von Prof. Dr. Sabrina Krauss
Die neuen Einschränkungen lösen – genau wie der Lockdown im ersten Teil des Jahres – viele Emotionen aus und bringen einige von uns an die Grenze der Frustrationstoleranz. Wir sind erneut angehalten uns nicht in Gruppen zu treffen, können Freizeitangebote nicht wahrnehmen und sehen uns auch in weiteren Lebensbereichen mit einer empfundenen Einschränkung der eigenen Selbstbestimmung konfrontiert.
In den Medien werden zunehmend die psychischen Auswirkungen der diesjährigen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des neuen Virus diskutiert. Dass es Auswirkungen gab und weiter geben wird, ist unstrittig. Doch um zu ermitteln, wie sich diese Auswirkungen en détail beschreiben und beziffern lassen, bedarf es zunächst weiterer, aussagekräftiger Studien und damit verbunden auch belastbarer Daten. Doch statt sich nur auf das Abwarten und die negativen Seiten der momentanen Situation zu konzentrieren, können wir unsere Psyche z.B. durch die folgenden Maßnahmen stärken und schützen:
Erstens sollte man dem Tag eine Struktur geben. Wenn viele Freizeitaktivitäten nicht mehr möglich sind, kann Langeweile und Orientierungslosigkeit aufkommen. Um dem entgegen zu wirken, sollten wir dem Tag Struktur geben. Das heißt konkret: schon am Abend zuvor überlegen, was man am folgenden Tag tun möchte und wann.
Zweitens sollte an den eigenen Fokus steuern. Die aktuelle Situation verlangt uns einiges ab und viele von uns sind geneigt, dadurch in eine generalisierte Schwarzmalerei zu verfallen. Diese Verdunkelung, einer sonst neutraleren Sichtweise, ist menschlich, dennoch nicht wirklich nützlich. Wer den aufkommenden Stimmungstiefs etwas entgegensetzen möchte, kann sich am Ende eines jeden Tages einmal bewusst machen, was an diesem Tag – trotz aller Widrigkeiten – gut war. Das können kleine Dinge sein, wie ein geführtes Gespräch, ein Fortschritt in der Ausführung eines Hobbies oder auch ein schönes Spiel mit den eigenen Kindern. Sich auf die Dinge zu konzentrieren, die gut gelaufen sind, setzt ein Gegengewicht zu den empfundenen Unannehmlichkeiten und kann so im Inneren für Balance sorgen.
Drittens sollte man externalisieren, also die Gedanken aus dem Kopf lassen. Wenn Sie den ganzen Tag an etwas „herum denken“, findet oft keine Verbesserung der Situation, sondern eine Verschlechterung des eigenen emotionalen Zustandes statt. Leicht gleitet man auf diese Weise von noch funktionalem Nachdenken – welches das Finden einer Lösung zum Ziel hat – in „Grübel-Spiralen“ ab. Statt also die Gedanken im Kopf hin und her zu wälzen, empfiehlt es sich, diese zum Beispiel einmal aufzuschreiben. Durch das Aufschreiben werden die Gedanken „externalisiert“, d.h. sie verlassen den Kopf und können nun einmal auf eine andere Weise betrachtet werden. Diese Art mit Gedanken oder Sorgen umzugehen, kann durchaus hilfreich sein. Wer nicht gerne schreibt, kann es auch einmal mit der Aufnahme eines Audios versuchen.
Wenn die Umsetzung der hier empfohlenen Maßnahmen-Tipps nicht sofort funktionieren mag, sollten wir geduldig sein. Das Einüben neuer Denk- und Handlungsweisen erfolgt oft nicht unmittelbar – aber vielleicht haben wir ja gerade jetzt viel Zeit zum Üben.
Zur Autorin:
Prof. Dr. Sabrina Krauss ist Professorin für Psychologie und Studiengangleiterin für die Studiengänge „Arbeits- und Organisationspsychologie“ und „Psychologie“ an der SRH Hochschule Hamm. Sie ist seit mehr als 10 Jahren psychologische Beraterin unterschiedlicher Wirtschaftsunternehmen, insbesondere zu den Themen Digitalisierung und Change Management.