Arbeit wird komplexer: Teams arbeiten zunehmend dezentral und in einem immer dynamischeren Umfeld. Früher wurden vornehmlich gleichbleibende Aufgaben in die Hände von Fachkräften gegeben. Es war die Zeit industrieller Produktion – lineare Abläufe mit einfachen Handgriffen. Heute braucht es für gute Ergebnisse Wissen von verschiedenen Expert*innen, die gemeinsam an Lösungen arbeiten. Was bedeutet das für die Führung von Teams?
Die Liste der Unternehmen, die ihre Strukturen, Führung und Zusammenarbeit neu denken, wächst täglich. HARTING Applied Technologies ist mit agiler Fertigung erfolgreich. Auch Dr. Oetker und Claas widmen sich seit Jahren dem Thema Agilität. In OWL befasst sich das Projekt “AWARE – Arbeit 4.0” mit der neuen Formen der Arbeit. New Work ist in der Region kein Fremdwort.
Grund hierfür sind vor allem die großen Veränderungen der letzten Jahre. Im Tagesgeschäft werden einfache Aufgaben digitalisiert bzw. automatisiert. Komplexere Themen, für die man neue Lösungen finden muss, werden alltäglicher. Hierzu braucht es andere Prozesse. Dabei werden Aufgaben nicht mehr linear durch verschiedene Abteilungen gereicht, sondern fachübergreifend bearbeitet. Unternehmen, die diese Änderungen nicht vornehmen, haben das Nachsehen.
Deutlich wird dies am Beispiel einer Marketingkampagne. Früher hat es gereicht, dass ein/e Marketing Manager*in mit der Projektleitung einer Agentur, einem Art Director und einem Texter an Ideen gearbeitet hat. Heute braucht es Spezialisten für alle möglichen Themen: Digital Design, Content Marketing, Social Media, SEO, Programmatic Advertising, Influencer Marketing, CRM, Data Analysts – nur wenn Experten verschiedener Disziplinen gemeinsam an einem Thema arbeiten, kann eine Kampagne erfolgreich sein.
Hinzu kommen äußere Faktoren. Corona hat die Trends “Remote Working” und “Dezentrale Teams” verstärkt. Teams sitzen nicht mehr an einem Ort. Sie koordinieren sich über Videokonferenzen und digitale Werkzeuge. Führungskräfte können nicht im Vorbeigehen erkennen, wer woran arbeitet.
Neue Formen der Führung
In diesem Kontext spielt agiles Arbeiten seine Stärken aus. Teams werden selbstorganisiert und durch Führungskräfte qualifiziert, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Hierzu nehmen Manager unterschiedliche Rollen ein. Sie werden zu Mentoren, Product Ownern oder Agile Coaches:
- Als Mentoren bringen sie das langjährig erworbene Wissen ins Team. Sie werden dazu geholt, um ihre Perspektive einzubringen und Teams zu beraten.
- Als Product Owner übernehmen sie die Verantwortung für die strategische Richtung eines Teams. Sie bauen Wissen zu Kundenbedürfnissen und Anforderungen auf, überführen diese in Ziele und priorisieren sie.
- Als Agile Coaches helfen sie dem Team, seine Prozesse, Verantwortlichkeiten und Zusammenarbeit zu verbessern. Sie bringen Methoden ein, damit Gruppen Ideen finden und wertstiftende Entscheidungen treffen.
Die Veränderungen treten nicht auf Knopfdruck ein, aber sie kommen. Für Führungskräfte stellt sich die Frage, in welcher Rolle sie in einer agilen Zukunft führen möchten. Vor diesem Hintergrund gibt es zunehmend Fortbildungsangebote. So zertifiziert die IHK Düsseldorf gemeinsam mit der agilen Beratung Me & Company eine 10-monatige Agile Coach Ausbildung, die parallel zum Beruf absolviert werden kann. In dieser lernen die Teilnehmenden Methoden und Mindset agiler Arbeit. Sie findet online statt und enthält viele Simulationen und interaktive Elemente. Auf diese Weise wird zugleich die Kompetenz für digitales Arbeiten gestärkt.
Servant Leadership als neuer Führungsstil
Teams zu eigenständigem Handeln zu befähigen, ist Kern der neuen Führungsidee. Das klingt nach Empowerment, geht aber noch einen Schritt weiter. Agile Führung findet auf Augenhöhe statt. Top-down-Entscheidungen werden nur als Ausnahme getroffen. Der neue Modus fokussiert auf Unterstützung.
Unterstützende Führungskräfte helfen auf Nachfrage und nicht durch Kontrolle. Statt Entscheidungen zu treffen, vermitteln sogenannte Servant Leader, nach welchen Kriterien oder in welchem Prozess sie selbst zu einer qualifizierten Entscheidung kommen. Sie begleiten und fördern, statt nur von oben herab zu befähigen.
Einer der Vorreiter dieses Führungsstils ist der frühere U-Boot-Kapitän David Marquet. Auf seinem Schiff, dem Atom-U-Boot USS Santa Fee, hatte David Marquet schon vor Jahren auf einen neuen Führungsstil setzen müssen. Zuvor war das Schiff bei den Inspektionen des Kommandos negativ aufgefallen und platzierte sich auf dem letzten Platz der jährlichen Rangliste.
Als Marquet Kapitän des Schiffes wurde, erkannte er schnell, wo das Problem lag. Die Mannschaft setzte auch unqualifizierte und nicht umsetzbare Befehle gehorsam um. Niemand dachte mit. Das Team befolgte die Befehle. Also entschied sich Marquet dazu, die Verantwortung aller Aufgaben an die Mannschaft zu übergeben. Nur eine einzige Entscheidung beließ er bei sich: das Abfeuern einer Waffe. Fortan führte er nur, indem er seine Intention äußerte und das Team selbst die nötigen Schritte ausarbeiten ließ. Ein voller Erfolg: Innerhalb von einem Jahr wurde das U-Boot zum besten der gesamten Navy.
Neben David Marquet gibt es viele Beispiele, wie unterstützende oder auch transformationelle Führungsstile die Effektivität eines Teams stärken. Agile Coaches spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie begleiten Führungskräfte und Teams in ihrer Entwicklung und sorgen dafür, dass der Wandel möglichst harmonisch abläuft. Sie helfen, Barrieren zu beseitigen, Offenheit herzustellen und sorgen für einen Rahmen, in dem sich Fachexpert*innen und Führungskräfte sicher fühlen. Das gilt insbesondere dann, wenn mal etwas schiefläuft.