Auf im internationalen E-Commerce tätige Unternehmen rollt eine weitreichende Neuregelung der Umsatzsteuer zu, weiß Karin Korte, Steuerberaterin der Bielefelder Kanzlei HLB Stückmann: „Am 1. Juli 2021 soll die nächste Stufe des „Mehrwertsteuer-Digitalpakets“ umgesetzt werden. Aufgrund der Neuregelung wird es künftig regelmäßig dazu kommen, dass Unternehmen ausländische Umsatzsteuer in Rechnung stellen müssen. DieFinanzbehörden werden dafür eine europaweite IT-Plattform namens „One-Stop-Shop“ (OSS) einrichten bzw. die bereits bestehende Plattform „Mini-One-Stop-Shop“ ausbauen.“
Über dieses Medium sollen die Unternehmer künftig ihre Umsatzsteueranmeldungen und -zahlungen für andere europäische Länder vornehmen. Die Abschaffung der dafür geltenden landesspezifischen Lieferschwellen sowie die Einführung des OSS in diesem Zusammenhang sind in Deutschland im Jahressteuergesetz 2020 geregelt. Zur neuen gesetzlichen Lage informiert die Kanzlei aus Bielefeld, die Mitglied im deutschlandweiten Netzwerk HLB Deutschland ist.
Im internationalen Handel galt bisher folgende Regel: Ab einem landesspezifischen Schwellenwert musste die Umsatzsteuer nicht mehr am Ort des Lieferanten, sondern im Zielland, d. h. am Wohnort des im europäischen Ausland lebenden privaten Kunden entrichtet werden.
Grundsätzlich hatten und haben deutsche Händlerdeutsche Umsatzsteuer i. Z. m. Verkäufen an Nichtunternehmer zu entrichten, sofern die Artikel aus einem in Deutschland belegenen Lager nach Europa versendet werden. Allerdings dürfen bei der Lieferung in andere EU-Länder bestimmte landesspezifische Schwellenwerte (sog.Lieferschwellen) nicht überschritten werden (zumindest bis einschließlich Juni 2021). Für Spanien beispielsweise liegt diese noch bei 35.000 Euro pro Jahr; die Lieferschwellen variieren sehr stark und liegen bspw. bei 100.000 Euro pro Jahr in Luxemburg. Nur Händler, die diese jährliche Lieferschwelle des konkreten Ziellandes überschritten, mussten sich am Wohnsitz des Nichtunternehmers umsatzsteuerlich registrieren lassen und den dort gültigen Umsatzsteuer-Prozentsatz abführen.
Die bisherige Regelung wird nun verändert: Mit Umsetzung des OSS entfallen dieländerspezifischen Lieferschwellen und werden durch die sog. „Fernverkaufsregelung“ ersetzt. Künftig soll die Umsatzsteuer stets in dem Staat abgeführt werden, in den die Ware geliefert wird. Eine Ausnahme hierfür gibt es nur für diejenigen Händler, die pro Jahr für weniger als 10.000 Euro Waren an private Konsumenten in andere EU-Länder liefern (EU-einheitliche Geringfügigkeitsschwelle). Darüber hinaus sind, wie schon zuvor i. Z. m. den Lieferschwellen, auch gebrauchte Gegenstände, d. h. von Privatleuten seitens eines Händlers erworbene Gegenstände ausgenommen, sofern diese der Differenzbesteuerung unterliegen.
Die neue Regelung sieht nun so aus: Als für die Umsatzsteuer maßgeblicher Lieferort gilt künftig für sämtliche EU-Fernverkäufe an Nichtunternehmer grundsätzlich das Bestimmungsland. Also das Land, in dem die Ware ihren Bestimmungsort hat. Die für alle EU-Staaten in Summe geltende geringe Lieferschwelle von 10.000 Euro dürfte von einem Großteil der Versandhändler überschritten werden. Das bedeutet: Sendet ein deutscher Händler Waren an Nichtunternehmer in einem anderen EU-Mitgliedstaat, müsste er sich dort künftig grundsätzlich für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen; dies würde jedoch zusätzliche Kosten verursachen.Durch die gleichzeitige Ausweitung des bisherigen „Mini-One-Stop-Shop“-Verfahrens (MOSS) auf EU-Fernverkäufe soll den Unternehmern dieser zusätzliche Aufwand erspart werden, so dass mit Hilfe des zukünftigen „One-Stop-Shop“-Verfahrens (OSS) die in anderen EU-Staaten erzielten Umsätze und die dort zu zahlende Umsatzsteuer über das deutsche Bundeszentralamt für Steuern gemeldet und abgeführt werden können. Die Nutzung des OSS-Verfahrens kann Unternehmern im Ergebnis somit die umsatzsteuerliche Registrierung im EU-Ausland ersparen. Auswirkungen ergeben sich jedoch trotzdem auf die Preise bzw. die zu erzielenden Margen, da die landesspezifischen Umsatzsteuersätze zu berücksichtigen sind.
Das bisherige MOSS-Verfahren konnte nur für auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen, wie beispielsweise Webinare oder kostenpflichtige Downloads von E-Books, Software, Fotos sowie die Erstellung von Websites oder -hosting, genutzt werden.
Das beschlossene Mehrwertsteuer-Digitalpaket umfasst neben den beschriebenen Neuregelungen im Versandhandel auch weitere Änderungen, insbesondere beim Handel über elektronische Markplätze. Hierüber und über die hierfür erforderlichen Voraussetzungen informieren Sie die Mitarbeiter von HLB Stückmann gern im persönlichen Gespräch.