Herr Dr. Eierhoff, Sie sind Mitglied des Beirats des Personaldienstleisters TEMTPON und Sprecher des Lünendonk-Kreises, einer Interessenvertretung deutscher Personaldienstleister, welche an der Entwicklung der Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes beteiligt gewesen ist. Warum wurden aus Ihrer Sicht überhaupt Änderungen am bestehenden Gesetz notwendig?
Die Novellierung der Arbeitnehmerüberlassungsgesetze resultiert aus dem Koalitionsvertrag und war politisch gewollt. Der Lünendonk-Unternehmerdialog hat in Gesprächen mit Parlamentariern versucht sicherzustellen, dass die Mechanismen der Arbeitnehmerüberlassung so weit wie eben möglich praktikabel bleiben. Wir haben uns in unserer Rolle als Interessenvertretung der Personaldienstleistungsbranche um Kompromisslösungen bemüht, die für die Entleihbetriebe und ihre Mitarbeiter als auch die Wirtschaft insgesamt praktikabel sind. Unnötige Gesetzesänderungen, die die dringend notwendigen Flexibilisierungsmöglichkeiten der Betriebe hemmen und letztlich der Wirtschaft insgesamt schaden, wollten wir so weit es geht vermeiden. Letztlich hatte der Lünendonk-Unternehmerdialog aber keine aktive Handhabe und die Entscheidungen zu den Änderungen wurden auf rein politischer Ebene getroffen.
Welche Bereiche werden konkret geändert?
Insgesamt sind eine ganze Reihe von Änderungen vorgenommen worden. Letztlich sind es aber zwei Änderungen, die immer wieder hervorgehoben werden. Die erste Änderung legt fest, dass ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 1. April 2017, die Höchstüberlassung für Zeitarbeitnehmer nur noch 18 aufeinanderfolgende Monate beim gleichen Entleiher betragen darf. Existiert ein entsprechender Branchentarifvertrag, kann von dieser Regelung abgewichen werden. Ferner ist der Grundsatz des Equal Pay verschärft worden. Das Arbeitsentgelt der Zeitarbeitnehmer muss nun spätestens nach neun Monaten mit dem der Stammarbeitnehmer der Entleihbetriebe gleichgestellt werden. Existiert ein Branchentarifvertrag, der ohnehin nach 15 Monaten ein adäquates Entgelt vorsieht, dann findet das Equal Pay keine Anwendung.
Gibt es Vorteile für die Leiharbeiter?
Ich kann durch die neuen Regelungen insgesamt nur wenig zusätzlichen und nachvollziehbaren Nutzen für alle Beteiligten erkennen. Zunächst ist es so, dass durch die neue Höchstüberlassungsgrenze von 18 Monaten die Mitarbeiter öfter rotieren werden. In einem neuen Einsatz müssen sie sich den nach neun Monaten erworbenen Anspruch auf Equal Pay abermals erarbeiten. Sie fangen also wieder von vorne an. Auch aus meiner eigenen Erfahrung bei TEMPTON kann ich nicht bestätigen, dass Zeitarbeitnehmer in den vergangenen Jahren nicht ausreichend geschützt worden wären. Im Gegenteil – die Bezahlung ist oft übertariflich und bei den Arbeitsplätzen handelt es sich um Festanstellungen, die mit guten Sozialleistungen verknüpft sind. Hinzu kommt eine intensive Betreuung von Seiten der Personaldienstleister. So können diese sicherstellen, dass ihre entliehenen Mitarbeiter in den Betrieben gut aufgehoben sind.
Wie sinnvoll ist eine Equal Pay-Regelung?
Sehen Sie Probleme in der Praxis? In der Praxis wird diese Regelung zu Unklarheiten und somit zu Risiken bei der Umsetzung führen. Im neuen Gesetz ist leider nicht definiert, welche Entgeltbestandteile genau zur Vergütung gehören, die der Verleiher den Zeitarbeitskräften zu gewähren hat. Bei jedem neuen Vertrag entsteht für den Personaldienstleister die Problematik, dass er herausfinden muss, welche monetären und welche Sachleistungen der Stammbelegschaft gewährt werden. Das ist dann die Berechnungsgrundlage.
Wie lange sind Leiharbeiter im Durchschnitt bei Ihnen im Unternehmen bei einem einzelnen Kunden tätig?
TEMPTON ist spezialisiert auf den Mittelstand. Überdurchschnittlich häufig dauert deshalb eine Überlassung bei uns etwas länger – im Schnitt sind es ca. 3 Monate. Dann wechselt unser Mitarbeiter in einen anderen Betrieb. Es gibt auch Fälle, die länger vermittelt werden und die dann auch unter die neuen gesetzlichen Regelungen fallen.
Wie hoch sehen Sie die Chance einer späteren Übernahme eines Leiharbeiters?
Wenn sich ein Zeitarbeitnehmer in einem Überlassungsbetrieb einarbeitet und gute Arbeit liefert, dann gibt es immer Chancen für eine Übernahme. Tritt der Fall ein, dann unterstützen wir unsere Mitarbeiter.
Wie viele Leiharbeiter würden von der 18-Monats- Frist profitieren?
Ich denke nicht, dass viele Zeitarbeitnehmer von der neuen Höchstüberlassungsdauer profitieren. Es mag in Einzelfällen aufgrund der zeitlich eingerichteten Barriere zu Übernahmen kommen, aber in der Regel führt es eher dazu, dass die Mitarbeiter ausgetauscht werden, da die beauftragten Jobs zeitlich begrenzt sind. Das führt dann zu dem bereits beschriebenen Negativ- Effekt, dass der bis dahin (nach 9 Monaten) erworbene Equal-Pay- Anspruch des Mitarbeiters wegfällt.
Unternehmen nutzen die Leiharbeit oft als Auslagerung Ihres Personals um Kosten einzusparen. Deckt sich diese kritische Aussage mit Ihrer praktischen Erfahrung?
Ein Satz voran: “Lassen Sie mich bitte zunächst richtigstellen, dass Unternehmen ihr Personal in den seltensten Fällen “auslagern”, sondern Zeitarbeitskräfte zusätzlich zur Stammbelegschaft beschäftigen. Meines Erachtens geht es den Unternehmern dabei also nicht darum Kosten zu sparen, sondern es besteht im unternehmerischen Alltag immer wieder die Herausforderung auf geänderte Auftragssituationen zu reagieren. Da ist dann schnell Personal gefragt, auf das in aller Regel nicht zurückgegriffen werden kann. Dann kommen Zeitarbeitnehmer ins Spiel. Diese Möglichkeit benötigen Unternehmen, damit sie die Auftragsspitzen bewältigen können.
Wie unterscheiden sich familiengeführte, kleine und mittlere Unternehmen von Konzernen?
Konzerne haben oft langwierige Prozesse und auch in sich geschlossene Projekte, für die übergangsweise Personal benötigt wird. Diese Mitarbeiter werden auch längerfristig eingesetzt. Mittelständische und kleinere Unternehmen haben oft kurzfristig Personalengpässe und brauchen schnell Personal.
Welches Resümee ziehen Sie aus den Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes?
TEMPTON arbeitet überwiegend mit mittelständischen Unternehmen zusammen. Deshalb betreffen die Änderungen unsere Überlassungen weniger und wir sind auf die Schwierigkeiten, die sich aus längeren Überlassungen ergeben können, gut vorbereitet. Grundsätzlich aber bleibt festzustellen, dass die von der neuen Gesetzgebung betroffenen Arbeitnehmerüberlassungen kostenintensiver und administrativ umfangreicher geworden sind. Davon profitiert am Ende niemand. Am wenigsten die Zeitarbeitnehmer.