Erfurt. Das intelligente Ladungsnetzwerk (iLAN) geht in die nächste Runde: Ab dem kommenden Herbst wollen die Fachhochschule Erfurt als Ideengeber des Projekts sowie die ELVIS AG und die übrigen Partner zeigen, dass das Modell auch in der Praxis funktioniert. Ziel von iLAN ist es, mittels eines ausgeklügelten Algorithmus Ladungstransporte im Begegnungsverkehr zu ermöglichen.
Der intelligente Austausch von Komplettladungen soll dazu führen, dass ein LKW innerhalb der Lenkzeiten in sein Heimatdepot zurückkehrt. Zum einen soll der Fahrer so abends wieder bei seiner Familie sein können. Zum anderen sollen sich auf diese Weise Produktivität und Wirtschaftlichkeit der LKW verbessern, da sie am gleichen Tag mit einem anderen Fahrer erneut auf die Reise gehen können.
Andy Apfelstädt, Mitglied des Projektteams der FH Erfurt, sieht iLAN auf einem guten Weg: „Wir haben die Machbarkeit nachgewiesen, damit ist das Ziel nun greifbar.“ Grundlage der Machbarkeitsstudie ist ein 500.000 Sendungsdaten großer Datensatz, den die 17 beteiligten Speditionen den Erfurter Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt hatten. Jochen Eschborn, Vorstandsvorsitzender der ELVIS AG, sieht in der hohen Beteiligung ein positives Signal: „Wir sind guter Dinge, dass wir in absehbarer Zeit ein leistungsfähiges Netz aufgebaut haben, in dem Ladungstransporte im Begegnungsverkehr abgewickelt werden.“
Von den analysierten Sendungsdaten hätten Apfelstädt zufolge 23 Prozent, was umgerechnet 7500 Transporten entspricht, ohne weiteres über iLAN abgewickelt werden können. „Dieser Wert ist eine sehr solide Basis für einen Feldversuch; zumal er exponentiell steigt, je mehr Speditionen sich beteiligen“, erklärt Apfelstädt.
Herzstück von iLAN ist ein Modell, das von Mathematiker Bernd Nieberding entwickelt wurde. Unter Berücksichtigung von Ladungsaufkommen und Abfahrten berechnet der Algorithmus in Echtzeit die optimalen Begegnungsverkehre. In zahlreichen Simulationen habe sich das Modell bereits bewiesen. „Und das in einem Maße, das wir nicht erwartet haben“, freut sich Apfelstädt.
Ab Herbst muss das System nun auf der Straße zeigen, was es kann. Dann werden die ELVIS AG und die anderen beteiligten Speditionen die Daten ihrer aktuellen Transporte an iLAN senden, aus denen dann die bestmöglichen Begegnungsverkehre berechnet werden. Dabei werden nicht nur klassisch paarige Verkehre identifiziert, sondern zudem auch die optimalen Verknüpfungen aller zur Verfügung stehenden Sendungen erzeugt. Im Ergebnis treffen sich zwei Fahrer, die ansonsten die gleiche Strecke in entgegengesetzte Richtung gefahren wären, auf halbem Weg, tauschen ihre Ladungen und kehren in ihr Heimatdepot zurück. Aufgrund der beschränkten Lenkzeiten darf die Strecke dabei höchsten 580 km lang sein. Denn das System macht nur Sinn, wenn die Gespanne am Ende der erlaubten Lenkzeit wieder auf dem heimischen Betriebshof stehen.
Das sei eigentlich nichts Neues. Stückgut-Systeme würden dies schon seit Jahren erfolgreich praktizieren. „Nur bei Komplettladungstransporten wird statt zu standardisieren traditionell für jeden Kunden eine Extrawurst gebraten“, sagt ELVIS-Vorstand Jochen Eschborn. Anlieferung mit Gabelstapler, Anlieferung zu einem fixen Termin, und so weiter. Das drücke natürlich die Produktivität. Daran kranke die ganze Branche. Fahrzeuge mit deutschen Kennzeichen und deutschen Fahrern seien daher im Ladungsverkehr heute allenfalls noch begrenzt wettbewerbsfähig. „Das wollen wir mit iLAN ändern. Wenn es uns gelingt, die Ladungsverkehre zu industrialisieren, also Fahrerarbeitszeit und Fahrzeugeinsatzzeit zu entkoppeln, sind Kostenersparnisse bis zu 20 Prozent möglich“, ist sich Eschborn sicher.