50 Millionen Kaffeefilter werden bei Melitta im westfälischen Minden täglich produziert. Basis für das Filterpapier ist langfaseriger Zellstoff aus nachhaltiger Forstwirtschaft und Bambuszellstoff. Hinzu kommen Filterpapier-Schnittreste aus der Papierverarbeitung. In der Papierverarbeitung entstehen an 42 Walzenrotationsmaschinen Kaffeefilter in unterschiedlichen Größen, Farben und Qualitäten.
Jede dieser Maschinen ist jetzt an die neue Krämer-Absauganlage angeschlossen, denn nahezu 100% der Papierabschnitte werden wieder in den Produktionsprozess eingebunden. Die Papierreste werden mittels Lufttechnik sortenrein gesammelt, zu Ballen verpresst und dann wieder zu Filterpapier verarbeitet. Auch jedes Staubkorn, das im Prozess entsteht, wird aus der Absaugluft gefiltert, zu Briketts verpresst und energetisch verwertet.
Jede Walzenrotationsmaschine wird von einem eigenen, an den Bedarf der Maschine angepassten Ventilator abgesaugt. Ob naturbraun, weiß oder mit Bambusfaser-Anteil: Der Papierschnitt gelangt über Umschaltweichen im Rohrsystem automatisch in die richtigen Bahnen, so dass er am Ende, 120 Meter entfernt in den Hallen der benachbarten Papierproduktion, sortenrein zu Ballen gepresst werden kann. Diese individuelle Absaugung und die nachträgliche Sortierung des Verschnitts ermöglichen eine flexiblere Produktion: An jeder Maschine darf jetzt jede Papiersorte laufen.
Warum hat sich Melitta entschieden, an dieser Stelle einen so bedeutenden innovativen Akzent zu setzen?
Melittas Ziel, den Energieverbrauch und die Lärmemissionen drastisch zu reduzieren, verlangte eine komplett neue Technik in der Absaugung der Papierreste und des Staubs aus den Produktionsmaschinen. Die aufwändige Instandhaltung der alten Anlage sowie steigende Energiekosten haben Melitta schließlich dazu bewogen, in eine maßgeschneiderte Krämer-Anlage zu investieren, die Einzel- und Zentralabsaugung kombiniert. „Wir haben bei vollem Betrieb die Lebensader der Papierverarbeitung ausgetauscht“, fasst Produktionsleiter Michael Weber die 11- monatige Bauphase zusammen.
Um an den mehr als 40 Produktionsmaschinen die Abfälle bedarfsgerecht zu erfassen und zur Entsorgungszentrale zu transportieren wurden 8 unterschiedlich große Absaugstränge montiert und mehr als 3,5 km Rohre verlegt. Je nach aktuellem Absaugbedarf für die verschiedenen Papiersorten wird jeweils der am besten passende Absaugstrang vorgewählt. Während bis dato immer zentral an allen Maschinen abgesaugt wurde, auch wenn gar nicht alle Maschinen liefen, lässt sich die neue Anlage auf jede Auslastungssituation ausrichten. „Mit der neuen Absauganlage von Krämer können wir bedarfsgerecht absaugen und benötigen deutlich weniger Energie“, erläutert Eduard Pertsch, Leiter Produktions-, Energie- und Gebäudetechnik bei Melitta Europa.
Die weitere Energieoptimierung erfolgt durch eine automatische Drehzahlregelung der insgesamt 60 Ventilatoren. Durch den Einsatz eines neuen Staubfiltersystems mit Spülluftabreinigung konnte außerdem auf den Einsatz teurer Druckluft verzichtet und der Wartungsaufwand erheblich reduziert werden. Ein bedienerfreundliches Steuerungskonzept mit praxisgerechter Sensorik sorgt für einen sicheren Betrieb und ermöglicht eine vorbeugende Instandhaltung. Hierzu wurde eine neue Wartungssoftware entwickelt, die ständig auf alle Betriebsschichten der Anlage zugreift und entsprechende Empfehlungen gibt.
Rund 10.000 Tonnen Papierschnitt fließen durch die Absauganlage pro Jahr wieder zurück in die Papierproduktion – dazu werden pro Stunde bis zu 130.000 m3 Luft bewegt. Im Bearbeitungsprozess entstehen außerdem ca. 30 Tonnen Staub pro Jahr, der zu energetisch verwertbaren Briketts gepresst wird.
Im Vergleich zur Vorläuferanlage reduziert die neue Absauganlage nicht nur den Energieverbrauch und damit den CO2-Ausstoß in einer Größenordnung, die dem jährlichen Stromverbrauch von 750 Vier-Personen-Haushalten entspricht. Auch die Staub- und Lärmemission in der Umgebung und die Zugluft-Belastung am Arbeitsplatz werden erheblich reduziert.
Drei Kriterien waren ausschlaggebend für die Förderung des fast drei Jahre lang geplanten und in knapp einem Jahr verwirklichten Projektes durch das Umweltinnovationsprogramm des Bundesumweltministeriums:
1. Die Anlage muss die Umweltsituation erheblich verbessern, beispielsweise i. S. des Klimaschutzes durch Energieeffizienz.
2. Es muss sich um die erstmalige, großtechnische Anwendung einer innovativen Technologie handeln und
3. die Anlage muss Demonstrationscharakter für andere Unternehmen besitzen.
Der Kern des Krämer-Absaugsystems bei Melitta:
Die in Lüftungs-Klimaanlagen häufig anzutreffende Anpassung an unterschiedliche Lastfälle mittels Drehzahlregelung der Ventilatoren ist bei Absaugung und Lufttransport von Produktionsabfällen nur bedingt anwendbar. Der Regelbereich solcher Anlagen wird nämlich durch die für einen sicheren Betrieb einzuhaltende Mindestgeschwindigkeit im Absaugsystem stark eingeschränkt.
In der Melitta-Anlage stehen deshalb grundsätzlich verschieden groß dimensionierte Absaugstränge zur Verfügung – je nach Lastfall wird für jede Abfallsorte der am besten passende Absaugstrang vorgewählt. Nur die Feinanpassung in einem relativ kleinen Regelbereich erfolgt dann über Drehzahlregelung mittels Frequenzumformen.
Diese Anlagenkonfiguration zahlt sich besonders bei stark schwankenden Lastfällen sowie bei längeren Absaug-Transportwegen aus. Als Nebeneffekt ergibt sich bei diesem Aufbau eine extrem hohe Betriebssicherheit, da konzeptbedingt stets ein Reserve-Absaugstrang zur Verfügung steht.
Die neue Krämer-Absauganlage in Zahlen:
Materialeinsatz:
– 100.000 kg Stahl
– 3500 Meter Rohrleitungen
– 3100 m2 Mineralwolle zur Isolierung der Leitungen (4 Handballfelder)
– 84.000 Schrauben
– 55 Ventilatoren
– 976 Filterschläuche, 2928 Meter Gesamtlänge
Projektzahlen:
– 11 Monate Bauzeit
– 7,7 Millionen Euro Investitionen, inklusive 1,3 Millionen Euro aus dem Umweltinnovationsprogramm des Bundesumweltministeriums
– Bis zu 3 Mio kw/h Energieeinsparung jährlich, bis zu 60 Prozent weniger CO2-Emissionen, das entspricht einer Reduzierung der CO2-Emissioen um bis zu 1200 Tonnen pro Jahr
– 10.000 Tonnen Papierschnitt fließen durch die Absauganlage jährlich wieder zurück in die Papierproduktion
– 28,8 Tonnen Papierstaub werden jährlich aus der Absaugluft gefiltert
– 18,5 Milliarden Kaffeefilter werden jährlich produziert, bis zu 50 Millionen pro Tag