Lemgo. Die Handhabung und Lagerung von Gefahrstoffen wie giftigen Chemikalien sind beispielsweise in produzierenden Unternehmen mit enormen Risiken verbunden. Häufig werden bedrohliche Situationen, wie das Auslaufen von Flüssigkeiten, erst zu spät erkannt und eine Reaktion wird so unmöglich. Die Lemgoer Forscher unter dem Dach des CENTRUM INDUSTRIAL IT (CIIT) entwickelten dazu nun ein sensorbasiertes Frühwarnsystem, das selbstständig Gegenmaßnahmen zur Schadensbegrenzung oder –verhinderung einleitet. Das System wurde erfolgreich in einem Demonstrator für ein intelligentes Gefahrstofflager implementiert.
Gefahrstoffe intelligent lagern und entnehmen – das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit der Mitarbeiter. In der Praxis mangelte es bislang an Lösungen, die mögliche Schäden in einem Gefahrstofflager bereits im Vorfeld erkennen. Erstmals realisierten nun Lemgoer Wissenschaftler am Institut für industrielle Informationstechnik (inIT) der Hochschule OWL zusammen mit der DENIOS AG und Partnern aus der Industrie und Forschung im it’s OWL-Projekt „IGel“ ein auf Sensoren basierendes Frühwarnsystem für ein Gefahrstofflager mit angebundener Abfülleinheit. Der Name IGel steht für „Intelligentes autonomes Gefahrstofflager und Entnahmeterminal mit sensorbasiertem Condition-Monitoring“.
„Wir konnten erstmalig in der Gefahrstofflagertechnik Komponenten der Automatisierungstechnik und Sensorik intelligent vernetzt in ein Lagersystem integrieren“, berichten die Professoren Stefan Witte und Volker Lohweg aus dem Vorstand des inIT. Das Ziel der Forschungstätigkeiten am inIT war die Entwicklung und Implementierung eines Informationsfusionssystems für Gefahrstofflager und dessen automatische Steuerung bzw. Reaktion. Das Ergebnis dreijähriger Forschungsarbeiten unter Partnern ist nun ein intelligenter autonomer Gefahrstoffautomat mit sensorbasierter Schadenserkennung, so Witte.
Die Lemgoer Forscher wählten für den im Projekt entstandenen Demonstrator die geeigneten Sensoren aus und entwickelten ein passendes Sensorfusions- und Vernetzungskonzept. Dieses beinhaltet eine permanente Erfassung von Informationen über die Sensoren in einer Datenbank sowie eine intelligente Auswertung aller Sensordaten auf Grundlage der Sensorfusion. Ist im System einmal der Normalzustand definiert, z. B. ein bestimmter Temperaturbereich, kann es anschließend in einem automatisierten Prüfvorgang den „Gesundheitszustand“ berechnen, Fehler erkennen oder Optimierungen vornehmen. Ein Algorithmus entscheidet über den Gesamtzustand des Lagers: Er steuert automatisch die zielgerichteten Gegenmaßnahmen, etwa das Zuklappen der Belüftungs- oder Brandschutzklappen, damit das Lager selbstständig auf etwaige Schadens- oder Gefährdungsfälle reagieren kann. Zusätzlich zu der automatischen Erkennung von Gefahrensituation ermöglichen die entwickelten Algorithmen auch die Erkennung defekter Sensorik.
„Die Herausforderungen im gesamten Projekt IGel lagen darin, ein intelligentes Frühwarnsystem zu entwickeln, das Schadensfälle schnell erkennt, eine Analyse bzw. Identifikation der Bedrohung durchführt und automatisch Gegenmaßnahmen einleitet“, erläutert Lohweg. Dieses System wird zusammengeführt mit einer automatisierten Entnahme- und Dosierstation, die beim Partner Fraunhofer IPT entwickelt wurde.
Die Projektziele von „it’s owl-IGel“ waren die Entwicklung eines intelligenten autonomen Gefahrstofflagers mit sensorbasiertem Condition Monitoring sowie die Entwicklung eines Gefahrstoffautomaten, der ähnlich wie ein Getränkeautomat eine sichere Entnahme und Dosierung von flüssigen Stoffen ermöglicht. „Mit dem Demonstrator haben wir ein funktionsfähiges intelligentes Gefahrstofflager realisiert. Der nächste logische Schritt wäre nun die Weiterentwicklung zur Serienreife. Das Projekt bietet noch viele Potentiale, wie etwa die Realisierung einer automatischen Lagerhaltung bzw. -verwaltung“, resümiert Witte zuversichtlich.