Egal, ob aus Forschung, Industrie, Spedition oder Dienstleistung: Jeder Diskussionsteilnehmer der am 18. März sehr gut besuchten Sitzung des Fachbeirats Logistik im Daten Competence Center (Herford) bedauerte das Fehlen – oder vielleicht das Desinteresse? – des Möbelhandels an einer gemeinsamen Lösungsfindung der akuten Probleme rund um das Thema Neumöbellogistik. Dabei gibt es eine Vielzahl guter Ideen, die sowohl von Prof. Dr. Nektarios Bakakis als auch von Vertretern der AMÖ und der Industrie vorgestellt wurden – und zeitnah in gemeinsame praxisrelevante Förderprojekte münden könnten, so die Überzeugung von DCC-Chef Dr. Olaf Plümer und der online präsenten Fachbeiräte.
Nach Begrüßung der Teilnehmer auf der virtuellen Sitzung durch den Geschäftsführer des DCC erläuterte Andreas Ruf vom VDM (Bad Honnef/Herford) die Lage der Möbelindustrie im besonderen Kontext zur Corona-Pandemie und den damit verbundenen Shutdowns. Dierk Hochgesang, Hauptgeschäftsführer des Logistikverbands AMÖ (Hattersheim) nahm diesen Schwerpunkt danach mit Blick auf die Neumöbellogistik auf. Nicht nur aus seiner Sicht beginnt sich die Situation rund um die Logistik immer mehr zuzuspitzen: explodierende Dieselpreise, steigende CO2- Ausgleichsabgaben, zunehmende „Reibereien“ an der Rampe oder der fehlende Nachwuchs sind nur einige der Brennpunkte. Besser zahlende Branchen einerseits und andererseits die händische Entladung beim Möbelhandel durch die Fahrer sind die augenfälligsten Hürden, junge Menschen für den Job des Möbelspediteurs zu begeistern, so Hochgesang.
AMÖ-Vizepräsident Dr. Martin Ahnefeld unterstrich diese Einschätzung und legte den Finger direkt auf die Wunde: Schwierigkeiten bei logistischen Abläufen seien offenbar – außer für die unmittelbar Betroffenen – kein „lösungswürdiges“ Thema. Die Ware käme ja stets zum Möbelhandel und erst, wenn es richtig knirscht, wird wohl reagiert werden. Diese prekäre Situation könne nun durch Corona schnell und dramatisch eintreten…
Prof. Dr. Bakakis griff diese Zustandsbeschreibungen auf und stellte verschiedene Lösungsvorschläge vor: Zum Beispiel brachliegende Potentiale der Wertschöpfungskette zu erschließen, wie eine Bachelorarbeit der HS Worms bei einer Befragung von Industrie, Logistik und Handel unlängst herausarbeitete. Nicht nur Technologien wie Big Data oder KI seien relevant für Herausforderungen in der Logistik, sondern auch der elektronische Datenaustausch, Online-Marketing oder die hohe Dynamik sich entwickelnder Kundenwünsche. Ansonsten stelle sich immer mehr die Frage, so Prof. Bakakis, wozu der Handel noch gebraucht werde, wenn alternativ „D2C“ bedient werden kann.
Der DCC-Berater rückte danach „digital twins“ und „Retourenmanagement“ in den Fokus. Während die digitalen Zwillinge gesetzgeberisch zum 1. Januar 2023 gefordert werden und nicht zuletzt durch das kommende Lieferkettengesetz an Bedeutung gewinnen, wird die Vermeidung oder sogar Abwendung von Retouren wohl bald ebenfalls zum Politikum. Immerhin ginge es um gewaltige Ressourcen, die aufgewendet werden müssen – und zudem den Carbon Footprint immer weiter vertiefen, anstatt ihn zu entlasten.
Der anschließende Gedankenaustausch zeigte eine außergewöhnliche Bereitschaft der Unternehmen, die anstehenden Probleme aktiv anzugehen. Gerade bei Technologien wie Blockchain sehen sich selbst große Hersteller wie aus der Küchenmöbelindustrie an ihre Grenzen gebracht und benötigen externen Beistand. Diese Kontakte wird Prof. Bakakis ebenso herstellen wie öffentliche Fördertöpfe für die Lösung logistischer Herausforderungen zu erschließen helfen. Denn dafür, so betonte Dr. Plümer abschließend, sei die Ausgangslage ideal: Mit Industrie und Logistik, Forschung und Lehre sowie dem DCC als Branchenorganisation sind alle Akteure perfekt vernetzt und erfüllen sofort beste Förderungsvoraussetzungen. Und gemeinsam zu lösende Logistikthemen gibt es mehr als genug, die als Unternehmen
niemals zu „stemmen“ sind!