Im Forschungsprojekt „ViRDiPA“ wird ein Fortbildungskonzept für Lehrende an Pflegeschulen entwickelt, mit dem sie den Einsatz digitaler Medien und Virtual Reality erlernen. Nun stellten Lehrkräfte und Praxisanleitende aus der Pflegeausbildung ihre Arbeitsergebnisse in der FH vor.
In der Pflegeausbildung ist vor allem eines von zentraler Bedeutung: die Verknüpfung von Theorie und Praxis. Denn zwischen theoretisch erworbenem Wissen und der praktischen Arbeit in einer Pflegeeinrichtung können Welten liegen. Um diesen Transfer zu stärken, hat die Fachhochschule (FH) Bielefeld gemeinsam mit der Universität Bielefeld, der Hochschule Emden/Leer und dem Verein Neue Wege des Lernens e.V. das Projekt „ViRDiPA“ ins Leben gerufen. ViRDiPA steht für „Virtual Reality basierte Digital Reusable Learning Objects in der Pflegeausbildung“. Kern des Projekts ist ein Fortbildungskonzept für Lehrende an Pflegeschulen und Betrieben, das sie zum Einsatz und zur Gestaltung von digitalen Lernaufgaben mittels Virtual Reality und digitalen Medien befähigen soll. Bei der Abschlussveranstaltung der Fortbildung haben Lehrkräfte und Praxisanleitende aus der Pflegeausbildung kürzlich ihre bisherigen Arbeitsergebnisse vorgestellt: digitale Lernaufgaben und 360 Grad VR-Szenarien, die bereits mit Auszubildenden in den Pflegeschulen erprobt wurden.
Virtual Reality – Entscheidungen treffen ohne Konsequenzen
„Virtual Reality ermöglicht den Lernenden, Situationen wie Stürze, Reanimationen oder epileptische Anfälle in einem geschützten Raum zu erleben, die so in der Ausbildung nicht planbar sind“, erklärt Projektleiterin Prof. Dr. Annette Nauerth vom Fachbereich Gesundheit der FH Bielefeld. „Sie können in die VR-Szenarien eintauchen und Entscheidungen treffen, ohne dass eine Person zu Schaden kommen kann. Das gemeinsame Reflektieren über das Erlebte hilft zusätzlich, Handlungssicherheit für die Praxis zu gewinnen.“
Ein weiterer Vorteil: Materialien einsparen
Praxispartner Claus Werner, Pflegepädagoge an der Akademie für Gesundheitsberufe der Mindener Mühlenkreiskliniken, empfindet das Projekt als vollen Erfolg. Für ihn ist die Nachhaltigkeit ein weiterer wichtiger Aspekt des Projekts: „Es ist nicht zu unterschätzen, wie viel Verbandmaterial, Infusionen und Medikamente durch VR-Szenarien eingespart werden können.“
Live und mittendrin: Lernmaterial mit 360-Grad-Kamera
Die Besonderheit bei „ViRDiPA“ ist die Möglichkeit, selbst Lernmaterialien für VR zu erstellen. So konnten die Lehrenden nicht nur die Nutzung der digitalen Tools erlernen, sondern auch selbst Lernmaterial mit einer 360-Grad-Kamera konzipieren. Annette Nauerth ist begeistert von der interdisziplinären Zusammenarbeit: „Mediendidaktische, pflegepädagogische und Informatikkompetenzen wurden zusammengebracht, um Lehrkräfte in die Lage zu versetzen, selbst digitale Lernmaterialien zu entwickeln. Das ist schon beeindruckend.“
Rundum-Paket: mediendidaktische, technische und rechtliche Grundlagen
Denn die meisten Lehrenden hatten bei Projektstart wenig bis gar keine Erfahrung mit digitalen Medien. Daher wurden die Kompetenzen Schritt für Schritt vermittelt: Zunächst konnten die Beteiligten Aufgaben mit digitaler Unterstützung erleben, das Gelernte in Tandems umsetzen und mit ihren Auszubildenden erproben. In einem zweiten Schritt haben sie eigene Lernaufgaben mit VR-Technologien entwickelt und umgesetzt. So wurden nicht nur mediendidaktische, sondern auch technische und rechtliche Grundlagen für den Medieneinsatz vermittelt.
Bedarfsanalyse soll Lücken aufzeigen
Um gezielt dort ansetzen zu können, wo die Praxispartner den Weiterbildungsbedarf sehen, wurde zunächst eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Danach wurde die Fortbildung für die Lehrkräfte geplant und die Materialien entwickelt. Praktisch: Das Angebot wurde nicht nur konzipiert, sondern auch direkt mit Teilnehmenden unterschiedlicher Bildungsstätten durchgeführt und im Anschluss evaluiert. So konnten die Teilnehmenden Feedback geben und das Fortbildungskonzept selbst mitgestalten.
Intensiver Austausch zwischen Theorie und Praxis
Ein Problem, wie in so vielen Projekten: die Corona-Pandemie. Denn das Projekt startete ausgerechnet in einer Lockdown-Phase, sodass viele Prozesse umgedacht werden mussten. Daher konnten sich die Mitarbeitenden erst spät im Projekt persönlich treffen und kennenlernen. Trotzdem hält Claus Werner das Projekt für gelungen: „Es war eine tolle Idee, dieses Projekt auf die Schultern von Praxis und Theorie zu verteilen. Es hat dadurch einen sehr intensiven Austausch zwischen dem Theoriestandort und der Praxis gegeben, der den jeweiligen Teilnehmern die ‚andere Seite‘ mit ihren Herausforderungen nähergebracht hat.“
Denkbar: Transfer des Konzepts in andere Berufsspaten
Das bisherige Ergebnis: Alle Einrichtungen haben innerhalb der Schulungsmodule selbst Lernaufgaben entwickelt, die jetzt als Open Educational Resources (OER) zur Verfügung gestellt werden. So können auch andere Ausbildungsstätten davon profitieren. Für 2023 ist die Abschlusstagung des Projekts geplant, zu der erneut alle Beteiligten zusammenkommen und sich über ihre Erfahrungen und das Gelernte austauschen werden. Künftig soll das Qualifizierungskonzept als Zertifikat an der FH Bielefeld angeboten werden. Außerdem ist ein Transfer des Konzepts in andere Fachrichtungen und Berufe denkbar. Nauerth: „Perspektivisch könnte die Schulung in Teilen auch in die Lehrer- und Lehrerinnenbildung in den Gesundheitsberufen integriert werden, beispielsweise in fachdidaktischen Modulen. Schließlich ist der Einsatz von digitalen Medien und VR nicht nur für Pflege-Berufe interessant.“