Zum Abschluss der Vorlesungsreihe „Das Anthropozän in der Diskussion“ hat Prof. Dr. Dirk Messner, neuer Präsident des Bundesumweltamtes, einen Vortrag im Historischen Rathaus Paderborn gehalten. Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind mit Blick auf die steigenden Schadstoffemissionen relevanter denn je. Mit der vom Historischen Institut organisierten Ringvorlesung hat sich deshalb auch die Universität Paderborn mit aktuellen Fragestellungen rund um das Thema auseinandergesetzt.
„Popstar der Nachhaltigkeitsforschung“
Mit Messner als Abschlussredner habe die Universität einen „Popstar der Nachhaltigkeitsforschung“ gewonnen, so Prof. Dr. René Fahr, Vizepräsident für Wissens- und Technologietransfer an der Universität. Besonders hob er seinen Vorsitz im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU) hervor, der für die Erforschung und Veröffentlichung wichtiger Faktenlagen im Bereich Nachhaltigkeit sorge.
Peter Fäßler, Professor für Zeitgeschichte am Historischen Institut der Universität, betonte Messners Fähigkeit Brücken zu schlagen. Sein Studium der Politik- und Wirtschaftswissenschaften sowie seine langjährige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Schwerpunkten Globalisierung und Nachhaltigkeit ließen einen interdisziplinären Blick auf die Entwicklung und Folgen des Klimawandels zu. „Messner ist niemand, der im akademischen Elfenbeinturm verharrt, sondern jemand, der sich der Realität widmet“, lobte Fäßler.
Positive Entwicklung – aber zu langsam?
Und tatsächlich bewies der Präsident des Umweltbundesamtes genau das bei seinem Vortrag. Anhand von Grafiken machte Messner die Dringlichkeit des Handelns auf klimapolitischer Ebene deutlich. Er appellierte aber auch an jeden einzelnen, indem er dem Publikum die Kernaussage der Anthropozän-Diskussion in Erinnerung rief: „Menschen sind die größte Veränderungskraft im Erdsystem.“ Es sei unsere gemeinsame Verantwortung, einen gefährlichen Wandel dieses Erdsystems abzuwenden.
Messner lobte, dass die Klimadiskussion inzwischen in aller Munde sei. Gleichzeitig kritisierte er jedoch: „Wir reden und reden und reden, aber die Treibhausgasemissionen steigen weiter an – sie stagnieren nicht einmal!“. Dennoch sehe er eine positive Entwicklung in der Gesellschaft. Die Zahl der Unternehmen, Städte und Universitäten, die das Thema Nachhaltigkeit auf ihre Agenda setzen, wachse. Aber die Vergangenheit, auf der unser gesamtes System basiere, schaffe Abhängigkeiten, die den Wandel zur Nachhaltigkeit verlangsamten. „Wir machen in unserer Gesellschaft eigentlich einen Prozess in die richtige Richtung – aber wir sind zu langsam“, so Messners These. Denn selbst wenn die UN-Nachhaltigkeitsziele erreicht würden, stünde uns durch den Klimawandel bereits jetzt eine geographische Umordnung der Welt durch das Abschmelzen der großen Eisschilde bevor.
Forderung nach neuem Wertesystem
Ein großes Problem sieht Messner zudem in der mangelnden Aufklärung in der Politik: „Es gibt Dinge, die wissenschaftlich bekannt sind, die von der Politik aber nicht angenommen werden. Großunfälle im Erdsystem, wie zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels, werden nicht ernst genug genommen.“ Messner fordert deshalb einen Blick über die eigenen Ländergrenzen hinaus: „Nachhaltigkeitsprobleme sind oft lokaler Natur und können auch lokal bekämpft werden. Doch das Erdsystem hängt zusammen – wir müssen international besser zusammenarbeiten.“
Besonders für die einzelnen Menschen sei eine plötzliche Änderung ihrer Lebensstile nicht einfach. Denn Veränderung bedeute Unsicherheit. Eine besondere Angst sehe er bei weniger privilegierten Menschen, die sich vor neuen Regulierungen und damit einhergehender sozialer Ungerechtigkeit fürchteten. Messner fordert deshalb: „Klimaschutz darf nicht auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen werden.“ Man brauche Erfolgsmodelle und attraktive Zukunftsversionen, die zeigen, dass Systemveränderungen möglich seien, ohne die individuelle Freiheit von Menschen zu bedrohen. Es müsse sich ein neues, von der Gesellschaft angenommenes, Wertesystem etablieren, um einen gerechten Wandel zu schaffen.