Kompetenzzentrum Frau & Beruf Münsterland im Gespräch mit der 22-jährigen KFZ-Lackiererin und Unternehmensnachfolgerin über Rollenbilder, Frauen im Handwerk und ihre Verantwortung im Familienunternehmen
Tabea Thier ist gerade einmal 22 Jahre jung und weiß bereits genau, wo ihr beruflicher Lebensweg sie einmal hinführen wird. Als gelernte Kfz-Lackiererin hat sie schon mit 20 Jahren die Meisterprüfung absolviert und damit ein großes Ziel ihrer Pläne erreicht. Doch auf die junge Münsteranerin warten noch weitere spannende berufliche Schritte: In wenigen Jahren wird sie das Familienunternehmen, die Kfz-Werkstatt ASB Thier GmbH in Münster, fortführen.
Als Frau, die in einem noch immer männerdominierten Beruf tätig ist, ist Tabea Thier Teil der Reihe „Vorbildfrauen im Münsterland“ des Kompetenzzentrums Frau & Beruf Münsterland. Hier werden Frauen dieser Region begleitet und vorgestellt, die mit ihrem beruflichen Lebensweg für Vielfalt in der Arbeitswelt stehen und insbesondere jungen Mädchen ein Vorbild sein können.
Das Gespräch mit Tabea Thier ist vielseitig und tiefgründig, denn die junge Frau weiß um die Rollenbilder und Klischees ihrer Branche. Ihr ist es ein besonderes Anliegen, sich für das Image des Handwerkes und junge Mädchen, die hier ihren beruflichen Lebensweg gehen wollen, einzusetzen. Offen und ehrlich spricht sie mit dem Kompetenzzentrum Frau & Beruf über die Berufsfindung, Tradition und Verantwortung, Mut, Chancen und Herausforderungen für und von Frauen im Handwerk.
Kompetenzzentrum Frau & Beruf:
Stand schon immer fest, dass es für dich in eine handwerkliche Richtung gehen soll?
Tabea:
Ja auf jeden Fall. Einerseits lagen meine Interessen einfach in diesen Bereichen, andererseits hat es mich auch gereizt, als Frau ein Statement zu setzen. Es macht mir Spaß zu zeigen, dass man auch als Frau in einem handwerklichen Beruf arbeiten kann. Auch wenn man ursprünglicher Plan ein anderer war: Ich bin heute sehr zufrieden, in der Kfz-Branche gelandet zu sein.
Kompetenzzentrum Frau & Beruf:
Wurdest du denn zu Schulzeiten gut in der Berufsfindung unterstützt?
Tabea: Grundsätzlich gab es schon gute Maßnahmen zur Berufsorientierung wie zum Beispiel mehrwöchige Praktika. Ich hätte mir gewünscht, dass es noch mehr Angebote gegeben hätte, um uns Mädchen auch technische und handwerkliche Berufe näher zu bringen. Die Angebote haben die geschlechter-dominierten Bereiche eher noch unterstützt. Mädchen wurden demnach beispielsweise etwas mehr in Richtung des Friseurhandwerks oder ähnlichem „gedrängt“ als die Jungs. Eine breitere Orientierung hätte mir deutlich besser gefallen. Ich war froh, dass ich mein Schulpraktikum bereits durch Kontakte meines Vaters in der Lackiererei eines Automobilhändlers machen konnte. Das hat mir gut gefallen und dafür gesorgt, dass ich dort direkt meine Ausbildung absolviert habe.
Kompetenzzentrum Frau & Beruf:
Gibt es Themen, die dir beruflich sehr am Herzen liegen?
Tabea:
Im Großen und Ganzen geht es darum, den Kunden oder die Kundin glücklich zu machen. Das ist jederzeit mein oberstes Ziel, das ich mit meiner Arbeit erreichen möchte. Ein anderes Thema, das mir sehr wichtig ist, bezieht sich eher auf das Image des Handwerks. Ich finde es schade, dass es immer wieder Leute gibt, für die Handwerk schmutzige Arbeit ist. Es gibt immer noch Jugendliche, die sich durch Vorurteile davon abhalten lassen, einen Beruf im Handwerk auszuüben. Unsere Arbeit in jeglichen Branchen ist so wichtig für unsere Gesellschaft. Das zu vermitteln und dafür zu stehen, ist mir ein besonderes Anliegen.
Kompetenzzentrum Frau & Beruf: Du bist nun die dritte Generation in eurem Familienunternehmen. Was bedeutet das für dich?
Tabea: Für mich bedeutet das vor allem Tradition. Ich bin sehr stolz darauf, unser Familienunternehmen in Zukunft weiterführen zu dürfen. Ich habe große Freude an der Arbeit, mit allem, was dazu gehört und was noch auf mich zukommen wird. Ich kenne unsere Kolleginnen und Kollegen zum Teil schon seitdem ich klein bin, ich bin mit ihnen aufgewachsen. Auch viele Lieferanten und Kunden kenne ich schon sehr lange. Unser Betrieb bedeutet mir sehr viel und ist einfach ein Teil von mir. Das ist sehr schön.
Kompetenzzentrum Frau & Beruf:
Bist du stolz darauf, dass du als Frau diese Tradition in Zukunft fortführen darfst und damit in die Fußstapfen von deinem Opa und Vater trittst?
Tabea:
Ich bin absolut stolz darauf. Es setzt vielleicht noch einmal einen oben drauf als Frau im Handwerk, diesen Weg von der Ausbildung zur Unternehmensführung gemeistert zu haben.
Kompetenzzentrum Frau & Beruf:
Hast du den Eindruck, dass du als Frau auch neue Sichtweisen in das Unternehmen einbringst?
Tabea:
Ich hoffe sehr, dass ich ein paar neue Ansichten mit in unser Unternehmen einbringen kann. Ich möchte einfach einen guten Mittelweg finden. Mein Opa und mein Vater haben viele gute Gedanken und Sichtweisen in unser Unternehmen gebracht, die ich auch gerne übernehme. Ich möchte einfach reflektiert darangehen und nicht sagen, weil wir etwas schon immer so gemacht haben, ändern wir Dinge nicht. Ich denke, wenn man mit einer anderen Herangehensweise gleich gute oder bessere Arbeit erzielen kann, sollte man auch einmal neue Wege gehen. Mein Ziel ist für unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Kunden aber auch für unsere Lieferanten gute Bedingungen zu schaffen.
Kompetenzzentrum Frau & Beruf:
Welche anderen beruflichen Ziele oder Pläne hast du noch?
Tabea:
Eigentlich habe ich mit der Meisterprüfung mein größtes Ziel bereits erreicht. Aber natürlich ist es mein nächstes größeres Ziel, die Unternehmensführung gut zu übernehmen, wenn mein Vater in Rente geht .Bis dahin möchte ich einfach noch viele Erfahrungen sammeln und alles Wissen, das er mir auch vermitteln kann, aufnehmen.
Kompetenzzentrum Frau & Beruf:
Was würdest du anderen Frauen oder Mädchen mit auf den Weg geben, die mit dem Gedanken spielen, eine Ausbildung als Fahrzeuglackiererin zu machen?
Tabea: Man sollte keine Angst davor haben, in einem männerdominierten Beruf tätig zu werden. Es sind Berufe wie jede anderen auch. Als Fahrzeuglackiererin arbeitet man viel mit den Händen und kann etwas gestalten. Es gibt viele Möglichkeiten zur persönlichen, individuellen Weiterentwicklung. Eine Weiterbildungsoption wäre zum Beispiel die Technik Air-Brush. Das Handwerk ist sehr vielseitig, das sollte genutzt werden.
Das Kompetenzzentrum Frau & Beruf Münsterland ist ein Projekt, das kleine und mittlere Unternehmen im Münsterland dabei unterstützt, eine frauen- und familienfördernde Personalpolitik zu etablieren. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Findung, Gewinnung und Bindung qualifizierter weiblicher Fach- und Führungskräfte, um damit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Interviewreihe Vorbildfrauen im Münsterland soll junge Mädchen motivieren, ihren Interessen und Fähigkeiten voll und ganz nachzugehen. Anderen Unternehmen sollen sie Beispiele und Anreize geben, sich attraktiv für Frauen als Fachkräfte aufzustellen und diese in den Fokus der Personalgewinnung zu stellen. Das Kompetenzzentrum Frau und Beruf Münsterland wird von der Handwerkskammer Münster getragen und kooperiert mit dem Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik. Gefördert wird das Projekt vom Landesministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung sowie aus dem EFRE-Fonds der EU.
Das Interview in kompletter Länge ist über das Kompetenzzentrum Frau & Beruf Münsterland abrufbar.