Corona-bedingte Geschäftsausfälle und die Sorge vor neuer Bürokratie machen der Branche der Gesundheitshilfsmittel schwer zu schaffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Unternehmensbefragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) gemeinsam mit der Verbundgruppe rehaVital und deren Mitgliedsunternehmen. Danach verwendet die Hälfte der Betriebe bereits jetzt rund ein Drittel ihrer Zeit für Bürokratiepflichten. Zugleich sorgt die Corona-Pandemie bei fast 70 Prozent der Betriebe der Hilfsmittelversorgung für Umsatzausfälle. „Es ist erschreckend, wie viel Zeit Betriebe der Hilfsmittelbranche durch Bürokratie verlieren“, kommentiert der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks die Zahlen. „Gleichzeitig ist die Branche durch ausgefallene Operationen während der Corona-Pandemie stark gebeutelt.“
Zur Hilfsmittelbranche gehören Betriebe wie Sanitätshäuser und Homecare-Unternehmen, die Patienten mit individuellen Prothesen, Sauerstoffgeräten oder Inkontinenzprodukten versorgen. Auch aus Sicht der Verbundgruppe rehaVital spitzt sich die Lage zu: „Hilfsmittelleistungserbringer verbringen täglich unzählige Stunden mit der Dokumentation ihrer Arbeit und anderen administrativen Aufgaben,“ so Jens Sellhorn, Geschäftsführer von rehaVital. „Wir beobachten diese Entwicklung mit großer Sorge, zumal die Bürokratiepflichten durch die neuen Vorgaben der europäischen Medizinprodukteverordnung noch weiter steigen werden.“
Im Mai 2021 kommt diese EU-Verordnung über Medizinprodukte zur Anwendung, die für die Unternehmen zusätzlichen Aufwand bedeutet. So werden beispielsweise höhere Anforderungen an die Dokumentation und Bewertung für bestimmte Produkte gelten. Das führt nicht nur zu noch mehr Bürokratie, sondern kann auch den Zugang innovativer, individuell gefertigter Medizinprodukte zum Markt erschweren. „Statt neuer Belastungen brauchen unsere Unternehmen weniger Bürokratie, gerade in Zeiten der Krise. Wichtig ist nun eine praxisgerechte Auslegung der neuen Vorgaben ”, so Dercks. Rund 65 Prozent der Betriebe halten dies für sehr oder äußerst wichtig.
Die geplante Einführung des E-Rezepts bietet dazu eine große Chance, auch wenn die Mehrheit der Betriebe sich hierdurch allein noch keinen Durchbruch beim Bürokratieabbau verspricht. Dazu müssten alle Schritte innerhalb des Versorgungsprozesses – vom Auftrag bis zur Abrechnung – auch tatsächlich digital durchführbar sein. „Die Politik muss in allen Bereichen die Weichen auf Digitalisierung und Praktikabilität der Prozesse stellen“, fordert Dercks. „Das spart in Unternehmen Zeit und Geld. Auch wenn die Kosten für neue IT-Ausstattung hoch sind – Hybride zwischen Digital und Papier oder parallellaufende Systeme sind erheblich aufwändiger. Mehr als 75 Prozent der Unternehmen plädieren klar für vollständig digitalisierte Prozesse. Zudem wäre eine bundesweite Vereinheitlichung der Dokumentationspflichten bei den Krankenkassen ein Schritt in die richtige Richtung“.
Neben der hohen Bürokratiebelastung ist für mehr als 50 Prozent der befragten Unternehmen auch der Fachkräftemangel weiterhin eine große Herausforderung. „Die Unternehmen sind doppelt betroffen: Niedrige Umsätze durch die Corona-Pandemie kommen hinzu, Dauerprobleme wie Bürokratie und Fachkräftemangel bleiben. Wir sollten die Chancen dieser Krise nutzen – sie zeigt uns, dass nicht zuletzt die Telemedizin in der Praxis längst funktioniert. Wir können und sollten sie deshalb noch entschiedener nutzen“, betont Dercks. So ist für 40 Prozent der Betriebe besonders wichtig, dass digitale Anwendungen in der Hilfsmittelversorgung stärker genutzt werden können. So ließe sich die Versorgung im ländlichen Raum verbessern – etwa durch digitale Beratung und Wartung oder auch durch den Einsatz von Telemedizin.