Führten eine offene und spannende Diskussion über Künstliche Intelligenz, den Mittelstand und OWL (v. l.): Prof. Dr. Roman Dumitrescu (Geschäftsführer it‘s OWL), Tanja Maaß (Geschäftsführerin Resolto), Prof. Dr. Ingeborg Schramm-Wölk (Präsidentin FH Bielefeld), Roland Bent (Geschäftsführer Phoenix Contact), Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Günter Korder (Geschäftsführer it‘s OWL). Quelle: it‘s OWL

Künstliche Intelligenz für den Mittelstand

Welche Potenziale bietet Künstliche Intelligenz für Produkte, Fertigung und neue Geschäftsmodelle? Und wie kann der Mittelstand diese Potenziale erschließen? Erfolgreiche Ansätze und Erfahrungen diskutierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier heute mit Experten aus dem Spitzencluster it‘s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe. Das Technologie-Netzwerk mit über 200 Unternehmen und Forschungseinrichtungen gilt als eine der größten Initiativen für Industrie 4.0 in Deutschland.

Bundeswirtschaftsminister Altmaier zeigte sich beeindruckt von seinem Besuch beim Spitzencluster it‘s OWL: „Unser starker deutscher Mittelstand muss auch künftig wettbewerbsfähig bleiben. Meine Mittelstandsstrategie will mit mehr Wert-schätzung, Entlastung und Flexibilität für die Unternehmen hier die richtigen Signale setzen. Um die digitalen Chancen und insbesondere die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz in die Breite des Mittelstands zu tragen, stößt das Bundes-wirtschaftsministerium mit der steuerlichen Forschungsförderung und der neuen Agentur für Sprunginnovationen marktfähige Innovationen an, ergänzt die Mittel-stand 4.0-Kompetenzzentren um KI-Trainer und fördert mit einem passgenauen Zuschussprogramm Investitionen in intelligente digitale Geschäftsmodelle. Mit seiner Bündelung von Forschung und Wirtschaft ist it‘s OWL ein hervorragender Partner für die Digitalisierung des Mittelstands.“

Prof. Dr. Roman Dumitrescu, Geschäftsführer it‘s OWL Clustermanagement beschreibt das Erfolgsrezept von it‘s OWL: „Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen produzierende Unternehmen die Intelligenz in ihren Produkten und ihrer Fertigung erhöhen und neue Kundenzugänge erschließen. Im Spitzencluster bündeln wir dazu die Kompetenzen und Erfahrungen von Weltmarktführern und Spitzenforschungseinrichtungen. In Projekten entwickeln sie neue Basistechnologien, Verfahren und Softwarelösungen, die insbesondere kleine und mittlere Unternehmen durch ein innovatives Transferkonzept nutzen können.“

Die Bundesregierung hat it‘s OWL 2012 im Rahmen des Spitzencluster-Wettbewerbs als eines der leistungsfähigsten Technologie-Netzwerke ausgezeichnet, die einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland leisten. Familiengeführte Unternehmen und ein breiter Mittelstand im Maschinenbau und der Automobilzulieferindustrie bilden den Kern des Clusters. Dazu zählen zahlreiche Weltmarktführer: starke Marken wie Benteler, Claas, Diebold Nixdorf, DMG Mori, GEA, Hella, Hettich und Miele, aber auch viele Hidden Champions wie Kannegiesser oder WP Kemper. In der Industrieelektronik setzen Beckhoff, Harting, KEB, Lenze, Phoenix Contact, Wago und Weidmüller Weltstandards und verfügen über einen Weltmarktanteil von 75 Prozent. Die regionalen Hochschulen und Forschungseinrichtungen stehen für interdisziplinäre Spitzenforschung auf Gebieten wie beispielsweise Künstliche Intelligenz, Industrieautomatisierung, Arbeit 4.0 und Produktentwicklung.

Motor für die Regionalentwicklung

In der Zeit von 2012 bis 2017 wurden mit Unterstützung des Bundes in 47 Projekten im Umfang von 100 Millionen Euro Lösungen entwickelt, mit denen Unternehmen die Zuverlässigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Ressourceneffizienz von Maschinen, Anlagen, Fahrzeugen und Geräten verbessern können. Die Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschungseinrichtungen bei it‘s OWL ist ein Erfolgsmodell. So sind in dieser Zeit beispielsweise rund 7.500 neue Arbeitsplätze in den Kernbranchen und sieben neue Forschungsinstitute entstanden, 34 Unternehmen wurden aus dem Spitzencluster heraus gegründet. Nach Abschluss der Spitzencluster-Förderung wurden 2018 neue Projekte gestartet. Dabei geht es um Big Data für die Produktion, Maschinelles Lernen, digitaler Zwilling, digitale Plattformen und die Arbeitswelt der Zukunft. Insgesamt sollen bis 2023 Projekte im Umfang von 200 Millionen Euro umgesetzt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen stellt dafür 50 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung. Die gleiche Summe wird von der Industrie bereitgestellt.

Roland Bent, Geschäftsführer von Phoenix Contact und stellvertretender Vorsitzender des Clusterboards erläutert die Beweggründe der Wirtschaft: „Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen wir als Region unsere Kräfte bündeln. Durch die Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen können wir schnell und zuverlässig innovative Produkte und Services entwickeln und beim Kunden zur Anwendung bringen. Aktuelle Forschungsergebnisse aus den Hochschulen sind dafür genauso wichtig wie die Erfahrungen und Perspektiven verschiedener Unternehmen.“ Phoenix Contact arbeitet derzeit gemeinsam mit sechs Unternehmen und Forschungseinrichtungen an neuen Einsatzmöglichkeiten für den sogenannten digitalen Zwilling. Ziel ist es, digitale Modelle von Komponenten und Maschinen zu nutzen, um ihren Betrieb über den ganzen Lebenszyklus optimal zu gestalten. Dadurch sind Einsparpotenziale von 50 Prozent bei der Einrichtung und dem Betrieb von Maschinen zu erwarten.

Erfolgsrezept: Transfer in den Mittelstand

Der erfolgreiche Technologietransfer in den Mittelstand ist ein Alleinstellungsmerkmal von it‘s OWL. Das Transferkonzept des Spitzenclusters wurde mehrfach ausgezeichnet und auf andere Regionen übertragen. Kleine und mittlere Unternehmen können in Transferprojekten mit einer Hochschule oder Forschungseinrichtung Expertise, Methoden und Technologien aus dem Spitzencluster nutzen, um konkrete Herausforderungen der digitalen Transformation zu lösen. Fast 200 Projekte wurden in den vergangenen vier Jahren erfolgreich durchgeführt.

So hat beispielsweises das Herforder Unternehmen Resolto Informatik (33 Beschäftigte) in zwei Transferprojekten die Grundlagen für ihr neues Produkt ‚Scraitec‘ gelegt. Dadurch können sehr große Datenmengen aus Maschinen erfasst und analysiert werden, ohne die Daten in eine Cloud übertragen zu müssen. So können Ereignisse an Maschinen und Anlagen wie beispielsweise Produktionsfehler oder Reparaturen effizient und zuverlässig vorhergesagt und verhindert werden. Mit Scraitec hat Resolto ein Alleinstellungsmerkmal und erzielt mittlerweile einen Umsatz von 1,6 Millionen Euro im Jahr 2018. Die Anzahl der Beschäftigen konnte seit 2018 um 32 Prozent gesteigert werden. Geschäftsführerin Tanja Maaß: „Über die Kooperation mit den Forschungseinrichtungen und Unternehmen im Spitzencluster konnten wir neue Erkenntnisse im Bereich Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen erschließen – und wichtige Partner für die Umsetzung gewinnen. Für kleine Unternehmen wie uns bietet it‘s OWL einen hervorragenden Zugang zu aktuellen Ergebnissen aus der Spitzenforschung und den Erfahrungsaustausch mit Unternehmen.“

Arbeit 4.0 – Der Mensch bleibt im Zentrum der Technologie

Informations- und Kommunikationstechnologien halten zunehmend Einzug in die Produktion und die Entwicklungsarbeit. Dabei rücken insbesondere die sozialen Aspekte der Arbeitsplatzgestaltung in den Vordergrund. Bei it‘s OWL entwickeln und erproben Unternehmen, Hochschulen und Gewerkschaften neue Lösungen für die Digitalisierung der Arbeitswelt. Dabei geht es um Lernplattformen, kognitive Assistenzsysteme, partizipative Technologiegestaltung sowie agile Führung und Personalentwicklung. So wird beispielsweise erforscht, wie Augmented und Virtual Reality in der beruflichen Bildung eingesetzt werden können, um individualisiertes Lernen zu ermöglichen.

„Auch in der digitalisierten Fabrik bleibt der Mensch im Zentrum. Um die Arbeitsplätze der Zukunft zu gestalten, müssen wir die Beschäftigten aktiv einbinden. Und ihnen vermitteln, welche Chancen die Digitalisierung bietet, neue Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen die Arbeit zu erleichtern“, erläutert Prof. Ingeborg Schramm-Wölk, Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld und Vorsitzende von Campus OWL. „Die Hochschulen in OWL bringen aktuelle Forschungsergebnisse und Erfahrungen in die it‘s OWL Projekte ein. Wir sehen uns als wichtige Partner für die Innovationsentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen – sowohl in den Ingenieurswissenschaften und in der Informatik als auch in den Sozialwissenschaften.“

Start-ups entwickeln und begleiten

Ein weiterer Schwerpunkt von it‘s OWL ist die Entwicklung neuer Geschäftsideen in den Bereichen intelligente Fertigung und Digitalisierung. „Aus unseren Projekten werden viele Ansätze für Smart Services entstehen. In den nächsten fünf Jahren wollen wir 30 neue Geschäftsideen identifizieren und gemeinsam mit den Unternehmen und Hochschulen zu erfolgreichen Geschäftskonzepten ausarbeiten. Die Region und unser Cluster bieten dafür ein optimales Umfeld. Denn hier finden die Start-ups einen direkten Zugang zu ihren Kunden. Dabei wollen wir sie mit unserem Netzwerk unterstützen. Dadurch unterscheidet sich OstWestfalenLippe von anderen gründungsstarken Regionen wie beispielsweise Berlin, wo zwar viele Gründer sind, aber keine realen Kunden,“ verdeutlicht Günter Korder, Geschäftsführer it‘s OWL Clustermanagement GmbH.

Minister überzeugt sich von Lösungen für Montage und KI in der Praxis

Bundesminister Peter Altmaier konnte anhand von zwei Demonstratoren zwei konkrete Lösungen für den erfolgreichen Technologietransfer in den Mittelstand erproben, die im Rahmen des Spitzenclusters für Unternehmen entwickelt und umgesetzt wurden.

Anhand einer digitalen Montageanleitung für einen Schaltschrank, die mit dem Unternehmen Schaltanlagenbau GmbH H. Westermann entwickelt wurde, werden Vorteile der Digitalisierung für Mitarbeiter und Kunden im Schaltschrankbau deutlich. Ein Schaltschrank beherbergt die elektrischen und elektronischen Komponenten einer Maschine oder Anlagen und regelt deren komplexe Steuerung. Durch den Einsatz von Tablets in der Fertigung der Schränke werden papierbasierte durch digitale Montageanleitungen ersetzt. Diese stellen den Mitarbeitern dreidimensionale Modelle des Schaltschranks bereit. Auch Echtzeitinformationen über Lagerbestände oder Änderungen im Schaltplan könnten künftig hinterlegt werden. Für Mitarbeiter ist die digitale Montageanleitung eine deutliche Arbeitserleichterung, Kunden profitieren von zuverlässigen Lieferzeiten und Produkten. Der Demonstrator wurde in einem Projekt des Mittelstands-Kompetenzzentrums Digital in NRW erstellt, das durch das BMWi gefördert wird.

Beim Unternehmen GEA, Weltmarktführer für Separatoren und Zentrifugen, wurden Ansätze von Künstlicher Intelligenz zur Steigerung der Zuverlässigkeit und Effizienz in der Produktion implementiert. Als Anwendungsbeispiel dient ein Separator, mit dessen Hilfe in verfahrenstechnischen Prozessen Fest- von Flüssigstoffen separiert werden können (z. B. in Molkereien Trennung von Rohmilch in Sahne und Magermilch). Zur optimalen Einstellung der Prozessparameter am Separator ist spezifisches Expertenwissen erforderlich, das speziell kleineren und mittelständischen Kunden von GEA oftmals fehlt. Unter Rückgriff auf Technologien des maschinellen Lernens wurde das zur Einstellung des optimalen Betriebspunkts erforderliche Erfahrungswissen in einer Tablet-Applikation abgebildet (sog. digitales Expertensystem). Es ermöglicht, den Betriebszustand des Separators kontinuierlich zu überwachen, zu analysieren und bei Abweichungen vom Normalbetrieb dem Maschinenbediener passgenaue Handlungsanweisungen zur Behebung der Störung zu geben. Dies führt zu einer signifikanten Verbesserung der Prozessstabilität bei gleichzeitiger Verringerung von Energieverbrauch und Verschleiß. Damit eröffnen sich für GEA neue datenbasierte Dienstleistungen (Smart Service) und Geschäftsmodelle. Anhand des Demonstrators erlebte Minister Altmaier den Weg vom Kundenproblem über die Idee bis zur prototypischen Umsetzung des Expertensystems. Anhand einer interaktiv bedienbaren Tablet-Applikation und einer 3D-gedruckten Miniatur eines Separators wird die Funktionsweise des Expertensystems illustriert.

http://www.its-owl.de/

Veröffentlicht von

Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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