenenfalls einschreiten: Letztlich ist das Unternehmen für alles verantwortlich, was in seinem Namen geschieht und publiziert wird.
Oft werden aus einer CI nicht nur das CD abgeleitet, sondern gleich auch ein Corporate Behaviour. Wird Individualismus hier bewusst zurückgedrängt?
Nein. Es handelt sich eher um Codes of Conduct. Personalisierung, also die direkte Ansprache, wird im Gegenteil aufgrund des hohen Digitalisierungsgrades immer bedeutsamer.
Prof. Paulmann, vielen Dank für das Gespräch!
(Das Interview führte Dr. Lars Kruse, Leiter der Hochschulkommunikation der HSBI)
Das ist die CXI 2023
Die größte europäische Messe für Corporate Identity findet dieses Jahr bereits zum 13. Mal statt und wird von einem kleinen Team organisiert, das aus dem Gründer Prof. Robert Paulmann vom Fachbereich Gestaltung der HSBI und Studierenden besteht. Sie entwickeln das Design, organisiert die Medien und koordinieren die Vorträge bzw. die Sprecher*innen der Konferenz.
Das Prinzip des Kongresses sieht vor, dass stets Agentur und beauftragendes Unternehmen ihre Kommunikationsaufgabe und die Lösung gemeinsam vorstellen. Dieses Jahr auf dem Programm, das am 26. Mai um 10 Uhr im Lokschuppen Bielefeld startet:
Škoda, Prag und Strichpunkt, Berlin
Founderland, Berlin und R/GA, Berlin
Jokolade, München und Designstudio Mathilda Mutant, Mainz
Veolia Towers Hamburg und Sherpa Design, Hamburg
Meta, Menlo Park und Saffron Consultants, Madrid
Über die Hochschule Bielefeld (HSBI)
Die „Hochschule Bielefeld (HSBI)“, bis 19. April dieses Jahres Fachhochschule Bielefeld, ist mit mehr als 10.500 Studierenden die größte Hochschule für Angewandte Wissenschaften in OWL. Sie besitzt Standorte in Bielefeld, Minden und Gütersloh. Das Angebot der sechs Fachbereiche umfasst 75 Studiengänge und reicht von BWL und Ingenieurwissenschaften über Gestaltung, Architektur und Bauwesen bis hin zu Sozialer Arbeit, Pädagogik der Kindheit, Pflege und Hebammenwissenschaft. Studieren kann man klassisch in Vollzeit, praxisintegriert mit Anstellung (und Bezahlung!) in einem Unternehmen oder berufsbegleitend abends und am Wochenende. Die HSBI kooperiert mit 350 Unternehmen in OWL und darüber hinaus und ist international mit mehr als 150 Hochschulen vernetzt.