Seit 2013 hat sich die Zahl der Asylbewerber in Lippe mehr als verdoppelt. 1.800 Personen warten momentan in Lippe auf die Entscheidung über ihren Asylantrag. „Wir beobachten die Situation natürlich seit Monaten sorgfältig und, das will ich nicht verhehlen, auch mit Sorge“, erklärt Landrat Friedel Heuwinkel bei einem Flüchtlingsgipfel am Montag im Kreishaus.
Nachdem die Kreisverwaltung die Politik im Januar dieses Jahres zum ersten Mal über Pläne zur Neustrukturierung des zuständigen Ausländeramtes und über geplante Projekte des Kreises zur Verbesserung der Integration informiert hatte, waren nun Politiker aller Parteien und Ulrich Knorr aus Schlangen, Sprecher der lippischen Bürgermeister, der Einladung des Landrates gefolgt, sich über den aktuellen Umsetzungsstand ins Bild setzen zu lassen.
Viele umgesetzte Maßnahmen des Kreises betrafen die Bereiche Bildung, Spracherwerb und Integration in Arbeit. Nicht ohne Grund ist hier das Engagement besonders stark: Rund 23 Prozent der Asylsuchenden in Lippe sind jünger als 16 Jahre. Nur unwesentlich kleiner ist die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen und am stärksten mit rund 30 Prozent ist die Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen. „Hier steckt ganz viel Potenzial für Lippe. Aber wir müssen auch etwas dafür tun, dass diese jungen Menschen in Lippe und im Arbeitsleben ankommen“, erklärt Landrat Heuwinkel. So seien zum Beispiel in Lippe 43 Internationale Klassen mit insgesamt 700 Schülern eingerichtet worden – mehr als in jedem anderen Kreis in NRW. 120 Lehrer hat der Kreis bisher in „Deutsch als Zweitsprache“ weitergebildet und berät außerdem die Kinder und Jugendlichen, die sich als Seiteneinsteiger ins deutsche Schulsystem einfinden müssen. Wer nicht mehr zur Schule geht, dem hilft das Projekt „AiLA – Arbeit in Lippe für Asylsuchende und Flüchtlinge“ dabei, einen Job zu finden. AiLA ist ein Kooperationsprojekt des Kreises mit dem Netzwerk Lippe, dem Jobcenter Lippe und der Agentur für Arbeit.
„Diese und viele anderen Maßnahmen helfen dabei, die Integration langfristig erfolgreich zu gestalten. Wir haben aber auch ganz unmittelbare und kurzfristige Probleme, wenn die Flüchtlinge bei uns ankommen“, erzählt Landrat Heuwinkel. Als erstes sei hier die medizinische Versorgung zu nennen. Nicht alle Flüchtlinge wurden bereits medizinisch untersucht, bevor sie in Lippe untergebracht werden. „Leiden die Menschen unter ansteckenden Krankheiten? Oder sind sie chronisch krank und brauchen dringend Medikamente? Das wissen wir ohne eine medizinische Erstversorgung nicht“, so der Landrat. Diese medizinische Erstversorgung hat der Bevölkerungsschutz des Kreises Lippe in Kooperation mit dem Gesundheitsamt des Kreises, dem Klinikum Lippe und den niedergelassenen Ärzten organisiert. Rund 5.000 Flüchtlinge konnten so in diesem Jahr untersucht und behandelt werden.
Zu den vorgestellten Projekten gehört auch eine Clearingsstelle, die sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmern soll. „Diese ist nun auf den Weg gebracht und hat ihre Arbeit aufzunehmen“, berichtet Heuwinkel. Diese Clearingsstelle kümmert sich um alle Belange der Minderjährigen, vom Asylantrag, über den Schulbesuch, die pädagogische Betreuung und Unterbringung bis zur Therapievermittlung für traumatisierte Kinder und Jugendliche. Ein weiteres Beispiel ist die Fortbildungsreihe für ehrenamtliche Initiativen, die das Kommunale Integrationszentrum und das Ehrenamtsbüro des Kreises initiiert haben.
„Dies ist nur eine kleine Auswahl der getanen Arbeit. Und all dies haben wir ohne zusätzliches Personal bewältigt und ohne große öffentliche Wehklagen wie andere Kreise“, sagt der Landrat sichtlich stolz. Lediglich Umstrukturierungen innerhalb der Kreisverwaltung haben stattgefunden, um die Mitarbeiter in der Ausländerbehörde zu entlasten. Sabine Beine, bisherige Leiterin der Ausländerbehörde, hat die neue „Stabsstelle für Integration und Migration“ übernommen. Damit ist sie auch Ansprechpartnerin für die lippischen Städte und Gemeinden, um diese so gut wie möglich zu unterstützen.
„Natürlich ist damit noch nicht alles gut. Die Situation ist schwierig und eine Herausforderung für alle“, sagt Landrat Heuwinkel. Er hat deswegen auch klare Forderungen an das Land. „In Lippe leben zurzeit 500 abgelehnte Asylbewerber, die aus unterschiedlichen Gründen nicht abgeschoben werden können. Für die Kosten zum Lebensunterhalt und Unterbringung dieser Menschen kommen allein die Städte und Gemeinden auf – ohne Unterstützung des Landes oder des Bundes. Das ist eine große zusätzliche Belastung und kann nicht sein“, so Heuwinkel.
Er fordert deswegen ein stärkeres Engagement des Bundes und des Landes bei der Durchsetzung der Abschiebung sowie finanzielle Hilfen. Des Weiteren kritisiert er die ungleiche Verteilung der Flüchtlinge auf die Gemeinden. Dies sei zurückzuführen auf den Beschluss des Landes, dass Gemeinden, in der es eine Erstunterbringungsstelle für Flüchtlinge gibt, keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen müssen. „Dies ist eine unfaire Benachteiligung besonders der kleineren Gemeinden und sollte geändert werden“, wünscht sich der Landrat.