Nach Angaben des in Bielefeld ansässigen Verband des Deutschen Zweiradhandels e. V. (VDZ) entwickelte sich das Jahr 2020 für den Fahrradhandel, nach einem Schock im Frühjahr durch den sog. ersten Covid-19 bedingten Lock-Down, zu einem außerordentlichen Umsatzerfolg.
Begünstigt durch eine anhaltendende Schönwetterlage von Frühjahr bis Herbst konnten deutlich zweistellige Umsatzzuwächse generiert werden. Die Fahrradbranche gehörte zu den wenigen Handelsbranchen, die den Umsatzverlust in der Lockdown-Phase, teils innerhalb von zwei Wochen, zum Großteil wieder aufgeholt hatte. Unter Berücksichtigung von Zutrittsbegrenzungen, langen Wartezeiten vor den Geschäften und Umsetzung sämtlicher Hygienemaßnahmen, eine große Herausforderung.
Viele Menschen hatten sehr viel Zeit für Freizeitaktivitäten draußen in der Natur, da andere Beschäftigungsbereiche und Hobbys größtenteils weggefallen waren. Fahrradtouren als Familienausflug waren und sind da weiterhin sehr beliebt. Auch ist ein genereller Trend, bzw. ein Umdenken in der Bevölkerung, wieder mehr Fahrrad zu fahren zu beobachten. Zusätzlich die Situation den ÖPNV, falls möglich zu vermeiden. Unter anderem führten Substitutionseffekte des Ausgabeverhaltens vieler Verbraucher weg von Urlaubsausgaben hin zu hochwertigen E-Bikes im Saisonverlauf zu großer Nachfrage und knapper werdenden Lagerbeständen.
Nicht nur die E-Bikes erfreuten sich einer höheren Nachfrage, sondern auch die normalen Fahrräder (Bio-Bikes, Non-E-bikes) vom Kinderrad bis zum Citybike konnten verstärkt abgesetzt werden.
Über alle Fahrradsortimente war ein Trend zur Marke erkennbar; dies gilt insbesondere für E-Bikes. Ein weiterer Trend wurde durch die Covid-19 verursachten Zugangsbeschränkungen in den Ladenlokalen begünstig: nämlich die Beratung per Terminabfrage zu Verkauf und Service-Leistungen. Gerade Händler mit eher beschränkten Verkaufsflächen stellten zunehmend auf die Beratung per Termin um.
Verbunden mit dem Absatz höherer Stückzahlen bei den Fahrrädern und E-Bikes wurde auch eine stärkere Nachfrage nach Zubehörteilen beobachtet. Die Fahrradhandelsstruktur basiert auf dem Vorordersystem in dem im Sommer des Vorjahres die Kontingente geplant werden. Nachbestellungen sind folgerichtig nur begrenzt möglich. Dieser „Mechanismus“ führte 2020 zu deutlichen Versorgungsengpässen in der zweiten Hälfte der Saison.
Durch die hohen Verkaufszahlen entstand ein weiterer Engpass im Bereich der Werkstatt-Leistungen. In der Folge konnten zum Teil sehr lange Wartezeiten auf einen Reparaturtermin beobachtet werden.
Trotz aller positiven Signale ist ein Rückgang der prozentualen Rohertragsentwicklung ersichtlich. Ausschlaggebend hierfür dürfte der relativ stark gestiegene und insgesamt dominante E-Bike- Umsatzanteil sein, die Zuwächse im Service- und Zubehörbereich können diesen Trend offensichtlich nicht kompensieren. Dies dürfte für die zukünftige Rentabilitätsentwicklung von Bedeutung werden.
Zahlen – Daten
- Gesamt Umsatzveränderung (alle Sortimente, Fahrrad, E-Bike, Zubehör, Werkstatt usw.) gegenüber 2019 gesamt: +35 %
- E-Bike Umsatzveränderung gegenüber 2019: +65 %
- Bekleidung/Helme/Zubehör/Teile Umsatzveränderung gegenüber 2019: +15%
- Werkstattumsatz Veränderung gegenüber 2019: +16%
Es ist von steigenden Stückzahlen sowohl im E-Bike- als auch im Non-E-Bike-Bereich auszugehen, im Schnitt vermeldet der Fahrradfachhandel ca. 30% bei den E-Bikes und ca. 19% bei den Non-E-Bikes. Es gab auch einen steigenden Online-Anteil nicht nur durch klassische Online-Versender, sondern Covid-19 bedingt auch durch den stationären Fahrradfachhandel (Click&Collect).
Der Fachhandelsanteil im Fahrradhandel liegt bei den Stückzahlen bei ca. 68% und nach Umsatz bei ca. 78%. Der Durchschnittspreis von Non-Bikes liegt bei ca. €630.- brutto und der Durchschnittspreis von E-Bikes bei ca. €2.975 brutto. Der Trend zu höherwertigen Rädern hält an.
Leasing
Die Instrumente der Absatzfinanzierung spielten auch 2020 wiederum eine große Rolle. Neben der Form des Leasings wurde die herkömmliche Finanzierung zum Teil mit 0%- Zins Angeboten nachgefragt. Die Zahl der Leasingagenturen und „leasingbereiten“ Arbeitgeber wächst stetig.
Das hohe Aufkommen der Leasingräder in den Fahrradwerkstätten erschwert die administrative Arbeit bei der Reparaturannahme. Da dort festgestellt werden muss, in welchem Umfang Reparaturen und Inspektionen bei den jeweiligen Leasingagenturen inkludiert bzw. festgeschrieben sind. Die erhobenen Gebühren der Leasingagenturen wirken sich auch weiterhin negativ auf das Jahresbetriebsergebnis aus.
E-Bike
Die E-Bike-Sortimente waren Umsatztreiber Nr. 1 in 2020. In fast allen Warengruppen konnten deutliche Zuwächse erzielt werden. Tendenziell ging die Nachfrage eher in den sportlichen Bereich. E-Bikes mit Rücktrittbremsen fanden weniger Käufer. Selbst die eher bergtauglichen E-MTB- und SUV-Varianten fanden auch bei flacher Topographie großes Interesse. Damit ist das E-Bike in nahezu allen Altersklassen und Fahrradtypen angekommen.
Beratung – Service – Werkstatt
Der Fachkräftemangel führte gerade im Jahr 2020 insbesondere in den Werkstätten zu starken Engpässen. Durch die eingeschränkten Öffnungszeiten, bedingt durch die Lock-Downs, entstanden Wartezeiten bei Verkauf und Werkstatt. Verkäufe via Click&Collect, Terminberatungen usw., zunächst als Notlösung gedacht, führten bei vielen Händlern zu alternativen Verkaufswegen mit richtungsweisenden Tendenzen für die Zukunft.
Fazit
In gesamtwirtschaftlich schwierigen Zeiten konnte sich die Fahrradbranche positiv entwickeln und ihre Umsätze überdurchschnittlich steigern. Die gestiegenen Umsatzanteile bei den Pedelecs führten insgesamt zu höheren Umsätzen aber niedrigeren prozentualen Gesamtmargen.
Engpässe entstanden durch knappe Ware sowohl im Verkauf als auch bei den Ersatz- und Zubehörteilen. Das hohe Reparaturaufkommen führte zu ungewöhnlich langen Wartezeiten im Reparaturbereich. Die Kundenzufriedenheit litt unter der angespannten Situation.
Auch für das Jahr 2021 wird mit einer Fortsetzung des erhöhten Fahrradabsatzes und des positiven und nachhaltigen Trends gerechnet! Der Fahrradfachhandel ist gut vorbereitet und verfügt über volle Läger. Industrie und Handel haben alles in Bewegung gesetzt, um eine möglichst gute Warenversorgung in der kommenden Fahrradsaison zu gewährleisten.
Lockdown – Argumente Wiederöffnung 2021
- Fahrradfahren ist gerade mit dem bevorstehenden Frühlingsbeginn ein unverzichtbarer Bestandteil infektionssicherer Mobilität
- Durch Öffnung der Schulen kommt eine weitere große Gruppe an Menschen hinzu, die auf das Fahrrad im Alltag angewiesen ist: Die Kinder
- Fahrradfahren hält Herz, Kreislauf und Lunge in Schwung
- Der Fahrradhandel bietet ausreichend Platz, um strenge Hygieneregeln einzuhalten
- Geschlossene Fahrradgeschäfte bis Ostern bringen viele Händler in Bedrängnis – Volle Läger – Hohe Kapitalbindung
- Eine frühere Öffnung würde eine Entzerrung des bevorstehenden Ansturms auf die Fahrradgeschäfte vermeiden
- Forderung: Öffnung der Fahrradgeschäfte unabhängig vom Inzidenzwert